Eine Meldung aus dem Wall Street Journal gibt ein weiteres Indiz zur Diskussion Qualität im Journalismus. Der Chefredaktor der LA Times nimmt den Hut, weil er das Budget nicht noch weiter reduzieren will. In der Schweiz geht es den Verlegern noch sehr gut.
Hier die Originalmeldung aus dem WSJ, online publiziert am 22. Januar. Übrigens seit der kürzlichen Entscheidung von Rupert Murdoch endlich ein offener Link, man braucht kein Passwort mehr für den Login. Passt zum Thema.
Der Chefredaktor hat genug von Einsparungsrunden
Bei einem Redaktonsbudget von 120 Mio USD hätte Chefredaktor James O’Shea weitere 7 Millionen einsparen müssen. 3 Millionen in der Printredaktion, den Rest woanders. Der Verleger David Hiller wollte dieses Geld für eine ausgebaute Wahlkampf- und Olympia-Berichterstattung einsetzen, mit Fokus im Online-Bereich. O’Shea dagegen hatte ein Budgeterhöhung auf 123 Mio verlangt. Dem Artikel ist zu entnehmen, dass er diesen Betrag vor allem für die Printausgabe wollte – die nach den Vorstellungen von Hiller weiter schrumpfen soll.
O’Shea war erst vor 14 Monaten zum Chefredaktor ernannt worden. In den letzten Jahren wurden mehrere Sparrunden durchgeführt: «Früher hatte diese Zeitung 1190 Vollzeitangestellte. Heute sind’s um die 800.» Der Kostendruck steigt, denn die Einnahmen sind rückläufig. Die Tribune Gruppe, zu der die LA Times, Chicago Tribune, Long Island’s Newsday und Baltimore Sun zählen, verzeichnete im dritten Quartal 2007 einen Rückgang der Werbeeinnahmen um 9 Prozent. Bei der LA Times alleine fielen gemäss Hiller die Print-Werbeeinahmen um rund 10 % oder 80 Mio USD.
Höhere Werbeeinahmen, stabile Auflagezahlen in der Schweiz
Da haben wirs in der Schweiz ja noch richtig gemütlich. Das Wemf meldet für 2007 einen Anstieg der Werbeeinnahmen von Tages- und regionaler Wochenpresse von 8.5 Prozent. Stabil bleibt die Entwicklung der Auflagen: Die zweite Runde der Mach Basic wies im September 07 einen Verlust der Kontaktzahlen (Leser) von 0.8 Prozent aus. Ist ja immer noch wenig. Die Stabilität im Total versteckt grosse Verschiebungen. Die Publikums-, Wirtschafts-, Spezial- und Sontagspresse hat 1.1 Mio Kontakte verloren und die Tagespresse gewann knapp 0.8 Mio dazu. Und diese 0.8 an Gewinn sind nur dank dem Doping der Gratiszeitungen entstanden. Die legten nämlich knapp 1 Mio dazu, die bezahlte Tagespresse verlor rund 200.000 Leserinnen. Alle Details dazu im Beitrag von Ueli Custer auf dem Media Trend Journal (typisch Schweiz – nur Abonnenten sehen das ganze Archiv, aber dieser Beitrag ist zum Glück online freigeschaltet).
Redaktionen zusammenführen, Qualität halten
Soll man in Redaktionen investieren, ja oder nein? Wenn ja, dann in den Print- oder in den Online-Bereich? Meine persönliche Meinung für die Schweiz: Dringend in den Online-Bereich investieren und ihn zusammenführen mit dem Printbereich. Inhaltlich, technisch, räumlich. Und dabei die Qualität nicht reduzieren.
Ich weiss, Qualität ist ein weiter Begriff. Dazu ein Auszug aus dem flammenden Abschieds-Appell von James O’Shea:
«This company, indeed, this industry, must invest more in solid, relevant journalism. We must integrate the speed and agility of the Internet with the news judgment and editorial values of the newsroom, values that are more important than ever as the hunger for news continues to surge and gossip pollutes the information atmosphere. Even in hard times, wise investment — not retraction — is the long-term answer to the industry’s troubles. We must build on our core strength, which is good, accurate reporting, the backbone of solid journalism, the public service that helps people make the right decisions about their increasingly complex lives. We must tell people what they want to know and — even more important — what they might not want to know, about war, politics, economics, schools, corruption and the thoughts and deeds of those who lead us.»