Brauchen wir Computer an der Schule? Bildschirme schaden Kindern ernorm, meint der deutsche Psychiater Manfred Spitzer. Eine Überdosis Computer und Fernsehen macht unsere Jugend nicht nur dick, sondern auch dumm und gewalttätig, so seine These.
Schon seit Jahren erzählt und der deutsche Psychiater Manfred Spitzer das gleiche, zuletzt in einem Artikel in der letzten NZZ am Sonntag. Seine Theorien sind umstritten. Doch was macht den Wissenschaftler so erfolgreich?
- Mit seinem Thema trifft er den Nerv seiner Zeit
- Er ist ein brillianter Redner
- Er ist glaubwürdig
Manfred Spitzer hat Medizin, Philosphie und Psychologie gleichzeitig studiert und wurde 1997 zum jüngsten Professor einer Psychiatrie in Deutschland berufen. Später baute er das Transferzentrum für Neurowissenschaft und Lernen auf – mit dem Ziel, seine Forschung weiter zu entwickeln und in die Praxis zu übertragen. Last but not least: Spitzer ist Vater von fünf Kindern, die natürlich alle ohne Bildschirm gross werden.
Spitzers Vorträge füllen ganze Mehrzweckhallen. Aus Neugier habe ich mir vor ein paar Wochen die DVD „Erfolgreich lernen in Kindergarten und Schule“ gekauft. Zwei Stunden lang die gleiche Kameraeinstellung: Spitzer steht auf einer Art Treppenabsatz zwischen zwei Treppenaufgängen. Während des ganzen Vortrags zeigt er nur eine einzige Hellraumfolie, das Foto einer Nervenzelle. Aber der Wissenschaftler beherrscht sein Gebiet. Sein Vortrag ist gespickt mit Anektoten, neusten Studien aus Fachartikeln, Erziehungstipps. Zwei volle Stunden lang habe ich gebannt zugehört.
Und offenbar bin ich nicht die einzige. Inzwischen gibt es Spitzer-DVDs und CDs. Seine Bücher wurden ins Englische, Japanische, Spanische und Polnische übersetzt und waren teilweise in sämtlichen Sachbuch-Bestseller-Listen. Sogar auf Youtube gibt es einen seinen Vorträgen zu finden. Mit seinen konkreten politischen Forderungen („Kein Zucker für Dreijährige, keine Bildschirme für Vierzehnjährige“) begibt sich Spitzer immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Ob er recht hat und seine Argumente auch wissenschaftlich hundertprozentig wasserdicht sind, ist umstritten. Aber der Mann kann reden.
Vorsicht Spitzer! Rezension von Stefan Aufenanger:
Was ist die Botschaft des Buches bzw. warum warnt der Autor vor den genannten Medien? „Weil Bildschirme krank machen, weil sie sich auf die Leistungen in der Schule ungünstig auswirken und weil sie zu vermehrter Gewaltbereitschaft führen“ (S. 12). Oder knapper ausgedrückt: Fernsehen macht dick, dumm und gewalttätig! Diese drei Themengebiete werden in dem Buch ausführlich behandelt, wobei der Autor auf zwei Dinge Wert legt: auf den Zusammenhang von Mediennutzung und Gehirnentwicklung sowie auf eine auf empirische Studien basierenden Argumentation. Und genau diese beiden Punkte machen es notwendig, sich mit dem Buch auseinander zu setzen. (…) Ob die auf den Neurowissenschaften aufbauende Argumentation zutreffend ist, soll hier nicht entschieden werden, denn dies bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit den Methoden und Verallgemeinerungen. (…) Doch der Fachmann kann erkennen, dass die Auswahl dieser Studien genau der ideologischen Argumentationslinie des Autors folgt. Jene Studien, die keinen oder auch nur schwachen Zusammenhang zwischen Mediennutzung und etwa Gewaltbereitschaft aufzeigen, werden nicht erwähnt. (…) Eine differenzierte Sichtweise ist also notwendig. Genau dies ist aber in dem Buch von Spitzer nicht zu finden. (…) Lohnt es sich also das Buch zu lesen? Sicher ja, wenn man die Argumentation der Gegner der Bildschirmmedien kennen lernen will. Um sich selbst ein sachlich fundiertes Urteil bilden zu können, sicherlich nein, denn dazu hat der Autor viel zu sehr seine subjektive Sichtweise in den Vordergrund gestellt. Da sollte man doch lieber die Originalliteratur lesen.
Hallo Beat, vielen Dank für den Link zu dieser interessanten Rezension. Gut möglich, dass Spitzer seine Studien so auswählt und interpretiert, dass sie in seine Argumentation passen. Aber um dies genau zu beurteilen, müsste man die aktuellsten Studien alle genau kennen. Und selbst dann liessen diese sehr wahrscheinlich noch einen Spielraum für verschiedene Interpretationen.