Online weitet den Medienkonsum aus

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Frustrierte Zeitungsleserin38 Minuten verwendet der Schweizer für Online-Medien, 13 Minuten der Amerikaner für Online-News. Bei aller Klage der traditionellen Medien über das Web: Genaues Hinschauen zeigt, dass wir unser Zeitbudget für die Mediennutzung ausweiten. Trotzdem wird es für Print enger.

Zwei Grafiken sind in den letzten Monaten über meinen Bildschirm gehuscht, die ich endlich ein wenig genauer betrachten will: Erstens die Entwicklung der Nutzungszeit der Mediengattungen 2001 bis 2008, von Mediapulse und BfS, publiziert im Jahrbuch Qualität der Medien:

jahrbuch foeg uzh nutzungszeit medien

Jens Lucht hat die Illustration für das Kapitel «Publizistische Versorgung» verwendet. Er gibt an, dass die neue gelbe Linie unten 2004 bei 10 Minuten startet und 2009 bei 38 liegt. Pressetitel bekommen heute noch 27 Minuten täglich. Die Kurve bewegt sich nur unwesentlich unter dem Startpunkt von 2001, wo sie ebenfalls in der Nähe von 30 Minuten zu liegen schien. «Die älteste Mediengattung hingegen verliert», heisst es dazu. Nun, diese minimale Veränderung dürfte im Rahmen der statistischen Abweichungen liegen; ich würde sie als Stagnation bezeichnen.

Ich sehe in dieser Grafik, dass wir Schweizer im Schnitt 38 Minuten länger Medien konsumieren. Stimmt – vielleicht machen wir dabei Spiele, wir chatten, senden E-Mails oder verändern unseren sozialen Status auf Facebook. Das sind nicht alles Medienaktivitäten im hergebrachten Sinn.

Noch selten so viel Zeit für News
Hier hilft uns das amerikanische «Pew Research Center for the People and the Press» weiter. Es untersucht alle zwei Jahre den reinen Newskonsum der US-Bürger. Aus der übersichtlichen Analyse für 2010 ist mir diese zweite Grafik aufgefallen:

pew minutes spent with news

Wenn es nur um die News geht, leiden die Print-Zeitungen stärker, wie die hellgrüne Fläche von 2004 bis 2008 zeigt. Interessant ist am amerikanischen Vergleich auch die Tatsache, dass immer noch drei Viertel aller US-Bürger angeben, News am Vortag via Fernsehen, Radio oder Print erhalten zu haben – unabhängig von der für den Konsum eingesetzten Zeit.

Print hält seinen Anteil seit 2008, Radio und TV bauen sogar minimal aus und die orange eingefärbte News-Zeit fürs Web kommt einfach hinzu. Das Total von 70 Minuten für am Vortag gelesene News ist ein Höchstwert, wie zuletzt 2004 oder Mitte der 90er Jahre erlebt. Nicht in dieser Stunde und zehn Minuten enthalten sind News, die übers Handy  oder andere mobile Geräte gelesen wurden.

Wir werden mehr Medien konsumieren – vor allem Online
Ist Online also doch die Chance für Print – und nicht der Totengräber? Digitale und traditionelle Plattformen nutzen gemäss Pew vor allem höher gebildete und ältere Bevölkerungsgruppen. Diese Zielgruppen werden Print wohl am längsten erhalten bleiben. Mit dem Zusammenwachsen von Web, Fernsehen (und Radio) auf einem Gerät entsteht eine «unheilige» Allianz von zeitfressenden Medienbildschirmen. Zwischen PC, Handy, Tablet und Internet-TV bleibt wenig Raum für Papierrascheln. Trotzdem: Printnischen werden bleiben, kombiniert mit starker Online-Präsenz.

Zum Thema:
Facebook als Traffic-Maschine (Mondaynote)
Das Internet auf dem Weg zum Leitmedium (FAZ)
Mehr Dialog im Journalismus (bernetblog)


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