Gestern Abend wars auf den ersten Blogs zu lesen, heute sind die Kurzmeldungen in der Tagespresse: Der Ringier-Verlag stellt die Abendzeitung «heute» per Juni 08 ein und übergibt diesen Abendplatz an den hauseigenen «Blick» weiter. Der abends dann gratis verteilt wird. Fazit: Ringier behält die besetzte Abend-Nische im Gratismarkt und konzentriert die damit verbundenen Investitionen auf eine bereits bestehende Marke. Blick rüstet multimedial auf im Kampf geben 20Minuten.
Die erste Meldung habe ich auf medienlese erblickt – samt Link zur Ringier-Pressemitteilung. Interessantes Detail aus PR-Sicht: Gestern abend stand am Ende der Satz, dass ab 22.00 Uhr Videos und Bilder zum neuen Blick aufgeschaltet würden. Wieso erst so spät? Aha, der heute gratis verteilte Blick löst das Rätsel: Die Videobotschaft wurde zuerst an der grossen Blick-Relaunchparty von gestern abend gezeigt. Und die Bilder zeigen die heutige, aktuelle Ausgabe.
Der Video ist zu werberisch, zu wenig journalistisch, zu lang. Die Antworten von Michael Ringier wirken noch authentisch. Aber Martin Werfeli liest einen Redetext runter. Was immer wieder auftaucht: «Blick ist die meistverkaufte Zeitung der Schweiz».
Ein schöner Claim. Dahinter steht das Hauptproblem von Ringier: 20Minuten erreichte gemäss WEMF alleine für die Deutschschweizer Ausgaben ein Gratis-Auflagetotal von 435 000. Blick stand 2007 bei 240 000. Jetzt wird gewaltig aufgerüstet, um diese dahinschmelzende Auflageposition zu verteidigen. In diese Strategie gehört auch der zunehmende Ausbau der Online-Plattform. Und hier hat der blick.ch mit 10.8 Mio Visits die Nase vor 20min.ch mit 8.7 Mio Visits (netmetrix, Januar 08).
Liebe Blick-Abonnenten: Die Zeitung wird morgens mit Frühzustellung bis spätestens 0630 Uhr ausgeliefert, gegen Bezahlung. In den grossen Schweizer Städten wird er grad gratis verteilt und bis am 10. März kostet er am Kiosk 1 Franken statt 1.80. Am Abend ist das Blatt dann rechtzeitig auf die Euro08 hin gratis abholbar an den üblichen Orten.
Gratis, nicht gratis. Ich bin mir nicht sicher, ob das aufgeht, auch redaktionell: Eine Marke für zwei Inhalte am selben Tag? Was wird der inhaltliche Unterschied bis zum Abend sein? Will ich wirklich den Blick lesen abends, auch wenn er gratis ist? Der Artikel-Mix von heute morgen spricht mich nicht wirklich an – Spekulationen um den Rütli-Bomber, Massenvergewaltigung in Schmitten, Kaufhaus-Schmuck von Calmy-Rey, Doppelseite Blick-Party…? Und wenn ich regelmässiger Blick-Leser wäre, wieso soll ich ihn bezahlen?
Meine Prognose: Es öffnet sich Potenzial für eine Qualitäts-Abend-Gratiszeitung. Wird News sein Timing ändern?
Hmm, wenn News das timing ändert würde sich dieselbe Konstellation ergeben. Morgens als Abo, die vollwertige Zeitung und Abends noch News zum Tage. Idealer Termin zum Launch auch hier die EM. Aber eventuell wird ja auch 20 Minuten am Abend was bringen, zumindest während der EM.
Ich wage keine Prognosen mehr, ausser vielleicht die, dass die strategische Neuausrichtung einige heute-Mitarbeiter die Stelle kosten wird.
@leu: bei aller nähe zu tagi usw. hat news wenigstens eine andere marke für den abendauftritt. das ist das zahlen – nicht-zahlen weniger auffällig. und die bezahlte marke bietet immerhin noch ein wenig mehr inhalt und qualität als die gratis-schnellfassung. rund um die em wierden wir eine flut von print- und onlinecontent erhalten…
Ich frage mich auch, warum am Morgen bezahlen, wenn ich es am Abend gratis bekomme? Bin mal gespannt, wie Ringier dies hinbekommen will. Oder wird der Blick in 5 Jahren nur noch als Gratis-Zeitung verteilt?
Eine gewagte, aber sehr wohl interessante Prognose: „Es öffnet sich Potenzial für eine Qualitäts-Abend-Gratiszeitung.“
Seit Jahren scheinen bei den Verlegern nur noch Pendlerzeitungen und Sonntagsblätter im Vordergrund zu stehen. Klar, der Werbemarkt drängt es in diese Bereiche, mit aller Kraft. Das Leseverhalten der Pendler und Sonntagsmenschen hat sich verändert, die Qualitätsansprüche der neue(re)n Produkte auch.
Was die Pendlerzeitungen betrifft, glaube ich nicht daran, dass sie sich langfristig behaupten können. Das Informationsverhalten verändert sich weiter, Mensch wird schon bald in Massen via Handy News konsumieren. Und genau dieses neue Verhalten könnte einen Markt für eine wirklich gute gemachte Pendlerzeitung am Abend eröffnen, so wie es Marcel Bernet antönt.
Es gibt nur zwei Verlagshäuser, die den finanziellen Schnauf hätten, ein solches Projekt zu lancieren. Erneut würden sie dabei aber eigene Medien konkurrenzieren. Ein frecher Vorschlag: Der Blick kommt nur noch abends, dafür gratis.
@mark: blick nur noch am abend – und dann als qualitätszeitung? natürlich muss ich jetzt aufpassen mit diesem begriff, der ist einfach zu abgegriffen und zu einfach. ich denke bei qualität an hintergrundinfos, weniger stars und sternchen, mehr wirtschaft und längerfristig relevante tagesnews. auch eine schwammige definition. aber das menu, das heute der blick bietet, ist für mich weit weniger interessant als das menu, das heute geboten hat. mein geschmack wäre news.