Cloud Computing ist es, muss es in Zukunft sein. Rosarot schillert die Wolke in den Zukunftsszenarien der IT und wir stecken längst mitten drin. Aber wofür geben wir unsere Daten hier eigentlich her?
Ich gestehe: Ich mag sie nicht die Wolke. Gerade feiert Apple an der Entwicklerkonferenz WWDC ihr iCloud als die grosse Zukunft des Internets. Auch die grossen Konkurrenten Microsoft, Google* oder auch Amazon singen Lobeshymnen auf das Cloud Computing. Bald sollen all unsere Daten nur noch in der Wolke liegen, frei von den Fesseln einer Festplatte überall für uns zugänglich. Was als die logische Weiterentwicklung des Internets gehandelt wird und die grosse Erleichterung im Sinne des Nutzers verspricht, irritiert mich immer wieder.
Unbestritten nützlich
Nichts spricht dagegen, vom Endgerät unabhängig auf Daten und Dokumente zugreifen zu können. Super, wenn mehrere Teammitglieder gleichzeitig an Google-Docs arbeiten und das lästige Verschicken von Dokumenten wegfällt. Toll, wenn ich nicht mehr überlegen muss, auf welchem Gerät, ein bestimmter Musiktitel gespeichert ist und wenn meine Bookmarks auch auf dem PC des Arbeitskollegen abrufbar sind. Praktisch der sekundenschnelle Datenaustausch über Dropbox. Wer mag schon CDs brennen und verschicken? Und den Web-Zugang auf meine E-Mails inklusive Ablage habe ich noch bei jeder Reise genutzt. Klar: Ich schätze und nutze Dienste der Cloud, aber immer wieder irritiert mich, wie die Cloud meine Arbeit beeinflusst.
Verzögerung statt Zugang
Die Verknüpfung von Daten und Internet schafft oft Abhängigkeit statt uneingeschränktem Zugang: Cloud-Dokumente, die nicht mehr zugänglich sind, weil der Mitarbeiter, der sie angelegt hat nicht mehr im Unternehmen arbeitet. Arbeit, die nicht fertig gestellt werden kann, weil der Cloud-Server gerade ein Problem hat. Oder ganz simpel: Der Internet-Zugang fällt aus. Mühsam genug, wenn man für eine Stunde nur auf den Firmenserver statt auf das Netz zugreifen kann. Was, wenn mit der fehlenden Internetverbindung auch alle Dokumente verschwinden?
Luftig leicht und nicht greifbar
Bei Gratisdiensten gebe ich zudem nicht nur den Zugang in die Wolke ab, sondern ein Stück weit auch den Anspruch auf meine Daten. Mal ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal AGBs gelesen vor dem Akzeptieren? Ohne Vertrag für den Geld fliesst, verliere ich ganz nebenbei und freiwillig die Kontrolle über meine Daten. Ich weiss nicht, wo meine Familienfotos bei Dropbox sind, wer sie sieht und ob sie vom Cloud-Server verschwinden, wenn ich sie lösche. Keine Ahnung, in welchem Land die Server von Evernote stehen, aber ich gehe davon aus, dass dort ein anderes Datenschutzgesetz wirksam ist als hier. Das muss nicht schlechter sein, als in der Schweiz. Vielleicht ist es sogar strenger. Gibt es Inhalte, die in der Schweiz rechtens sind, die auf einem Cloud-Server in Korea eigentlich verboten wären?
No free lunch, no free byte
Pioniergeist und Open Source-Gedanke finde ich grossartig. Ich bewundere Systeme wie Linux und schätze das Gratiswissen in Hilfeforen. Aber wenn IT-Firmen ganze Serverfarmen unterhalten müssen, um Daten in der Cloud zu speichern, muss sich das für sie auszahlen, auch wenn wir nichts bezahlen. Wie verdienen die Cloud-Anbieter an ihren Gratisdiensten? Wie überall im Netz bezahlen wir mit Aufmerksamkeit und akzeptieren Werbung. So weit so klar. Aber vor allem sind Daten im Internet unsere Währung. Dass E-Mail-Anbieter unsere Mails scannen, um kontextuelle Werbung zu schalten, wissen wir. Wozu meine Daten in der Cloud benutzt werden, darüber kann ich nur rätseln.
So noch nicht
Fazit: Die Wolke ist praktisch und erleichtert unseren technisierten Alltag. Gleichzeitig macht sie uns abhängiger vom Internet und von Anbietern, denen wir nichts bezahlen und die uns und unseren Daten nur wenig verpflichtet sind. Das Leben ganz in der Cloud, bei dem ich Musiksammlung, Steuererklärung, Liebesbriefe und Passwortsammlung vertrauensvoll in die Hände der Wolke lege, ist für mich in weiter Ferne. Noch fehlen mir Transparenz und die Möglichkeit genau zu steuern, was mit meinen Daten geschieht. Wichtige Daten bleiben, wo ich sie anfassen kann: auf meinem MacBook und meiner externen HD.
* Bernet_PR betreut ein Mandat von Google Schweiz.
Mehr im dazu bernetblog:
«Was ist eigentlich:… Cloud Computing?»
«Was ist eigentlich:… ein Petabyte, Exabyte, Zettabyte?»
Hm, da will ich dann mal als überzeugter Cloud-Nutzer (Disclaimer: PARX ist u.a. Salesforce.com und Google Enterprise Partner) ein paar Dinge entgegnen:
(1) Kein Zugriff auf Daten mehr, weil Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausgeschieden ist: Ja, ein Problem – aber nur, wenn die Cloud Dienste von einer Schatten-IT eingerichtet wurden. Wenn eine Enterprise Lösung im Einsatz ist (z.B. Google Apps for Business), dann können die Admins das verhindern (so wie auch E-Mail-Konten nicht einfach gelöscht wurden/werden mit Exchange usw.).
(2) Fehlende Internetverbindung: Ja, ein wunder Punkt, da kann man nicht viel entgegnen – ausser, dass man halt entsprechende Infrastruktur aufbauen kann (2. Provider als Fallback, mobiles Internet …).
(3) Gratis Dienste vs. Enterprise Lösungen: Klar ein Problem der Schatten-IT. Es gibt immer mehr Dienste, die auch bezahlte Unternehmensaccounts anbieten, die einen grossen Teil der von Dir angesprochenen Probleme lösen. Wir haben z.B. unseren Fileserver mit der Enterprise Lösung von box.net abgelöst und fahren gut damit. Anders gesagt, wer Gratisdienste im Geschäftsumfeld nutzt, ist selber schuld. Gilt ja auch für Open Source: auch deren Nutzung ist nicht gratis, sondern mit Kosten verbunden (Installation, Wartung, Support, Customizing, usw.). Als privater User muss ich dann halt abwägen, ob dieser Trade-off für mich i.O. ist oder nicht (s. unten, Probleme mit lokaler Datenhaltung als Privatanwender); ich habe ja auch privat die Möglichkeit, bezahlte Angebote zu nutzen.
(4) Daten auf MacBook und externer HD: 1 Trojaner und dann (OS X ist genauso unsicher wie Win oder Linux …)? MacBook geklaut und dann? Zu Hause (im Büro) brennt’s und die externe HD ist futsch? Usw. usf. Alles eine Frage der persönlichen Risikowahrnehmung.
Für mich ist die Cloud eine Hilfe im Alltag, die mir das Hantieren mit verschiedenen Computern an verschiedenen Arbeitsplätzen enorm erleichtert. Ich habe so viel Vertrauen, dass ich davon ausgehe, dass die Cloud mir die Daten im Alltag in der Regel zugänglich macht und sich niemand speziell für deren Inhalt interessiert. Für einen Ernstfall – einen Ausfall – habe ich eine externe Festplatte, auf der ich wichtige Daten sowie regelmässige Backups speichere. Weder blindes Vertrauen noch generelles Misstrauen, doch eine gewisse Vorsicht führen mich dazu: Doppelt gemoppelt hält besser!
Da haben wirs! Kathrin ist den CH-Leitmedien wieder eine Nasenlänge voraus. Am Abend berichtete dann die Tagesschau wie die alte Fasnacht: http://goo.gl/IjfJo
Ich denke dennoch, dass das Cloudworking die Zukunft ist. Momentan ist das Ganze vielleicht auch noch zu unausgereift und vor allem zu wenig verbreitet 🙂
Bei mir ist es gerade umgekehrt, wichtige Daten kommen in die Cloud, wo sie sicher aufbewahrt werden und mir der Zugriff viel besser gewährleistet wird. Nur noch Unwichtiges liegt auf meinen Harddisks herum.
Du erliegst meines Erachtens der Illusion, dass Du einen direkteren Zugang zu Deinen Daten hättest, wenn Sie auf der Festplatte Deines Computers gespeichert sind.
Allerdings kannst Du die Daten auch dort nicht „anfassen“ wie Du schreibst, sondern nur den Datenträger und das nützt Dir nicht sehr viel. Wenn die HD crashed beispielsweise oder wenn jemand anders das Hardware Teil etwas zu gerne „anfasst“, ein Dieb beispielsweise.
Ich habe sowohl einige Harddiskcrashes und einen Einbruchdiebstahl hinter mir und bin heilfroh, habe ich meine wichtigen Daten seit bald 10 Jahren in der Cloud. Es war jedes mal kein Problem für mich, innert kürzester Zeit weiter zu arbeiten.
Ich frage Dich jetzt nicht, wann Du Deinen persönlichen Backupprozess das letzte Mal getestet hast 😉
Zu den Abhängigkeiten: Klar sind wir vom Internet Zugang abhängig, dass ist nun einmal so im 21. Jahrhundert, so wie wir früher um Business machen zu können, von der Telefonleitung abhängig waren, oder vom gut ausgebauten Strassennetz.
Allerdings ist das in der Schweiz ja gar kein Problem mehr. Ich hatte bis ca. 2007 neben Cablecom, zusätzlich noch einen ADSL Backup um mir den Internet Zugang zu sichern. Seit wir aber ein sehr gut ausgebautes 3G Netz in der Schweiz haben, brauche ich diesen ADSL Backup nicht mehr. Gerade gestern hatte für kurze Zeit einen Ausfall des Internetanschlusses, dann schalte ich halt schnell den Personal Hotspot auf dem iPhone ein und arbeite weiter.
Computersysteme bzw. alle technischen Systeme können ausfallen, ja sie fallen sogar sicher irgendwann mal aus. Nur ist es so, dass ich mich beim Ausfall eines Cloud Anbieters nicht darum zu kümmern brauche.
Das ist einer der ganz grossen Vorteile einer echten multi-tenant Cloud Umgebung. Der Cloud Anbieter kümmert sich darum, ohne dass ich mich regen muss, weil nicht nur ich, sondern ganz viele andere Kunden auch betroffen sind.
Als ich noch einen eigenen Exchange Server für PARX in Betrieb hatte (ohhhhh, es schaudert mich wenn ich daran zurückdenke), gab es auch immer mal wieder Ausfälle, aber da musste ich dann ins Rechenzentrum anrufen und zuerst mal erreichen, dass sich jemand um uns, den kleinen Fisch kümmern. Kommen alle die Ausfälle dazu, die durch diese ewige Patcherei nötig waren. Wie gesagt, eine grässliche Zeit.
Die Ausfälle in der Cloud sind viel seltener und sie werden viel schneller in Ordnung gebracht. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich spreche hier wirklich aus bis zu 10 Jahren intensivster Nutzungserfahrung von Services wie Salesforce.com oder Google Apps und kann das mit den anderen Erfahrungen mit eigener Infrastruktur vergleichen.
Natürlich ist es nicht bei jedem Anbieter so und damit wären wir bei der Frage der Gratisdienste. Da halte ich es wie Du, grundsätzlich gibt es nichts kostenlos. Ich bin auch immer skeptisch, wenn nichts verdient wird, da ist es eigentlich schon fast sicher, dass der Service wieder verschwinden wird. Allerdings muss man nicht nur darauf achten, ob der Anbieter direkt vom Nutzer Geld verlangt, sondern ob ein tragfähiges Businessmodell dahinter steckt und ob der Anbieter wirklich Internet DNA in seiner Organisation hat und wie viele Kunden bereits darauf setzen. Auch in der Cloud sind wir dafür verantwortlich zu entscheiden, mit wem wir in geschäftliche Beziehungen treten. Nicht jeder Cloud Anbieter ist grundsätzlich zu empfehlen, nur weil er ein Cloud Anbieter ist.
Es gibt ganz klar auch negative Aspekte beim Cloud Computing, dass möchte ich gar nicht bestreiten. Da wäre zum Beispiel die Tendenz zur Zentralisierung auf der Infrastruktur- und Plattformebene (nicht auf der SaaS Ebene). Oder die Tendenz gewisser Anbieter (und hier ist ausdrücklich gerade nicht Google gemeint) den Kunden durch lock-in Strategien festzuhalten, usw.
Ach ich könnte noch so viel zu Deinem Artikel schreiben, aber irgendwie ist es ja auch doof, wenn der Kommentar länger wird als der Blogpost. Ich bin ja seit langem als Cloud-Computing Evangelist unterwegs und eigentlich dachte ich, mein Job sei langsam überflüssig. Daran zweifle ich nun wieder ein wenig 🙂
Danke, Andreas, für die ausführliche und informative Antwort. Insgeheim hatte ich ja auf Widerspruch und Diskussion gehofft 😉
Beim Thema Zugang gebe ich dir Recht. Mit dem nötigen Wissen und der entsprechenden Technik lässt sich das regeln. Als Nicht-Techie und Nicht-IT-Spezialistin bin ich bei Unterbrüchen natürlich etwas abhängiger und ratloser als Du. Auch einverstanden bei der Systemsicherheit: Je mehr Personen ein System nutzen, desto zuverlässiger wird das System unterhalten, bzw. repariert.
Als Nicht-IT-Spezialist erliege ich auch gerne der Illusion, das ich meine Daten auf dem MacBook und der externen HD anfassen kann 😉 Tatsache ist, wenn ich den Speicherort anfassen kann, weiss ich wo meine Daten sind und was mit ihnen geschieht.
In diesem Punkt bleibe ich hart: Ich finde es (noch) viel zu schwierig als Nicht-Techie zu beurteilen, ob Angebot und Anbieter in der Cloud vertrauenswürdig sind und wozu meine Daten allenfalls genutzt werden. Hier habe ich den Durchschnittsnutzer im Fokus. Wenn Ringier die IT in die Cloud verlegt, gehe ich schwer davon aus, dass sie genau wissen, wie ihre Daten geschützt sind und was damit geschieht. Als Durchschnitts-User nutzte ich aber die (vielen guten und praktischen) Gratis-Dienste. Und auch hier möchte ich wissen und wählen können, was mit den Daten geschieht.
Mein Wunsch an die Cloud-Anbieter ist also Transparenz und Governance auch für Normalnutzer und bei Gratisdiensten. Dann leg ich mich auch ganz in die Wolke. Vielleicht 🙂
PS: Auf mein «anfassbares» Back-Up-System konnte ich mich bisher verlassen. Glück gehabt. In der Cloud habe ich allerdings schon Daten verloren… eben als PR-Beraterin und Nicht-Techie 😉
@Michael Gisinger, Janina und Bisclum: Danke auch für diese Kommentare, die leider erst jetzt durch unseren Spam-Filter durften. Es bleibt auf jeden Fall spannend mit der Cloud. Zum Abschluss noch ein interessanter Artikel zu Ängsten und Vorbehalten zur Wolke erschienen bei inside-it.ch: http://www.inside-it.ch/frontend/insideit?_d=_article&site=ii&news.id=25168
Hi,
bei rosarot fühlt man sich ja direkt angesprochen. 😉
Aber im Ernst: Cloud muss man auch in Hinblick auf andere UseCases sehen. Also auch mal aus Firmenperspektive. Zwei Beispiele findet ihr hier.
http://dreisechsnull.telekom.de/#webtv/flexibel-dank-cloud-computing
Tobias
DreiSechsNull Community Team
Was ist eigentlich mit Backup/Restore in der Cloud, wenn man ein Dokument versehentlich gelöscht hat? Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie man mit dem Anbieter telefoniert: „Können Sie mal bitte fix die Datei xyz wieder herstellen …?“ – „Und wie war noch gleich Ihr Name? … ah so ja. Und Sie möchten gern …? ah so ja … ich eröffne ein Ticket, Sie werden in Kürze kontaktiert, dauert maximal eine Woche …“ usw. 😉
Das Cloud-Computing ist als ganzes in meinen Augen nur beschränkt ein sinnvolles System. Einsatz kann ich mir vorstellen in einem autarken System eines Unternehmens und hier auch nur für sogenannte „Tauschdaten“ (also nicht ökonomisch relevante Daten, die unter den Mitarbeitern „getauscht“ werden, um Mail-Server zu entlasten). Alles weitere gehörte schon immer in vertrauensvolle und vertrauenswürdige Hände.
Ein Fakt, den die neue moderne Apple- und Facebook-Generation oder besser Gesellschaft nicht sehen will oder besser kann(!). Ich sehe neben der durchaus berechtigten Datenschutz-Kritik auch die Punkte der ökologischen Verträglichkeit. Es ist letztendlich ein Zeichen der allgemeinen Faulheit oder selbsterzeugten Beschränktheit (dies nicht falsch verstehen, denn es ist ja auch alles bequem und natürlich geht man immer den Weg des geringsten Widerstandes!) nicht sehen zu wollen, welche Folgen dieses „Cloud-Denken“ hat.
– ökonomisch sehe ich keine Vorteile: Auch wenn Haeger es etwas flapsig ausdrückt, so ist dort die volle Wahrheit enthalten. Wer Warteschleifen hasst und immer über sie schimpft, wenn man mal selbst gefangen ist, sollte sich Gedanken machen.
– ökologisch ist es eine Katastrophe, wenn man die Erwartung hat, immer und überall an seine Daten zu kommen. Wir nutzen Strom von einem lokalen Ökostrom-Anbieter und der Server-Block ist von überall auf der Welt ansprechbar, immer und bei einer Wakeup-Time von max. 30sek – die Zeit haben wir. Wenn man dann sieht, dass die tägliche Sleep-Phase bei 40-95% liegt (im Mittel etwa 60%) kann mir keiner erzählen, dass ein Öko-Cloud hier umweltverträglicher ist.
„Schmücken und zieren muss sich der Geist um ein Schöngeist zu werden.“
Einen Guten Tag