The Age of Less: aufs Maximum reduzieren

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Jetzt ist genug. Knappe Ressourcen, Schuldenfallen überall, Gesellschaftskrankheit Burnout – unser Drang nach Wachstum fordert seinen Tribut. Was macht uns wirklich glücklich? Können wir der Wachstumsspirale entrinnen?

Um die Grenzen des Wachstums ging es am letztwöchigen Event (Link mit kurzem Video-Interview mit David Bosshart. Nachtrag: hier noch die gesammelten Videos zum Event) des Gottlieb Duttweiler Instituts unter dem Motto «The Age of Less – Worauf wir uns einstellen müssen».

GDI-Chef David Bosshart verwies einführend auf die Unausweichlichkeit des Umdenkens: «In der westlichen Welt sind wir uns lineares, exponentielles Wachstum gewöhnt. Jetzt erkennen wir: Der Wohlstand von einigen hundert Millionen Europäern und Amerikanern ist mit unseren Ressourcen nicht globalisierbar. (…) Wir müssen wieder Bodenhaftung kriegen, die Dinge realistischer sehen. Das wird uns helfen die Dinge mehr wert zu schätzen, weniger und bewusster zu konsumieren. Nicht mehr von der Frage ausgehen «Wieviel Geld bekomme ich? Wieviel Vermögen habe ich?» sondern viel mehr «Was brauche ich überhaupt, um glücklich zu sein?». Bosshart analysiert dieses Umdenken auch in seinem  Buch «The Age Of Less – die neue Wohlstandsformel der westlichen Welt» (Amazon-Link).

Raus aus den Tretmühlen des Glücks
Volkswirtschafter und Buchautor Mathias Binswanger  («Tretmühlen des Glücks», 2006, Amazon-Link) sprach über «das merkwürdige Verhältnis zwischen Geld und Glück» und berief sich dabei auf Bernhard Shaw: «Ökonomie ist die Kunst, das Beste aus unserem Leben zu machen.» Oder noch etwas deutlicher: Kunst ist es, aus jedem zur Verfügung stehenden Franken ein Optimum an Glück zu ziehen. Die Glücksforschung macht es deutlich: Während sich seit dem Zweiten Weltkrieg in den USA das Bruttoinlandprodukt verdreifacht und in Japan sogar versechsfacht hat, hat das Glücksempfinden in beiden Ländern stagniert. Binswanger definiert nun also vier verschiedene «Tretmühlen», die Glück versprechen, es aber verhindern: die Statustretmühle, die Anspruchstretmühle, die Multioptionstretmühle und die Zeitspartretmühle. Jede wird für eine moderne Wirtschaft gebraucht. Noch brauchen wir Wachstum – und die Tretmühlen machen diesen möglich. Aber wieviel? Binswanger skizziert 10 Ausstiegsstrategien um Tretmühlen-Effekte zu reduzieren.

Meine 5 Favoriten:

  • Attraktives Sozialleben statt Anhäufung materieller Güter
    Sozialkapital wird nicht durch Geld, sondern durch Zeit aufgebaut. Das macht es so wertvoll – und entsprechen natürlich die «Glücksdividende» daraus. Kurz: Weniger besitzen – mehr Zusammensein. Das braucht zwar Zeit – macht aber zufrieden.
  • Vermeidung von stressigen Formen des Familienlebens
    Wie muss man heute «Familie leben», dass es dem Zeitgeist entspricht? Achtung: die Frage ist eine Falle. Man kann nur verlieren. «Familie» ist mittlerweile ein erwiesener Stressfaktor. Lassen wir uns nicht von Idealbildern aufreiben. Oft gilt halt auch hier: Weniger ist mehr.
  • Nutzung der Potenziale für räumliche und zeitliche Flexibilisierung
    Das Web verspricht hier zwar Fortschritt. Fakt ist: Immer mehr Menschen pendeln. Stundenlang. Obwohl Pendeln ein nachweislicher Unglücksfaktor ist. Home-Office kann eine Möglichkeit sein, die Verkürzung des Arbeitsweges ein anderer.
  • Keine Verherrlichung von Effizienz, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Reformen
    Wir sind überzeugt: Mehr Glück, besseres Leben ist nur durch Innovation und mehr Effizienz möglich. Korrekt? Wieviel Innovationen haben unser Leben verschlechtert? Wie viel Effizienz brauchts fürs Glück? Beide Elemente sind undiskutabel nötig und wichtig. Aber nicht allein und nicht zum Selbstzweck.
  • Sich üben in der Lebenskunst
    «Wir sind Experten im Geld verdienen, aber Laien, wenn es darum geht, das verdiente Geld in Glück umzusetzen., schreibt Binswanger. Er schliesst sein Buch mit dem Wunsch, das Fach «Lebenskunst» in die Lehrpläne zu nehmen und mit diesen prophetischen Worten des Ökonomen Keynes von 1930: «Die eifrigen Geldverdiener mögen uns all in den Schoss des ökonomischen Überflusses mitnehmen. Aber es werden nur diejenigen Menschen in der Lage sein, den neuen Überfluss zu geniessen, welche die Lebenskunst selbst kultivieren und zu grösserer Perfektion entwickeln können.»

Autor und Referent Binswanger erläutert die zitierten Tretmühlen und die zehn Strategien dagegen äusserst süffig, einleuchtend und doch fachlich kompetent. Empfehlenswert zum Thema ist auch «Genug» von John Naish (Amazon-Link). Er erzählt anschauliche Beispiele vom allgegenwärtigen Genug und zeigt Ausstiegsvarianten.

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