Nein: Gute Schreibe ist nicht nur Geschmackssache. Texte können auch objektiv beurteilt und redigiert werden. Wichtig, denn auch gestandene Profis sind nicht vor Textfallen gefeit. Das muss ihnen aber schonend beigebracht werden. Lesen Sie darum diesen Herbstanstoss über
- den Schreibprozess – in 5 Phasen
- das Redigieren und den Umgang mit Autoren
- Schreibhilfen aus dem Internet
Der Schreibprozess in 5 Phasen
Fünf Schritte zu einem stressfreien Texterlebnis für Sie und Ihre LeserInnen:
1. Planung
Noch vor dem ersten Wort: planen Sie Ihren Text. Welches sind Ihre Hauptaussagen? Wie wollen Sie diese strukturieren und nach welcher Dramaturgie? Der Fünf-Fingertest hilft: Zählen Sie die fünf wichtigsten Aussagen in der gewünschten Reihenfolge auf. Und zwar aus dem Kopf, weil die LeserInnen sich auch nicht mehr als drei bis fünf Aussagen merken können. Wiederholen und perfektionieren Sie so den Ablauf – und nutzen Sie diese Strukturhilfe beim Texten.
2. In einem Fluss – der Schreibprozess
Von A-Z einen Text durchschreiben – unmöglich. Wir springen vor- und zurück, verbessern da und dort und bleiben oft zu lange hängen. Überlisten Sie sich selber: Disziplinieren Sie sich, jeweils höchstens zwei Zeilen retour zu lesen. Setzen Sie sich erreichbare Etappenziele und tippen Sie diese kleinen Abschnitte fertig, störe was wolle, auch wenn einzelne Ausdrücke noch nicht perfekt scheinen. Sie werden den Text am Schluss ja sowieso noch mehrmals überarbeiten.
3. Schreibstau: einige Lösungsmittel
Und wenn es dann doch stockt? Wenn Kaffee und Frischluft nichts nützen? Ein leerer Bildschirm kann Wunder wirken. Öffnen Sie ein neues File und beginnen Sie den Text – aus der Erinnerung – nochmals von vorne. So umfahren Sie den Schreibstau vielleicht ganz locker.
4. Am Schluss: Typotest und E-Mail-Trick
Der Schlusspunkt ist gesetzt. Vielleicht haben Sie sogar direkt ins richtige Layout geschrieben. Jetzt gilt es, das Werk nochmals auf inhaltliche Konsistenz und formale Richtigkeit zu prüfen. Der Kniff dazu: Ändern Sie Schrift, Grösse, Format und gehen Sie in dieser neuen Form nochmals alles sorgfältig durch. Oder setzen Sie den Text via „kopieren-einfügen“ in Ihr E-Mail-Programm und schicken ihn sich selbst. Im neuen Format wird Ihnen einiges ins Auge stechen, was vorher verborgen blieb.
5. Üben, üben, üben, lesen
Altbacken, aber wahr: Übung macht den Meister. Schreiben Sie viel; im Büro und Zuhause. Und lernen Sie lesend die Schreibweise Ihrer Vorbilder kennen. Wir haben viel gelernt in Wolf Schneiders Standardwerk Deutsch für Profis. Was ist Ihre nächste Schreibleistung? Oder starten sie gar ein eigenes Weblog für ihre Schreibfitness?
Textredaktion und der Umgang mit Autoren
Kennen Sie das? Die Textvorlage Ihres Auftraggebers, Ihrer Chefin, Ihres Kollegen ist unbrauchbar. Sie können die Mängel nicht spontan auflisten, aber intensive Textredaktion ist nötig:
Mikro und Makro:
Pflegen Sie das Wechselspiel zwischen dem grossen Bild und der Liebe zum Detail. Der erste und der letzte Gedanke gehören dem Gesamteindruck: Habe ich Lust diesen Text zu lesen? Spricht er an, lädt er ein, nimmt er mich mit? Ist der Textaufbau logisch, nachvollziehbar, spannend? Dazwischen vertiefen wir uns auf die Satz-, Wort- und Zeichenebene. Berücksichtigen Sie die neuen Regeln der Deutschen Rechtschreibung.
Redigieren und Informieren:
Verstösse im Mikrobereich verbessern Sie direkt und verwenden dabei die offiziellen Korrekturzeichen. Sind aus der Makrosicht Textänderungen erforderlich, begründen Sie diese klar. Am besten ändert die Autorin selber. Nur wenn die Zeit dafür zu knapp ist, kürzen Sie selber. Lassen Sie den Text von neutralen Augen gegenlesen und sichern Sie sich per 4-Augen-Prinzip ab. Informieren Sie aber immer die Textquelle über ihr Vorgehen.
Geben und Nehmen:
Alles beginnt mit dem sauberen Briefing. Über Umfang, Textart (Interview, Bericht, Rezension), Struktur (Titelkonzept, Lead), Termine. Damit sparen Sie viel Redaktionsarbeit. Informieren Sie schon am Anfang über Ihr Vorgehen. Und führen Sie für das Textfeedback ein Gespräch in passendem und stressfreiem Rahmen. Nehmen Sie auch Kritik an ihrer Redigierarbeit an.
Anleitungen für Ihre Textwerkstatt
Wir empfehlen diese Geh-Hilfen für den Weg zum stressfreien Text-Erlebnis:
Das «Textogen» (5 Seiten, pdf, 440KB) der Schreib- und Redigierprofis von Textcontrol kann Wunder wirken.
«Capture, Deliver, Excel» (90 Seiten, englisch, pdf, 1,4MB), Texten nach den 7 Prinzipien Fokus, Zweck, Bedeutung, Wesentlichkeit, Struktur, Klarheit, Demut. Kluge Gedanken, klar und schön aufbereitet.
Und eine ganze Bibliothek von wertvoller Fachliteratur, hier ausgewählt und gelinkt von Script, dem Schweizer Texterverband.
Es schreibt keiner wie ein Gott, der nicht gelitten hat wie ein Hund.
Marie von Ebner-Eschenbach
Leidenschaft hat mit Leiden zu tun, Qualität mit Qual. Bei allem Anspruch – behalten Sie Leser und Textziel im Fokus und verlieren Sie nicht die Freude an der Sprache.
Copyright für den Inhalt www.bernet.ch, Weitergabe nur mit Angabe der Quelle. Anstoss 21/ Oktober 2006