Tamedia übernimmt Edipresse Schweiz: Erste Aussagen

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SchreibmaschinentastaturGestern die grosse Meldung über die Medienübernahme, heute die interessantesten Aussagen aus Print und Online. Ist Google an allem schuld?

Tamedia-Kapitän Martin Kall zu den Westschweizer Medien, gemäss NZZ Online:
«Mit dem angepeilten Umsatz von 1,25 Mrd. Fr. liegt die neue Mediengruppe hinter der Publigroupe, der SRG und Ringier auf dem vierten Rang.»

Wieso so bescheiden? In der Schweiz alleine ist die neue Gruppe (772 Mio.) mehr als doppelt so gross wie Ringier (557 Mio.) und klar der Leader im Printbereich. Die Zahlen sind aus der übersichtlichen Grafik in der heutigen Print-Ausgabe des Tages-Anzeigers. Nachdem gestern der Tagi Online die Meldung auf der Startseite erst nach langem Scrollen zeigt, gibts im Print eine Doppelseite als Zeitungsauftakt. Mir fehlte auf den Umsatzvergleichen für eindeutig Axel Springer Schweiz – auf Anfrage erhalte ich nur die Beschäftigtenzahlen, Länder-Umsätze werden nicht publiziert. Mit 355 Mitarbeitenden für Handelszeitung, Bilanz, Beobachter und weitere Fachtitel bleibt Axel Springer Schweizer der kleinste unter den grossen Mitspielern. Implizit wurde die Gruppe doch erwähnt – in den zahlreichen Statements, die es als gute Nachricht werten, dass die Edipresse-Titel in Schweizer Hand bleiben.

Medienpirat Roger Schawinski im Kurzkommentar im Tages-Anzeiger:
«Weitere regionale Verlage wie diejenigen in Basel, im Bündnerland oder die Zücher Landzeitungen werden wie Dominosteine fallen, falls die Wettbewerskommission dem nicht Einhalt gebietet. Zudem wird sich Tamedia das absolute Gratiszeitungsmonopol sichern.»

Damit prophezeit Schawinski das baldige Ende für .ch und Blick am Abend. Gut, vielleicht zählt er den zweiten Todeskandidaten nicht zu den Gratiszeitungen? Die Zürcher Landzeitungen werden bestimmt einen sehr schweren Stand haben. Vielleicht wird Tamedia in den nächsten zwei Jahren etwas mehr mit sich selbst beschäftigt sein, was zu einer kurzen Verschnaufpause im Verdrängungskampf führen kann. Aber vielleicht hält man das von Kall eingeschlagene Marktdominanz-Tempo ein. Basler Zeitung und Südostschweiz sind so stark abgestützt, dass es nicht so schnell gehen wird. Ausser in beiden Häusern wächst ebenfalls die Bereitschaft, Kasse zu machen und sich anzulehnen. Rein von der Grösse her hätte Roger auch die AZ Medien erwähnen müssen.

Tamedia-Admiral Pietro Supino im Interview mit Constantin Seibt und Iwan Städler:
«Eigentlich kommt die Fusion… zu früh. Wir sind noch daran, den Zusammenschluss mit Espace Media abzuschliessen. Aber man muss im Leben die Gelegenheiten nutzen, wenn sie sich ergeben.»

Das ist eines der drei Geheimnisse der schnellen Tamedia-Expansion: Gelegenheiten aufspüren, erfassen und umsetzen. Aus einem langjährigen freundschaftlichen Verhältnis wurde in den letzten sechs Monaten dieser Deal eingefädelt. Das zweite Geheimnis: Genügend Eigenmittel. Die unternehmerische Dynamik der letzten Jahre sorgt für einen hohen Cash Flow, die 226 Millionen für die ersten beiden Übernahmeschritte werden gemäss Supino weitgehend aus eigenen Mitteln finanziert. Das dritte: Glück und Agilität. Irgendwie schafft es Tamedia, näher an den Kandidaten dran zu sein als andere. Axel Springer ist der böse Ausländer. Ringier vielleicht zu stark aufs Auslandgeschäft fokussiert und mit vielen internen Herausforderungen konfrontiert. Die NZZ zu stark auf Zürich fokussiert und mit der Integration von LZ und St. Galler Tagblatt auch schon recht herausgefordert?

Tages-Anzeiger-Matrose Jean-Martin Büttner in einem Kommentar:
«Nous sommes tous des Zurichois»

Alles wird eingezürchert, auch die Romandie. Zürich steht für wirtschaftliche, politische, kulturelle Dominanz. Büttner zeigt auch auf, das Edipresse selbst in der Romandie das Image des dominanten Verlages hatte, der Zeitung um Zeitung aufgekauft und teilweise eingestellt hat. Die Unbeliebtheit des Verlags bei Politik und Konkurrenz führt wohl auch dazu, dass wir bei dieser Übernahme keinen Aufschrei der Entrüstung hören. Die Illustration zum Kommentar auf Seite 9 zeigt einen Pacman Tamedia, der sich Edipresse schnappt – und gleich hinter Tamedia droht der grosse Google-Pacman. Diese Begründung der Übernahme hat mich gestört. Der Zusammenschluss macht aus ganz vielen anderen Gründen Sinn. Muss man als Entschuldigung das böse Google an die Wand beamen?

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