Vor einer Woche gingen Tagi-Mitarbeitende auf die Strasse. In der Zwischenzeit sind die Kündigungen ausgesprochen. Ein kurzes Interview mit Daniel Suter, der vor einer Woche Flugblätter verteilt hat und inzwischen zu den Entlassenen zählt. Weitere Aktionen sind zu erwarten.
An jenem Dienstagmorgen nehme ich am Bahnhof Stadelhofen das beidseitig bedruckte A4-Blatt entgegen, erwarte einen Sonderdruck zu einem Grossereignis. Und sehe schnell: Es handelt sich um eine gut gemachte Strassenaktion der Tages-Anzeiger-Personalkommission. Deren Präsident Daniel Suter trägt ein Tagi-T-Shirt samt Tagi-Mütze und ist einverstanden, wenn ich ihn fotografiere. Ich haste weiter auf den Zug und er ist in den folgenden Tagen kaum erreichbar. So findet denn unser Kurzinterview erst heute morgen telefonisch statt. In der Zwischenzeit ist Daniel Suter entlassen worden, zusammen mit 50 Kolleginnen und Kollegen, siehe dazu auch Zürcher Presseverein mit einer Meldung vom Donnerstag.
Daniel Suter, wie fühlen Sie sich? «Den Umständen entsprechend, danke. Gerade habe ich sehr viel zu tun als Präsident der Personalkommission. Ich war bei allen Gesprächen als Vertreter der Arbeitnehmerseite dabei, jetzt stehen die Verhandlungen über den Sozialplan an.»
Hat die Strassen-Flugblatt-Aktion etwas gebracht? «Das direkte Echo war sehr gut – wir haben 10’000 Flugblätter (Flugblatt-PDF) unter die Leute gebracht, mit 15 Kolporteurinnen und Kolporteuren. Viele haben gesagt, so kann man das nicht machen: 52 Personen in der Redaktion und 7 Personen in der Druckerei entlassen bei den ersten roten Zahlen nach 116 Jahren.»
Sind Sie verwarnt worden, weil Sie mit Tagi-Logo ein Tagi-Extrablatt verteilt haben? «Nein nein. Ich bin nicht zitiert worden, es gab keine Verwarnung, ich habe ja nichts Illegales gemacht. Wenn die entlassenen Mitarbeitenden der UBS sich auf der Strasse engagiert hätten, dann würden sie das doch auch mit UBS-Logos tun. Ich bin mir wegen meines Engagements auch nicht besonders mutig vorgekommen – für mich ist diese Art der kritischen Auseinandersetzung eine Frage der Ethik, der Fairness.»
Sind Sie wegen Ihres Engagements auf der Entlassungsliste? «Ich würde sagen, das war nicht der Auslöser, aber bestimmt auch kein Hinderungsgrund.»
Planen Sie weitere Aktionen? «Jetzt empfehlen wir zuerst allen Betroffenen, ihre Kündigung anzufechten. Denn es fehlen individualisierte Angaben von Kündigungsgründen. Auch bin ich enttäuscht darüber, dass die Unternehmensleitung ihre Ankündigung von frühzeitigen Pensionierungen nicht eingehalten hat. Ich werde im August 60, auch mir wurde einfach gekündigt. Jetzt geht es um die Verhandlung des Sozialplans. Falls der unfair ausfällt, müssen wir wieder etwas machen. Auch bei der gemeinsamen Demonstration vom letzten Dienstag (tagi.ch) hat sich klar gezeigt: Es gibt eine starke Solidarität unter allen TA-Mitarbeitenden und wir werden bestimmt nochmals gemeinsam auftreten.»
Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Hätte ich selbst den Mut gehabt, mich in dieser Situation als Angestellter auszusetzen? Vielleicht bin ich selbständig, damit mich nur Kunden entlassen können. Die Aktion und das Flugblatt sind sympathisch gemacht, sinnvoll wäre aus meiner Sicht eine online-Flankierung. Noch ist auf Facebook nichts sichtbar. Ich drücke dem gehenden und dem bleibenden Teil des Tagi-Teams die Daumen für hoffentlich bessere Zeiten.
Es ist zum Heulen wie mit den Mitarbeitenden umgegangen wird – sowohl in Zürich (Tagi) wie in Bern („Bund“). Aber das wird in den etablierten Medien (noch) kaum thematisiert.
Inzwischen gibt’s übrigens eine Facebook-Gruppe: Sie heisst Tagi-Kall-Schlag Nein. Hier gehts lang:
http://www.facebook.com/group.php?gid=109920534740&ref=ts
das woz-interview von daniel suter, auf persönlich.com: http://www.persoenlich.com/news/show_news.cfm?newsid=82610