Was gibt es schöneres, als auf dem Sofa zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen? Ich lese gerne. Nur leider… die tägliche Datenflut ist enorm. Immer mehr Menschen propagieren deshalb Lesetechniken und Methoden, wie unser Gehirn in noch weniger Zeit noch mehr Informationen aufnehmen kann.
Ein Buch mit 250 Seiten lesen in einer Stunde? In ihrem Buch „Schneller lesen“ erklären Holger Backwinkel und Peter Sturtz, wie das geht. Die Theorie: Geschwindigkeiten über 1000 Wörter pro Minute sind möglich. Ich habe es selbst ausprobiert. Mein Test-Ergebnis: 670 Wörter.
Gut. Nehmen wir an, ich habe nicht viel Zeit, will aber meine Lese-Technik verbessern. Was kann ich tun? Im Internet gibt es Online Übungen für schnelleres Lesen. Und fünf Aussagen zum Thema. Richtig, oder falsch, was meinen Sie?
– Wir lesen alle mit unserer natürlichen Lesegeschwindigkeit
– Beim Lesen bewegen sich unsere Augen gleichmässig
– Wort-für-Wort-Lesen hilft dem Textverständnis
– Der Motivationsgrad beeinflusst das Textverständnis nicht
– Man sollte beim Lesen keine Wörter auslassen
Richtig, alle fünf Aussagen sind falsch. Denn:
– schnelles Lesen ist offenbar trainierbar
– um einen Text zu verstehen, muss man nicht jedes einzelne Wort gelesen bzw. verstanden haben
– einen guten Krimi lesen wir schneller als mühsame Fachliteratur.
Auch gut. Aber was kann ich konkret an meinem Leseverhalten ändern, um schneller zu werden? Der Newsletter „Wer liefert was?“ (Novemberausgabe) gibt folgende Tipps:
– Zu Beginn des Lesens das zentrale Stichwort auf einem Papier markieren und neben die Lektüre legen
– Schon während des Lesens Notizen machen und diese mit Symbolen, Pfeilen u.ä. strukturieren
– Bei einer Suche nach bestimmten Textstellen „diagonal“ lesen und mit dem Finger nach dem betreffenden Stichwort suchen
– Ablenkungen vermeiden
Am interessantesten fand ich jedoch diese letzte Empfehlung:
– Hetzen Sie sich nicht
„Lesestress führt zu häufigeren Lesepausen und somit zu mehr Zeitverlust“, schreiben die Autoren des Newsletters.
Und: „Wer sich ständig zum schnelleren Lesen antreibt, arbeitet kontraproduktiv“.
Vielleicht sollten wir einmal anfangen, zu überlegen, w a s wir alles lesen statt unser Gehirn mit immer mehr Informationen in immer weniger Zeit voll zu stopfen?
Schneller werden in seinem Tun, also hier im Lesen – weil wir mehr Information in unserem Hirn verwursteln wollen? Das führte dann dazu, dass wir immer mehr aber andauernd schneller lesen und davon nichts bleibt als eine neue Hetze auf höheren Grund-Drehzahlen.
Schneller werden im Lesen, um „danach“ ZEIT zu haben, etwas langsam zu tun? Das würde ja Vertiefung ermöglichen. Die gibts aber immer nicht weiter vorn. Sondern unten. Also warum nicht gerade jetzt damit anfangen? Und das und nur das lesen, von dem ich den neugierig machenden Verdacht hege, dass es mich fesseln kann. Und dann sogleich die Zeit vergessen und sie doch irgendwie finden. Dank dem Lesen, dieser wundervollen Art, Stille zu erleben.
bin (via medienlese.com) auf den artikel «Vom Zeitgewinn langsamen Lesens» gestossen und habe mich dabei an deinen blogbeitrag vom letzten november erinnert. eindrücklich am artikel: man kann ihn gar nicht schnell lesen. der professor für deutsche literatur Christiaan Lucas Hart Nibbrig schreibt nämlich sätze, die so monströs lang sind wie sein name. ein beispiel? achtung, fertig, los: «So zum Beispiel auch, wenn Swann vom Thema des langsamen Satzes der Violinsonate von Vinteuil – mit dem «geringen Abstand zwischen den fünf Noten», der «unaufhörlichen Wiederkehr von zweien» – zutiefst berührt und angezogen wird, als würde er selbst davon gelesen, wenn er das Gehörte, das ihn an schon einmal Gehörtes erinnert, für sich selbst in lesbare Zeichen und so für den Leser allererst ins Hörbare übersetzt.» Uff – 65 worte, 10 satzzeichen…
Ja wirklich, gar nicht so kurz und bündig, wie wir das in unseren Schreib-Workshops empfehlen ;-))
Und manchmal hat lang bzw. langsam gerade einen Reiz.
Wenn ich etwas wirklich lesen w i l l, dann ist es mir meistens auch egal, wieviel Zeit ich dafür brauche..
Schnelllesen ist Entspannung und kein Stress. Die Informationen werden auf eine andere Art verarbeitet was wesentlich dazu beiträgt den Lesespass zu erhöhen.
Was meinen Kursteilnehmern immer wieder Freude bereitet ist, dass sie nach dem Kurs einen viel besseren Lesefluss haben und mehrere Lesegeschwindigkeiten anwenden können.
Ich liebe es in Texten zu schwelgen, aber eben auch wenn die Schlachten von Herr der Ringe als Film in meinem Kopf ablaufen. Für das benötige ich aber verschiedene Techniken.
Interessant ist, dass Vielleser oft automatisch Lesetechniken vom Schnelllesen anwenden, unbewusst und ohne Stress.
Wer’s erleben möchte, denn lade ich gerne an einen meiner Kurse ein.
Hat nicht jeder Lesende sowieso mehrere Lesegeschwindigkeiten? Und es kommt einfach darauf an, was man liest und mit welcher Intention? Wenn ich z.B. eine spannende Szene in einem Krimi lese, will ich so schnell wie möglich wissen, wer der Mörder ist. Ich lese also schnell. Muss ich dagegen einen Text übersetzen, überfliege ich ihn erst, um eine Grundverständnis vom Thema zu bekommen. Und dann lese ich ihn noch einmal sehr langsam, Wort für Wort durch.
Klar, jeder Mensch hat verschiedene Lesegeschwindigkeiten. Jedoch meist nur 3 oder maximum 4. Die Geschwindigkeit wird meist vom Text und nur selten vom Leser bestimmt. Ich denke es sollte vorwiegend anders rum sein. Du, Sophie, gehörst leider zu einer Minderheit, wenn Du schon selbstbestimmt liest.
Ich finde jeder sollte Lesen als Genuss erleben dürfen unabhängig von der Art des Textes. Mit unserem Leseniveau von der dritten Klasse werden wir das jedoch kaum schaffen. Wir brauchen also andere Techniken. Und ich versuche dabei zu helfen.