Wer wissen will, wie es Medien geht und wohin die aktuelle Analyse zeigt: Der jährliche Bericht des «Project for Excellence in Journalism» kombiniert fundierte Daten mit interessanten Thesen.
Bereits zum sechsten Mal veröffentlicht dieses von der Pew-Stiftung getragene «Projekt für journalistische Qualität» ihren Bericht über den Zustand der Newsmedien in den USA. Eine vorbildlich gemachte Website präsentiert die Erkenntnisse aus einer eindrücklichen Sammlung von Sekundär- und Primärmaterialien (Methodologie). Hier die wichtigsten Erkenntnisse, die auch für europäische Medienentwicklungen von Interesse sein dürften.
Die neue News-Nachfrage: Konsumenten bestimmen was und wann
Beinahe alle amerikanischen News-Medien haben Leser verloren – ausser im Internet und auf dem Kabelfernsehen. Dort wuchs die durchschnittliche monatliche Zuschauerzahl um sagenhafte 38 Prozent. Grund dafür war die Nonstop-Berichterstattung über die Präsidentschaftswahlen, nach dem Sieg Obamas glitten die Zahlen wieder etwas zurück. Auf dem Web wuchsen alle News und Info-Sites um insgesamt 7 Prozent, wobei die grossen Plattformen überdurchschnittlich zulegten: Alleine bei den Top 50-Websites liegt das Jahreswachstum für 2008 bei 27 Prozent. Yahoo, MSNBC.com, CNN.com und AOL stiegen um 22 Prozent auf 23.6 Millionen Unique Visitors pro Monat. Dieser Ansprung fällt doppelt so stark aus wie 2007 oder gar fünf mal so hoch wie 2006.
Fazit: Die Grossen werden noch grösser, das Internet gewinnt schnell an Zustrom. Die Studie zieht aus dem Anstieg von Kabel- und Internet-Newskonsumenten den Schluss, dass News immer kurzfristiger, sofort und selektiv abgerufen werden. Man will nicht warten, bis eine Sendung beginnt. Sondern man holt sich dann die News auf den Handy-Bildschirm, wenn man grad Lust drauf hat. Aus der Quelle, die einem das schnell und im Sekundentakt aktualisiert liefert. Dass sekundenschnelle Updates nicht gerade Qualität garantieren, das erwähnen die Forscher auch in ihrer Analyse der Kabel-Berichterstattung: Sie war gekennzeichnet durch schnelles Weiterverbreiten von PR-News und Zwischenrufen aus jeder möglichen Informationsquelle.
Zeitungen: Weniger Auflagen, weniger Werbung, weniger Angestellte
Zappenduster fallen die Jahresergebnisse für die Print-Zeitungen aus, etwas besser gehts deren Online-Ausgaben. Die Gesamtauflage der US-Tageszeitungen fiel weiter um 4.6 Prozent und um 4.8 Prozent für die Sonntagsausgaben. Dieser Zerfall summiert sich seit 2001 auf Minus 13.5 Prozent für die Tagesausgaben und um 17.3 Prozent für Sonntags. Das Total der Unique Visitors für alle Online-Ausgaben von Print-Titeln sieht die Studie bei 8.4 Prozent Anteil an der Gesamtauflage. Man rechne: Der Wegfall der Printabos wird durch diese (unbezahlten) Abos nicht wettgemacht.
Wenigstens nahmen die Online-Werbeausgaben 2008 noch zu – aber davon profitieren erst mal Google und die weiteren Suchportale. Von den 14 Prozent Online-Werbeanstieg im letzten Jahr gehen gerade mal geschätzte 4 Prozent an die Webseiten der etablierten Newstitel. Gleichzeitig halbierten sich die Online-Anzeigenpreise alleine im letzten Jahr, sie liegen gerade noch bei einem geschätzten Mittel von 26 cents für 1000 Viewers.
2008 war brutal, 2009 könnte schlimmer werden: 5’000 Stellen oder rund 10 Prozent der Tageszeitungs-Redaktionsstellen wurden letztes Jahr gestrichen. Im Vergleich zu 2001 sind damit rund ein Fünftel bis ein Viertel weniger Personen mit der Aufbereitung von Print-News betreut. Gespart wird vor allem bei Ausland-Korrespondenten, in den grossen Städten und in Washington. Zeitungsausgaben werden dünner, ganze Beilagen werden eingestellt, an unprofitablen Tagen wird nicht mehr ausgeliefert und auf den Titelseiten prangen Anzeigen. Nein, auch diese Meldung ersparen wir den geneigten Lesern nicht: Die Aktienkurse von US-Zeitungen fielen im letzten Jahr um 83 Prozent.
Gibt es einen Ausweg? Geht es den US-Zeitungen immer noch gut, einfach nicht mehr zu gut? Mögliche Modelle skizziert der nächste Beitrag: «Wo versteckt sich die Rendite?».