Ist Corporate Social Responsibility das Feigenblatt für globale Player? Oder ein Muss für nachhaltigen Unternehmenserfolg? David Vogel – Professor für «Business Ethics» in Berkeley/Kalifornien verdutzte beim gestrigen Auftritt in Zürich die Anwesenden.
Vogel war Gast der «MScom Excellence-in-Communications-Lecture», organisiert von der Alumni-Organisation des MScom/Lugano und dem Harbour Club. Seine Keynote-Rede – erfrischenderweise powerpointfrei vorgetragen – warf ein kritisches Licht auf den Hype rund um die Programme der «sozialen Verantwortung» von Unternehmen.
«CSR-Programme zahlen sich nicht aus!»
Vogels Aussagen verblüfften die anwesenden PR-Profis: Entgegen dem Kanon seien CSR-Programme irrelevant für längerfristigen Unternehmenserfolg. Weil die Konsumenten kaum eine Verbindung zwischen den CSR-Projekten und ihrem Kaufverhalten herstellen. Und weil erwiesenermassen engagierte Unternehmen nicht profitabler arbeiten als ihre kaltblütigen Mitbewerber – im Gegenteil. Diese provokative These beschreibt David Vogel auch im Artikel «The Low Value Of Virtue» (Harward Business Review, Juni 2005).
Soweit, so neu – weil Vogel nicht in das gleiche Horn von wegen «wer nicht mitmacht, bleibt draussen» bläst. Erfrischend waren dann die Anregungen von Thomas Scheiwiller, Partner bei PricewaterhouseCoopers und Leiter «Global Sustainability». Aus dem Gespräch zwischen ihm, David Vogel und dem Publikum blieben mir diese Aussagen besonders hängen:
Trend: Vom Storytelling zum Reporting (*s. auch Nachtrag)
PR-Profis empfehlen: «Tu Gutes und sprich darüber». Laut Scheiwiller geht der Trend aber vom Storytelling hin zum Reporting. Was heisst das konkret? Verstanden habe ich, dass in Zeiten von Corporate Governance grösstmögliche Transparenz und Offenlegung genauso wichtig sind wie Stories über die Unterstützung von Kaffeebauern oder Kinderhütedienste.
Ich meine: Gute Geschichten sind immer noch von unschätzbarem Wert – aber sie müssen wahr und authentisch sein. Gerade in Zeiten von «Naming and Shaming» via Weblogs, Twitter, Facebook und Co.
«CSR meets R&D» (Research & Development)
Gutes und erfolgreiches Unternehmertum (neudeutsch «Entrepreneurship», s. Wikipedia) erkennt neue Bedürfnisse der Gesellschaft und findet Antworten darauf. In diesem Sinne wäre die CSR-Verantwortung am besten in der Abteilung Forschung+Entwicklung eingelagert. Damit sinnvolle Engagements kongruent sind mit neuen gesellschaftlichen Trends. Beispiel: Heute sind diejenigen Autobauer im Marktvorteil, die früh genug in die Entwicklung von neuen Technologien (Hybrid etc.) investiert haben.
Strategie und Umsetzung
Noch wichtiger als bündeldicke Strategiepapiere der CSR sind unternehmensnahe (und vielleicht auch geographisch nahe) Umsetzungen. Was sind unsere Businessziele? Was tun wir für unsere Zielerreichung? Gibt es CSR-Projekte, die quasi am Wegrand warten und mitgenommen werden können? Am Schluss zählt eine starke Umsetzung.
Und schliesslich ist die ganze CSR-Geschichte Ausdruck einer menschlichen und auch unternehmerischen Grundhaltung mit einer starken Ausstrahlung auf alle Stakeholders, insbesonders auch auf bestehende und potenzielle Mitarbeitende. Diese Liebesmüh rendiert langfristig definitiv.
*Nachtrag:
Kurz nach Abschluss dieses Beitrags hielt ich eine Beilage des Migros-Magazins in den Händen – notabene mit weit über 1 Mio. gedruckten Exemplaren eine der grössten Zeitungen der Schweiz. Migros hat ihr ein 30 Seiten starkes Infomagazin «Nachhaltigkeit 2009» (PDF-Download, 6,91 MB) beigelegt. Und stark mein ich wortwörtlich: In guten Geschichten, emotional bebildert erzählt es vom Engagement des grössten Schweizer Detailhändlers im In- und Ausland. Hier wurde das Reporting im besten Sinne wieder zum Storytelling.