Nextopia und die Erwartungsgesellschaft

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micael dahlenObama gewinnt den Nobelpreis kurz nach seiner Inauguration. Apple verdoppelt den Firmenwert mit einer Produkteneuheit, die noch niemand auch nur berührt hat. Was bedeutet das für die Kommunikation?

Nur was kommt hat Wert. Alles Vergangene versinkt in Gleichgültigkeit. Das Phänomen «Nextopia» ist ein Label für diesen Zeitgeist, erfunden vom Schwedischen Marketing-Professors Micael Dahlen (Web, Blog).
An der 9. MScom Excellence-in-Communications Veranstaltung präsentierte er es in seinem bewegten Vortrag von höchstem Unterhaltungswert.

Das Zeitalter des «ANY»
Schon seit je haben Menschen Sehnsüchte, Wünsche. Unsere Zeit prägt dieses Verhalten aber stark und vor allem – sie beschleunigt es. Dahlen macht die «World of ANY» dafür verantwortlich: «ANYthing is available for ANYone at ANYtime and ANYwhere.» Das macht uns nicht etwa glücklicher – der Glückspegel blieb seit dem zweiten Weltkrieg konstant, steigerte sich nicht etwa parallel mit dem enormen Wohlstandswachstum. Er verharrte auf gemessenen 5,8 (10er-Skala).

«You are never better than your next performance»
Unsere Ungeduld hinsichtlich des nächsten Glückskicks steigt also. Dahlen meint gar, sie sei gemessene 2920 mal höher als im letzten Jahrhundert (man verschone mich davor, diese Erhebung zu erklären). Nichts ist von Bedeutung, was wir schon erreicht, gekauft, erhalten haben – alles strebt zum Neuen. Was bedeutet das für die Kommunikation?

Zuerst einmal sieht Dahlen in uns Kommunikations-Treibenden (etwas zynisch aber publikumswirksam) die wichtigsten Menschen der Wirtschaft. Weil zunehmend kommunikative Aspekte den Wert eines Produktes und damit die Aktienkurse bestimmen. Und nennt drei verschiedene Strategien, wie wir mit «Nextopia» in der Marktkommunikation umgehen können:

  1. Produkte ankünden – und nie «launchen»:
    Noch selten so gross waren Euphorie sowie Ticket- und Merchandising-Verkauf so hoch, wie bei der (zu recht) sehr wackeligen Ankündigung der «This Is It»-Konzerte des King Of Pop.
  2. Pre-Sale/Vorverkaufen:
    Kein Produkt ist so erfolgreich wie der unveröffentlichte Harry Potter, das «geheime» iPad usw. By the way: Im Moment stehen wir grad in der Vorverkaufsphase mit Marcel Bernets neuem Buch «Social Media in der Medienarbeit!
  3. Produktzyklen straffen:
    Es mag unserem Wunsch nach Entschleunigung widerstreben – aber ein todsicherer Trick sind kürzere Produktzyklen. Als Beispiel führt Dahlen die heute in den USA beliebten Mini-Dosen Cola und Mini-Burger ins Feld. Lieber ich konsumiere jetzt eine kleine Portion Glückseligkeit – und darf dafür bald wieder ran.

Natürlich steht «Nextopia» etwas im Widerspruch zu den heute so gerne zitierten Nachhaltigkeitsbestrebungen. Und den «lebenslangen» Produktegarantien beispielsweise in der Autoindustrien. Vielleicht geht die Entwicklung gar dahin, dass der physische Besitz an Wichtigkeit verliert – und wir immer mehr leihen oder «virtuell besitzen» (Musik, Bücher). Die (nahe) Zukunft wirds weisen.

Der Meister erklärt hier sein Phänomen in ein paar Worten selber:

Etwas lehrt uns das Video noch dazu…
Dass man auch mit einem wirklich beeindruckenden Puff im Büro ein gescheiter Kerl und begehrter Redner sein kann.
Aber: Don’t try this at home…

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Beiträge

  • Super Zusammenfassung, danke! Die spanende Frage allerdings:

    Wenn wir in Zeiten der permanenten Beschleunigung leben und das flackernde Excitement unser Kultur prägt, dann stehen Unternehmen vor grossen Herausforderungen. Denn anstatt als selbstreferentielle Organisationen zu agieren, müssen Marken heute kreativer und flexibler auftreten. So kommen nach den Bands unplugged nun die Brands unplugged… man schaue sich nur an, welche Marken die Social Commmunities heute überzeugen http://bit.ly/cJTBFX