Von wem wollen wir gehört werden? Viele glauben es zu wissen. Unsere Konzeptarbeit zeigt aber oft: Wir wissen es zu wenig genau. «Potenzielle Kunden» sind zwar eine Zielgruppe, für die Ausgestaltung von Massnahmen ist sie aber zu unpräzis definiert. Für zielführende Definitionen haben wir mit den folgenden Methoden gute Erfahrungen gemacht.
Sammeln: Alle Märkte berücksichtigen
Mögliche Zielgruppen lassen sich am besten in einem Brainstorming sammeln. Als Denkstütze dient das Zielgruppenmodell. Es öffnet den Blick für die zahlreichen Stakeholder, die sich um eine Organisation oder ein Unternehmen gruppieren.
Wichtig: Interne und Meinungsmacher können für den Geschäftserfolg ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen.
Priorisieren: Wer beeinflusst den Erfolg?
Die wichtigste Leitfrage bei der Priorisierung lautet: Wer beeinflusst den Geschäftserfolg? In einem Workshop lassen sich die zuvor gesammelten Zielgruppen einfach mit Post-its auf einer vertikalen Achse nach Priorität ordnen. Noch präziser wird das Bild, wenn auf einer zweiten Achse das Kriterium des Handlungsbedarfes hinzukommt. Die Frage dazu: Wie bekannt ist die Organisation bei der entsprechenden Zielgruppe bereits? Das Hilfsmittel dazu: Ein Fadenkreuz auf einem Flipchart.
Konkretisieren: Ein Gesicht geben
Was interessiert die Zielgruppen? Diese Frage können wir spätestens seit dem Aufkommen der Dialog-Kanäle im Web nicht mehr vernachlässigen. Um sie zu beantworten, eignet es sich, den Zielgruppen mit der Persona-Methode ein Gesicht zu geben. Der Kern besteht darin, fiktive Figuren mit all ihren Eigenschaften, Gewohnheiten, Lebenswelten und Bedürfnissen zu definieren. Sie stehen dann idealtypisch (Definition bei Wikipedia) für alle Zielgruppen. Stefan Pieren von Unic beschreibt den Ablauf in seinem Blogpost am Beispiel von sbb.ch. Nicht immer müssen dafür umfassende qualitative und quantitative Studien gemacht werden. Ein breit gefächertes Workshop-Team kann auch auf Basis seines Know-hows zweckdienliche Personas definieren.
Dramaturgie erstellen: Wer interessiert sich wann für uns?
Gut definierte Zielgruppen haben einen direkten Einfluss auf die Themenplanung. Wer die Bedürfnisse seiner Zielgruppen definiert hat, kann diese auch auf der Zeitachse ordnen. Das ist vor allem bei der Kommunikation zu Events hilfreich. Denn das Engagement und die Aufmerksamkeit variieren je nach Zielgruppe und Zeitpunkt.
Kein linearer Ablauf
Achtung: Konzeption verläuft selten linear. Die beschriebenen Methoden beeinflussen und befruchten sich gegenseitig. Bei der Definition von Personas können neue Zielgruppen auftauchen. Wer eine Dramaturgie definiert, entdeckt vielleicht neue Bedürfnisse für die Personas. Die beste Wirkung erzielt, wer die Zielgruppen mit den beschriebenen Methoden nicht linear, sondern zyklisch wiederholend (iterativ) entwickelt.
Weiterführend
Unser bewährtes Konzeptrezept: Spickzettel mit Tiefgang, mit prägnanten Anleitungen zu allen Konzeptschritten.
Positionierung: Die Kernbotschaften auf den Punkt gebracht
Das Sinus-Modell: Wie sich unsere Werte wandeln
Bild: Silhouettes, dbbent bei Flickr, unter CC-Lizenz.
Interessanter Artikel. Die Praxis zeigt aber, dass Unternehmen ihre SOLL-Zielgruppen nicht mit ihren IST-Produkten abstimmen. Utopie vs. Realität. Und dies, obschon sie o.g. Tools/Techniken nutzen, aber Angst vor der Aussensicht, bspw. eines externen neutralen Beraters, haben. Sehr oft endet dann die Marktbearbeitung mit einem grossen Desaster, weil u.a. Zielgruppen beschrieben werden, die landläufig als „18jährige-Eierlegende-wollmilch-sau-mit-abschluss-in-nuklearphysik-und-goldmedaillengewinnerin-in-12-disziplinen-an-12verschiedenen-olympischen-Spielen-und…“ etc. definiert werden können. Tools alleine helfen eben nicht weiter, denn Tools können sehr oft die eigene Wahrnehmung verzerren und die Eigenverantwortung ausschalten. Sehr oft wäre es besser, den Menschen zu kennen und dann ein für ihn passendes Produkt zu entwickeln, statt ein Produkt zu entwickeln und dann nach dem passenden Menschen zu suchen. Das setzt aber voraus, dass man mit Menschen kommuniziert und ihnen zuhört, und davor haben viele Unternehmen Angst…
Hallo, von Michael zu Michael. Danke für den Kommentar!
Ein guter Punkt. In der Regel – und wenn Zeit und Ressourcen dafür vorhanden sind – basieren beispielsweise Personas auch auf fundierten Befragungen, qualitativen oder quantitativen. Und wenn es einfach gehen soll, helfen bereits eine Hand voll 15-minütige Telefoninterviews.
Zeit + Ressourcen = G€£D … Zudem: das mit der Umfrage ist so ’ne Sache. Was will man in 15min herausfinden? Und wie gross soll die Samplesize sein? Random Quota oder alle Kunden? Wenn ein Befrager auch noch so neutrale Fragen stellt, wirkt er automatisch als Gatekeeper. Ergo: Beobachter beeinflusst den Beobachteten (oder Befragten). Aber Fokusgruppen sind sicherlich besser, als nur Bauchgefühl. Ideal wäre es, wenn Unternehmen sich und ihre Produkte psychographisch verorten liessen, um damit sowohl die Innen- wie die Aussensicht zu ermitteln. Meist bestehen nämlich Unterschiede. Wir wissen aber auch, dass gezieltes Agenda-Setting (ja, auch ihr PR Berater seid nicht unschuldig) und dann auch Gate-Keeping dazu beisteuern können, dass bei Auftraggeber oft ein Rosenthal-Effekt beobachtet werden kann („genau-das-habe-ich erwartet-Syndrom oder das-kann-nicht-sein-Syndrom) und/oderZielgruppen unkritisch werden und so sich einfacher steuern lassen (vgl. Propaganda von Kirchen, Parteien oder intl. Konzernen). Wenn es also die Zielgruppe, die mein Produkt kauft, noch nicht gibt, stelle genügend PR Berater ein, die die Medien so lange bearbeiten, bis sich aus der heterogenen Masse eine gut umschriebene Käuferschaft bildet, die mein Produkt kauft oder meine Dienstleistungen nicht mehr hinterfragt (RedBull et al.). Schwierig zu erreichen, aber umso wertvoller für ein Unternehmen, wären aber sog. Mediaverweigerer, die, wenn von etw. od. jmnd. überzeugt weitaus loyaler sind, als Konsumopfer… So oder so: consumer are fast moving targets. Hunt them or tame them.