Wer ist eigentlich anders? Sind es wir oder die anderen? Eine Reise nach Zentralchina – eine für uns völlig fremde Gegend – bringt wertvolle Einsichten in die Kommunikation von anderen – und von uns selber. Einige Gegensätze, Bilder und Lesetipps.
Wer kennt Wuhan? Die zentralchineschische Provinzhauptstadt ist mit rund 8,3 Millionen Einwohnern (gesamtes Verwaltungsgebiet) die zweitgrösste Binnenstadt Chinas. Sie liegt am Fluss Jangtse und ist durchsetzt mit Dutzenden von kleinen Seen und Sümpfen.
Meine Familienreise war ein Abenteuer. Was erwartet uns? Wie verständigen wir uns? Tatsächlich forderte uns vor allem die Kommunikation. In dieser – im Vergleich zu Peking oder Shanghai – völlig untouristischen Gegend ist fast nichts übersetzt. Und selbst die gut situierte Mittelschicht spricht wenig Englisch.
Einige Besonderheiten sind uns aufgefallen:
- Laut und leise
Man kennt das Klischee von den «lauten Chinesen» – auch von Chinesen selber hörte ich das. Und tatsächlich ist die Tischrunde (mit der drehbaren Platte für die Speiseauswahl) auch akustisch ein Ereignis. Gleichzeitig erlebte ich die Chinesen nie als aufdringlich oder überfordernd – eher abwartend, zuhörend und defensiv. Das mag an der Sprachbarriere gelegen haben – vielleicht aber auch in einer Zurückhaltung aus Angst, das Gegenüber zu brüskieren.
- Nähe, Distanz, Zusammensein
Wir Europäer begrüssen uns mit Küsschen hier und Küsschen da. Das gaukelt Nähe vor. Chinesen kommunizieren distanzierter: keine Küsse und mit Händedruck nur sparsam. Trotz dieser scheinbaren Distanz ist das Zusammensein wichtiger als bei uns. Und das gemeinsame Essen steht über allem. Antworten aus einer Befragung zeigen: das Essen ist Dauerthema in China – wie bei uns Europäern das Wetter.
- Gross und Klein
Die Eindrücke sind mit Superlativen verknüpft. Grösste Stadt, höchste Häuser, riesige Bauprojekte. Das Gebiet ist durchsetzt von Quadratkilometer grossen Entwicklungszonen und Baubrachen. Dutzende von Wolkenkratzer sind im Bau – viele deutlich grösser als unser Primetower. Und daneben unzählige Miniläden, Gassenküchen, Strassenhändler. Es scheint, als werde gleichzeitig mit der grossen Kelle angerührt und im Kleinen individualistisch viel bewirkt.
China ist unendlich spannend. Und ebenso weit weg. Lektüre bringt das Land näher. Auf der Reise las ich den dicken Familienepos «Wilde Schwäne», die aktuelle China-Ausgabe des NZZ-Folio und heiss empfohlen wurde mir «Verloren in Chongqing» im Mai-Heft von Reportagen.