Social Media stellen Höchstanforderungen bezüglich Offenheit und Schnelligkeit, gerade in Krisenzeiten.
Dieser Anstoss zeigt
- wie sich Krisenabläufe verändert haben
- Überlebenstipps für Shitstorms
- welche fünf Schritte etwas Ruhe in die Hektik bringen
Krisenablauf heute: Sehr schnell, keine Kontrolle
«Online first» ist nicht nur der Leitsatz für Newsredaktionen, auch Kommunikationsabteilungen sind damit konfrontiert. Leser, Kunden, Kritiker sind nonstop Online und wollen sofort informiert sein, wenn etwas geschieht. Kunden twittern über E-Banking-Ausfälle, Fehler oder Unfälle, noch bevor die Presseabteilung selbst davon erfahren hat.
Inhalte werden immer kürzer und sind schnell getaktet. Es gibt keine Übersicht mehr über die Akteure und weniger dominante Leitmedien. Die Kontrolle über eigene und fremde Aussagen wird schwierig bis unmöglich. Sie müssen darauf vorbereitet sein
- sehr schnell Antworten zu geben
- das auf sehr vielen Kanälen gleichzeitig zu tun
- das auch zu tun, wenn noch wenig neue Informationen vorliegen. Nicht durch Hinhalten, sondern durch das Wiederholen und Variieren von Grundantworten
- das auch zu tun, wenn Sie via Website, Facebook oder anderen Plattformen mit Negativkommentaren zugedeckt werden
Wie man einen Shitstorm überlebt
«Shitstorm» steht neudeutsch für einen «Sturm der Entrüstung», der sich mit Vorliebe über Facebook-Auftritte von Unternehmen ergiesst. Zum Beispiel wenn Greenpeace das Palmöl in Kitkat kritisiert oder wenn PostFinance, Paypal, Amazon und Mastercard Einzahlungen für WikiLeaks sperren. Die Kritik ist emotional, mitunter drastisch und oft einseitig.
Wie überlebt man diesen Sturm? Indem man…
klar handelt: Am Anfang steht eine geschäftspolitische Entscheidung, ein Produktfehler, eine Panne, eine Tat. Worte werden immer an dieser Tat gemessen. Klar handeln heisst: Auch unter grosser Kritik zu einer Entscheidung zu stehen und sie begründen – oder auf die Kritik eingehen. Und die Entscheidung revidieren, den Fehler beheben, das Produkt verbessern.
offen bleibt: Am liebsten würde man wohl gleich den Facebook-Auftritt einstampfen. Doch damit entzieht man sich der Dialogform der Gegenwart: Der öffentliche, nicht kontrollierbare Austausch sichert Kundennähe. Gerade Krisen bieten die Chance, zu lernen.
dicke Nerven hat: Das braucht Training und Ressourcen. Wenn die Entrüstungswelle ansteigt, muss die Pinnwand-Pflege verstärkt werden. Es gibt viel zu lesen, zu beantworten und Spam zu löschen – aber nur Einträge, die klar unter den im Facebook-Impressum festgehaltenen Richtlinien liegen.
Drei taktische Ergänzungen zur Offenheit:
- Es bringt nichts, wenn Sie PR-Texte auf Facebook kopieren. Passen Sie die Informationen auf den hier üblichen Umgangston an, ohne anbiedernd zu sein; samt Link zu Detailinformationen auf Ihrer Website.
- Pinnwände sind vergesslich: Einträge verschwinden und Antworten, die Sie in Kommentaren zu Kommentaren geben, sind nicht sofort ersichtlich. Deshalb müssen Sie hie und da etwas wiederholen, einen Kommentar schreiben und vielleicht dazu einen neuen Pinnwand-Eintrag, wenn immer möglich in Variationen.
- Facebook-Nutzer halten sich nicht an Regeln. Sie werden zum Beispiel Ihr Logo mutieren und es als Profilbild verwenden. Bleiben Sie bei aller Offenheit klar bei Ihren Regeln, natürlich mit Augenmass – kein einfaches Unterfangen.
Fünf Schritte zu einer besseren Krisenkommunikation
1. Vorbereitung: Teams, Abläufe und Kanäle müssen vorbereitet sein. Wer hat die Führung, wer ist beteiligt? Wie sind alle Bereiche untereinander koordiniert, auch unterwegs und an Wochenenden?
2. Schnelligkeit und Ruhe: Wer vorbereitet und trainiert ist, verliert auch unter Hochdruck die Übersicht weniger. Nur mit einer gewissen Ruhe lassen sich auch bei langen Präsenzzeiten zielführende Taten und Worte definieren.
3. Zuhören und Antworten: Mehr Medien, Meinungsmacher und Plattformen führen zu erhöhter Belastung der PR-Stelle. Kommentare warten auf ein schnelles Echo. Die Triage wird schwierig – völliges Schweigen unmöglich. Gerade für die Sozialen Plattformen müssen in Krisen schnell zusätzliche, geschulte und informierte Ressourcen einsetzbar sein.
4. Integrieren: Alle Online-Plattformen wie Intranet, Website, Soziale Plattformen und Mediencorner müssen aufeinander abgespielt sein. Überall bieten Sie die Informationen aktualisiert an – abgeglichen mit Medienkonferenzen, persönlichen Treffen und bei längeren Krisen mit kurzfristig eingesetzten schriftlichen Mitteln.
5. Planen, improvisieren, lernen: Den Plan für die Krise lag bereit, jetzt wird Tag für Tag ein neuer Plan festgelegt. Er dient als Rahmen für improvisierte Handlungen, die sich immer wieder aufdrängen werden. Wichtig bleibt es, die Gesamtsicht zu behalten. Aus dem Handling jeder Krise nehmen Sie sehr viel mit für die nächste.
Links und Tipps
- Tipps für bessere Gespräche: Dialog 2.0 – vom Kommentar zum Austausch.
- Über Kommentare und Trolle: Das Social-Media-Reaktions-Flussdiagramm
- Praxisbeispiel «Moleskine»: Moleskine logo contest dubbed ¨Molescheme¨
- Online-Krisentipps der Autoren von «Digital Assassination»
- Marcel Bernets laufende Artikel-Sammlung zu Social Media und Krise
Weiterführende Artikel im bernetblog:
- Nestlé, Greenpeace und Facebook: Kitkat-Krise
- PostFinance und Paypal in der Krise
- Facebook: Kunde droht mit Dialog
Aufbauende Schlussworte liefert Max Frisch:
«Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.»