Hinter Wikipedia steckt keine feste Redaktion, sondern eine eingefleischte Autoren-Gemeinschaft. In einem offenen, nicht immer konfliktfreien Bearbeitungsprozess hat nur Bestand, was von den Wikipedianern akzeptiert wird. Da wird rigoros umgeschrieben, geändert, gelöscht. Unsere Anstösse für:
- Was das Mitmach-Lexikon ausmacht
- Fünf Schritte zur Veränderung
- Wie Sie relevante Inhalte mitverfolgen
Wie funktioniert Wikipedia?
Wikipedia gibt es seit 2001, heute zählt das Online-Lexikon zu den zehn meistgenutzten Internetseiten weltweit. Betreiber ist die Wikimedia Foundation Inc., eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in San Francisco. Die Online-Enzyklopädie ist werbefrei und finanziert sich über Spenden von Privatpersonen und Unternehmen – und das nicht zu knapp: Für das Geschäftsjahr 2009/2010 rechnet Wikimedia mit Ausgaben von 9,4 Millionen Dollar – primär für die Löhne der 32 Angestellten in Informatik und Administration (40%) und das Internet-Hosting.
Wikipedia setzt sich zusammen aus den Wörtern «Wiki» und «Encyclopedia», der englischen Schreibweise für Enzyklopädie – es heisst darum auch die Wikipedia. Das Wort «Wiki» hat nichts mit den Wikingern zu tun, sondern heisst auf Hawaiisch «schnell» und bezeichnet eine Technik zur kollektiven Erstellung von Internetseiten. «Vertraue keiner Enzyklopädie, an der du nicht selbst mitgewirkt hast» – mit diesem Selbstverständnis schreiben Tausende an der deutschen Version mit. Mit einer Million Einträgen ist die deutschsprachige Version die zweitgrösste nach der englischen mit mehr als drei Millionen Einträgen. Weltweit gibt es 250 Sprachversionen.
Auch als nicht angemeldeter Benutzer können Sie Seiten von Wikipedia nicht nur einsehen, sondern auch bearbeiten und anlegen. Es gibt mehrere 100’000 Wikipedia-Autoren. In der Versionsgeschichte erscheinen Ihre Beiträge unter der IP-Adresse, die Ihnen bei der Einwahl ins Internet zugewiesen wird. Sie können sich aber auch mit Namen und Passwort registrieren und so eine Identität als Wikipedianer aufbauen.
Melden Sie sich in Ihrem eigenen Interesse an, wenn Sie Einträge bearbeiten oder selbst erstellen möchten. Viele Wikipedianer neigen dazu, neue Artikel oder Änderungen von IP-Benutzern kritischer zu betrachten als solche von angemeldeten Benutzern. Die Registrierung kostet nur wenige Minuten. Klicken Sie dazu auf den Link «Anmelden» ganz oben rechts auf jeder Seite in Wikipedia, und legen Sie ein Konto an.
Als angemeldeter Benutzer erhalten Sie am oberen Bildrand zusätzliche Funktionen, etwa einen Link auf Ihre Benutzerseite und eine Diskussionsseite, über die andere Wikipedianer mit Ihnen Kontakt aufnehmen können. Auf der Benutzerseite ist die Funktion «Benutzerbeiträge» unter «Werkzeuge» interessant. Dort können alle Wikipedianer die Bearbeitungen eines angemeldeten Benutzers einsehen und sich ein Bild der jeweiligen Aktivitäten auf Wikipedia machen. Jede je von den Wikipedia-Benutzern gemachte Änderung ist einsehbar, zusammen mit dem Benutzernahmen (oder der IP-Adresse) des Autors.
Angemeldete Benutzer werden vier Tage nach der Anmeldung automatisch zu bestätigten Benutzern. Und das bleiben sie dann auch erst mal. Erst nach zwei Monaten und mindestens zweihundert Bearbeitungen in Wikipedia erhalten Sie den Status eines stimmberechtigten Benutzers. Nach etwa einem Jahr und einer deutlich vierstelligen Anzahl Edits steigen Sie zum Administratoren-Olymp auf, deren wohl prominenteste Aufgabe das Löschen von Artikeln ist – und mit denen uns normal-sterbliche Wikipedianer eine Hassliebe verbindet (Details und vereinfachtes Schema der Benutzergruppen).
Eine Studie des Palo Alto Research Center von 2009 besagt, dass die Erstellung neuer Artikel seit 2005 um ein Drittel gefallen ist, ebenso wird die Anzahl der Bearbeitungen und aktiver Benutzer immer geringer. Als Gründe dafür gelten ein immer rauer werdender Umgangston und der Widerstand der Administratorenschaft gegen neue Inhalte und Autoren.
Fünf Schritte zur Chance einer Veränderung
Den Mut noch nicht verloren? Das ist eine gute Voraussetzung! Es braucht Hartnäckigkeit für einen erfolgreichen Eintrag in Wikipedia. Halten Sie sich dabei an folgende Regeln:
1. Werden Sie Wikipedianer
Registrieren Sie sich mit einem Benutzernamen mit transparenter Angabe des Absenders und hinterlassen Sie Spuren. Als aktiver registrierter Benutzer erwerben Sie sich mit der Zeit eine Reputation. Andere Wikipedianer werden eher bereit sein, Sie in ihren Reihen aufzunehmen.
2. Seien Sie relevant
Beschränken Sie sich auf das Wichtigste und achten Sie auf die Wikipedia-Relevanzkriterien, sozusagen die Bibel von Wikipedia (und interessant zu studieren). Es gibt spezielle Kriterien für Adelseinträge, Architekten, Brauereien etc. Brauereien sind beispielsweise dann relevant, wenn sie 100 Jahre ununterbrochene Brautätigkeit nachweisen können.
Relevant ist Ihr Unternehmen in jedem Fall, wenn Sie eine der folgenden Bedingungen erfüllen:
- Jahresumsatz über 150 Millionen CHF
- mindestens 1000 Vollzeit-Mitarbeiter
- mindestens 20 Niederlassungen
- börsenkotiert
Nichts dabei? Ein Eintrag ist auch gültig, wenn Ihr Unternehmen besonders innovativ ist oder eine marktbeherrschende Stellung hat. Vielleicht hat bereits jemand eine Doktorarbeit oder ein Buch über Ihr Unternehmen geschrieben? Das erhöht Ihre Chancen.
3. Schreiben Sie objektiv
Texten Sie aus neutralem Standpunkt. Werbefloskeln haben in einer Enzyklopädie nichts zu suchen. Beschönigen Sie nichts. Wikipedia ist weder Ort zur Selbstdarstellung noch die Gelben Seiten. Die Angabe von Postanschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adressen oder Ansprechpartnern ist unerwünscht. Das gilt auch für Anfahrtsbeschreibungen und Öffnungszeiten. Ein Link zur Internetpräsenz ist jedoch üblich.
4. Fakten, Fakten, Fakten
Blosse Behauptungen werden nicht akzeptiert. Belegen Sie Ihre Aussagen mit Fakten, am besten mit einem Verweis auf eine objektive Print- oder Online-Quelle. So wirkt Ihr Text glaubwürdig und wird nicht als Werbebroschüre wahrgenommen.
5. Steter Tropfen höhlt den Stein
Die Gunst der so genannten «Lösch-Trolle» ist mitunter willkürlich. Wenn der Administrator noch nie von Ihrem Unternehmen gehört hat, nützt auch ein Artikel im Spiegel oder in der Neuen Zürcher Zeitung nichts. Versuchen Sie es wieder, diskutieren Sie mit, bleiben Sie hartnäckig. Auf der deutschsprachigen Plattform werden täglich rund 1000 neue Einträge publiziert – und 500 Einträge wieder gelöscht.
Wie Sie relevante Inhalte mitverfolgen
Verfolgen Sie regelmässig die Wikipedia-Einträge über Ihre Organisation, die damit verbundenen Persönlichkeiten und die für Sie wichtigsten Themen. Richten Sie auf WatchThatPage ein automatisches Monitoring kostenlos ein. Hier können Sie mehrere Wikipedia-Seiten speichern und mehrere E-Mail-Adressen festlegen, die alle bei einer Änderung kontaktiert werden sollen. Falls Sie Fehler über Ihre Organisation oder Lücken entdecken, korrigieren Sie diese selbst und möglichst rasch. Wenn Sie ein Thema oder Eintrag als ungeeignet empfinden, stellen Sie einen Löschantrag, der anschliessend diskutiert wird.
Fazit: Wikipedia ist kein PR-Instrument, sondern eine Wissensdatenbank, die täglich Millionen von Menschen nutzen. Nehmen Sie die genannten Regeln zum Anstoss und testen Sie selbst, ob Ihr Unternehmen relevant für die Allgemeinheit ist – über 100 Unternehmen im Raum Zürich sind bereits mit eigenem Eintrag auf Wikipedia vertreten. Und wenn es (noch) nicht klappt, vergessen Sie nicht: Ein Wikipedia-Eintrag entscheidet nicht über die Relevanz Ihres Unternehmens, sondern Sie mit Ihrem täglichen Einsatz.
Links:
- Wer ändert Wikipedia-Seiten? Wikiscanner entlarvt Einträge, bernetblog, 14.08.2007
- Wikipedia-Einträge schreiben oder schreiben lassen? Fünf Tipps, bernetblog, 25.01.2007
- Wikipedia feiert den millionsten Artikel – CH-Firmen schreiben fleissig mit, BaZ, 29.12.2009
- After the boom, is Wikipedia heading for bust?, New Scientist, 04.08.2009
- The battle for Wikipedia’s soul, The Economist, 06.03.2008
- Wikipedia laufen die fleißigen Autoren weg, Welt Online, 17.10.2007
«Früher wurde der Mensch durch Fragen gepeinigt, für die es keine Antworten gab. Durch die Computer werden wir jetzt mit Antworten überschüttet, für die wir nicht einmal die Fragen stellen können.»
Peter Ustinov, englischer Schauspieler und Autor