Facts 2.0 – Mitmach-Learnings von einem Pionier

/

factslogo.pngHier der letzte Beitrag aus meiner Internet-Briefing- Kommentarveranstaltungs-Serie. Christoph Lüscher von Tamedia hat über Facts 2.0 berichtet. Welche Zahlen erreicht die Plattform? Ist das Mitmach-Web massentauglich?

Christoph (Xing-Profil) hat die Idee einer News-orientierten Schweizer Online-Community entwickelt und intern präsentiert. Und zu seinem Erstaunen hat die Tamedia-Geschäftsleitung grünes Licht gegeben für dieses Experiment. Live ging die Plattform im September 2007, siehe auch unseren Beitrag «Facts lebt». Dahinter steht eher enges Budget für Aufbau und Betrieb. Und viel Pioniergeist im Teamwork mit Information Architects (die auch dasmagazin.ch gemacht haben).

Rund 1 Prozent «Rücklauf»
Heute sind rund 1000 Mitglieder mit ihrem eigenen Profil auf facts.ch eingeschrieben. Die generieren zusammen mit den nicht registrierten Surfern rund 60000 Visits pro Monat. Setzt man diese beiden Werte in Relation, so zählen etwa 1.5 Prozent der Besucher zu den tendenziell aktiveren Mitgliedern. Wie aktiv sie sind, ist eine andere Frage – auf jeden Fall haben sie mal die Mühe des Registrierens auf sich genommen. Dadurch geniesst man verschiedene Vorteile, wie sie zu dieser Art von Communities gehören.

Da wären wir wieder bei der 1-Prozent-Regel. Also gut, vielleicht ist es eher ein Mythos als eine Regel. Aber verschiedene Web 2.0-Mitmach-Analysen zeigen auf, dass rund ein Prozent der Zuschauer, Leser auch wirklich zu Mitmachern werden. Als unbezahlte Kommentatoren, Bewertende, Inhaltslieferanten.

So zählt Christoph in den drei Monaten seit Beginn rund 2200 abgegebene Stimmen (wie wertvoll / wichtig ist eine der aggregierten Meldungen), rund 2050 Kommentare und 3000 zwischen den registrierten Mitgliedern versandte Mailnotizen. Wenn wir auf diese drei Monate mal mit 150000 Besuchern rechnen, dann liegt die Beteiligung bei Stimmen / Kommentaren im Bereich von ebenfalls maximal 1.5 Prozent.

Interessant sind solche Relationen für alle, die sich für Online-Dialoge und Communities öffnen und noch keine Erfahrungswerte haben. Übrigens aggregiert Facts 2.0 bis heute 172000 Artikel aus 295 Quellen. Von der NZZ bis zum bernetblog.

Tipps für Online-Dialog-Gestalter
Die Learnings von Christoph Lüscher, der mit Facts 2.0 vor allem eine breite Online-Community aufbauen will, sind generell für Online-Dialoge spannend:

  • Engagement zeigen, selber und persönlich teilnehmen
  • Auf Nutzer eingehen, offen und ehrlich
  • Offenheit und persönliche Statements sind sehr wichtig
  • Communities brauchen eine überschaubare Kerngruppe als Start
  • Man kann nicht „ein wenig“ Community-Building machen – der Einsatz ist gross und andauernd

Der letzte Punkt wird oft unterschätzt. Wer sich aufs Online-Dialog-Karussell begibt, der ist 24 Stunden und 7 Tage pro Woche gefordert. Hier finden öffentliche Gespräche statt, man kann den Hörer nicht einfach aufhängen und jeder Austausch findet im Schaufenster statt.

Wie gewinne ich den Normalverbraucher?
Ein grosse Herausforderung für den Ausbau des Wirkungskreises ist für Christoph das Gewinnen breiter Kreise für Web 2.0-Mitmachaktionen. Das ist wohl auch das Problem für alle Online-Dialogprojekte von Unternehmen und Organisationen. Facts 2.0 hat aus meiner Sicht eine ganze Menge von Funktionen, die genial sind. Aber eine breite Masse wird sie nie verstehen. Auch ich selbst habe zum Teil Mühe, die tollen Tricks überhaupt zu finden. Das mag einerseits an der Benutzerführung liegen. Aber Facts 2.0 ist ganz klar ein Pionierprojekt, ein spannendes Übungsfeld für Dinge, die erst in ein paar Jahren breitere Akzeptanz erreichen mögen.

Ich denke, dass das Bewusstsein für den Standort der Durchschnittsbenutzer ganz wichtig ist. Ich sehe das bei mir selbst – es geht sehr schnell verloren. Denn alles neue interessiert mich, ich will es ausprobieren, bin fasziniert von den Möglichkeiten. Und ich tausche mich am Internet-Briefing und andernorts mit Menschen aus, die vorne dabei sind bei der Entwicklung. Dann tut es zwischendurch ganz gut, wieder mal zu merken, dass zum Beispiel niemand ausserhalb dieses Kuchens eine Ahnung von RSS hat.

Fazit: Immer schön vorne dran bleiben. Aber das Zielpublikum nicht abhängen.

Die weiteren Internet-Briefing-Reports aus dieser Veranstaltung:
22.11. Liveblog: Roland Zeller zu Kundenechos bei travel.ch
22.11. Liveblog: Peter Hogenkamp berichtet von der Kommentarfront
26.11. NZZ Online: Leser droht mit Kommentar?
Und hier noch die Internet-Briefing-Präsentation von Christoph Lüscher: PDF 1.2 MB.

  • Kategorien
  • Tags

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Pflichtfelder

Beiträge

  • Finde diese Analyse spannend und hilfreich, da mich im Moment alles zum Thema Communities interessiert. Da ich mich aber ganz neu in der Community Welt bewege, Facts2 Member, stolpert man immer wieder über Terminolgie, z. B. oben Trackback, die dem sonst gut informierten Medienleser nichts sagen. Natürlich kann mans googeln, aber holfreich wäre eben auch ein Stichwortverzeichnis, z.B. bei meiner Facts2 Community

  • @relax – stimmt. das ist ja auch noch das problem der generellen akzeptanz von web2.0. die terminologie machts schwierig. und hinter komplizierten wörtern stecken oft auch komplexe abläufe, die auf den ersten blick überhaupt nicht klar sind. übrigens habe ich erst im e-mail dialog rausgefunden, wie man auf facts2.0 selbst artikel schreiben und publizieren kann: gehe auf „meine artikel“ und dann „artikel verfassen“.

  • das arbeiten in virtuellen teams, das community building etc. wurde unter web 1.0 zb unter dem titel „eModeration“ bearbeitet. dazu gibts viele tolle unterlagen, projekte, studien, bücher (zb.: gilly salmon, kogan page) und muss im übrigen keineswegs auf die arbeit in internet basierten plattformen reduziert werden. für die psüchologischen hinweise: sherry turkle scheint mir noch immer sehr erfrischend mit „leben im netz“… etc. etc. will sagen: was wir ebenfalls aus www1.0 wissen: nicht alles was als 2.0 ventiliert wird, ist ein vollwertiges update 😛

    aber: hier nun facts.ch als pionierin und lehrmeisterin von „good practice“ in community-building zu referieren ist – mit verlaub – ziemlich – ähm – etwas zwischen „überraschend“, „abwegig“ und/oder „disqualifizierend“ ;-))

    vorschlag: an facts.ch könnte gelernt werden, wie aus null eigenleistung etwas gemacht werden kann. vielleicht sogar geld?

    /sms 😉
    http://rebell.tv

    ps: die feeds von rebell.tv haben wir facts.ch entzogen. (wohl im hinblick auf die prozesse in deutschland von faz und sz gegen perlentaucher.de wurden unsere feeds innert weniger stunden gelöscht.) freilich laufen unsere feeds in diverse feedportale. (nicht einmal in dieser hinsicht ist facts.ch eine pionierin!)

  • Hatte kürzlich eine Facts Einladung zu einem Artikel. Meine erste Reaktion war sehr reserviert, da ich keine Ahnung hatte auf was ich mich einlasse und noch nicht mal den Button Artikel verfassen, angeklickt hatte. Wiederhole mich, aber habe jetzt mehrere der Internet Briefing Kommentare gelesen, die kompakte und wichtige Informationen beinhalten. Betreffend mit vollem Namen und Ersatzprofil kann ich nur sagen, dass ich es verstehe wenn gewisse Funktionen nicht zur Verfügung stehen (ioch operiere aber auch anynom mit meiner whren Haltung). Aber für einen Testbesuch erwarte ich immer – und sei es nur zeitlich begrenzt – einen Zugang, ohne viele Infos abgeben zu müssen.