Heute morgen auf der Frontseite des Wirtschaftsteils: Eine Viertelseite von Martin Vetterli mit dem Lead: «Blogs nehmen zunehmend auch Schweizer Unternehmen aufs Korn. Nach Swissmetal wird jetzt auch Nestlé angeschossen.» Im Artikel wird das Phänomen Weblog beschrieben, vor allem am Beispiel von Nestlé Schweiz (NestleSuisseRealNews des anonymen Bloggers Transparence). Interessant. Irritiert hat mich das Zitat aus der Blogosphäre ganz am Schluss des Artikels: «Die Blogosphäre erobert den Journalismus und baut ihre Macht aus». Da musste ich gleich mal zum Journalisten werden und nachfassen – hier Auszüge aus dem interessanten Gespräch:
Glaubst du an diese Aussage?
«Nicht wirklich, sie ist mir auch zu heroisch. Weblogs sind ein Phänomen, da läuft ein andauernder Prozess, der vieles verändert, auch die Medien. Spannend ist ja, dass immer erst der Übertritt aus der Blogosphäre in die klassischen Medien für erhöhte Aufmerksamkeit sorgt. Die Grenzen werden fliessend und das finde ich gut so.»
Wieso hast du den Artikel geschrieben?
«Wir wollten das Thema Weblogs auf einer Meta-Ebene abhandeln. Und an der Cailler-Geschichte dranbleiben. Da hat sich die Sache angeboten, andere Printmedien hatten ja auch schon darüber berichtet. Und die Swisscom und Swissmetall-Beispiele kannte ich aus früheren Recherchen.»
Liest du Blogs?
«Hin und wieder, so einmal pro Woche. Und wenn ich an speziellen Recherchen bin. Nein, ich habe keine Blogs abonniert, ausser den eines Freundes. Den 20Minuten Pendlerblog hatte ich mit Vergnügen abonniert, aber mit der Zeit hatte ich genug davon.»
Sind anonyme Blogs für dich relevant?
«Als gelernter Historiker ist Quellenkritik für mich eine Selbstverständlichkeit. Bei einem anonymen Blog weiss ich ja, worauf ich mich einlasse. Und wie ich die Informationen überprüfen kann oder wie ich die Quelle zitiere. Bei der Diskussion um die Glaubwürdigkeit von Blogs darf man nicht vergessen, dass auch Pressesprecher, Communiqués, Broschüren immer als Quelle zu verifizieren sind.»
Wie siehst du die Zukunft von Blogs in der Schweiz?
«Bestimmte Blogs werden in speziellen Situationen meinungsbildend und beeinflussend sein.»
Dieser Satz von Martin Vetterli hat mir so gefallen, dass er hier gleich am Schluss steht. Denn in diesem Punkt gehe ich absolut mit ihm einig – ohne heroische Übernahme des Journalismus durch die Blogosphäre. Für Unternehmen und Organisationen wird ein effizientes Monitoring immer wichtiger – drum habe ich ja auch ein ganzes Kapitel dazu im Buch geschrieben.
Welche Unternehmen, die diesen Eintrag lesen, beobachten und analysieren die Blogosphäre?
Starker Espresso zum Frühstück mit dem Tages-Anzeiger heute Morgen: „Die Blogosphäre erobert den Journalismus“. Interessant, dass Vetterli nach eigenen Angaben selbst nur sehr selten Weblogs liest. Für seinen letzten Satz im nachhakenden Gespräch, dass „bestimmte Blogs in speziellen Situationen meinungsbildend und beeinflussend sein werden“, sei ihm seine Blogabstinenz verziehen 😉
Vielleicht auch interessant, leu schreibt an Journalisten…
@leu: kurz bei dir reingeschaut, weil dein eintrag für mich ein wenig kryptisch war. spannend: in den usa haben immer mehr journalisten (angestellte, impressum-registrierte) ein eigenes weblog. dort schreiben sie dann sachen rein, die in der zeitung vielleicht keinen platz hatten. etwas freier, frecher, subjektiver. gelesen in pr-tactics, einem us-heft für pr-fachleute.