Es ist kaum ein Jahr her, da kannte die Internet-Gemeinde nur ein Thema: Das Social Network Facebook. Doch in der schnellen Welt des Netzes ist das eine Ewigkeit, und längst ist ein neuer Hype da: Twitter heisst das neue Spielzeug der Web-Aficionados, das in den letzten Monaten stark gewachsen ist und nun bereits 1,6 Millionen Benutzer zählt (verglichen mit 800’000 im Januar). Grund genug, sich zu überlegen, ob und wie Twitter in der (Firmen-)Kommunikation eingesetzt werden kann. Was ist Twitter überhaupt? Gastblogger Nico Luchsinger klärt die bernetblog-Leser/innen auf. Und Marcel Bernet berichtet nächste Woche über seine ersten Zwitscherversuche.
Selbst sehr überzeugte Twitter-Benutzer haben Mühe, Aussenstehenden den Service zu erklären. Normalerweise wird Twitter als «Microblogging» beschrieben, doch die meisten Twitter-Benutzer sind sich einig, dass dies den Kern der Sache nicht wirklich trifft. Bei Twitter können Benutzer über Internet, Mobiltelefon oder Instant-Messenger-Programme Nachrichten hinterlassen, die maximal 140 Zeichen lang sein dürfen. Man kann anderen Benutzern «folgen» und erhält dann deren Nachrichten ebenfalls angezeigt. Daraus entsteht dann, wie der Name «Twitter» schon nahelegt, ein buntes «Gezwitscher» von Stimmen. Twitters grosse Stärke ist die offene Programmierschnittstelle (API), die zur Entwicklung von Hunderten von Zusatzdiensten geführt hat. Verschiedene Desktop Clients ermöglichen es etwa, die Twitter-Nachrichten anzuzeigen, ohne sich im Browser auf der Twitter-Seite einloggen zu müssen.
Der Scoop kommt über Twitter
Diese Schnelligkeit und Unmittelbarkeit machen Twitter zu einem leistungsfähigen Dienst zur schnellen Verbreitung von Informationen. Die Resultate der US-amerikanischen Primärwahlen in Iowa im Februar etwa wurden zuerst über Twitter aggregiert. Und als vor einigen Wochen in China die Erde bebte, verbreiteten sich die Informationen dazu ebenfalls in Windeseile über Twitter. Grund dafür war vor allem die virale Natur des Mediums – viele Twitter-Benutzer gaben die Informationen, die sie erhalten hatten, wiederum an ihre Kontakte weiter.
Mitten im Gespräch
Seine wirklichen Stärken zeigt Twitter – wie alle Online-Medien – allerdings erst, wenn man Informationen nicht nur verteilt, sondern Teil der Konversation wird. Twitter ist ein konstanter weltweiter asynchroner Chat, gefüllt mit Gesprächsfetzen, Fragen, Antworten und hitzigen Diskussionen. Ein idealer Ort also, um nicht nur Informationen an eine bestimmte Zielgruppe zu senden, sondern auch Feedback in Echtzeit zu erhalten. In jüngster Zeit hat zum Beispiel die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA vorgemacht, wie das gehen kann: Die Landung des Phoenix Lander auf dem Mars war auch auf Twitter ein grosses Ereignis – mit einem Twitter-Account, auf dem der Mars Phoenix in Ich-Form von „seinen“ Erlebnissen erzählt und Publikumsfragen beantwortet. Innert weniger Wochen hatte der freundliche Mars-Reisende über 15’000 Twitter-Fans. Auch Firmen wie Southwest Airlines nutzen Twitter – einerseits, um auf Blog-Beiträge hinzuweisen, andererseits, um direkt mit (potenziellen) Kunden zu kommunizieren. Und die Mozilla Foundation betreibt für ihren zunehmend populären Browser Firefox einen technischen Support via Twitter.
Marktforschung in Echtzeit
Man muss auf Twitter nicht immer mit anderen kommunizieren; es lohnt sich manchmal, auch ganz einfach zuzuhören. Verschiedene Tools ermöglichen es, alle „Tweets“ (die einzelnen Nachrichten auf Twitter) zu durchsuchen oder nach bestimmten Kriterien zu analysieren. So lässt sich einfach und schnell herausfinden, was die „Twittersphäre“ über ein bestimmtes Thema (oder Produkt, oder Unternehmen) denkt und zu sagen hat. Mit etwas mehr Aufwand kann man diese Informationen auch automatisch abrufen:
Kürzlich beklagte sich Jackie Huba vom „Church of the Customer“-Blog auf Twitter über Salesforce, einen Anbieter von CRM-Software. Nur wenige Stunden später antwortete die Firma auf die Klage. Erstaunt fragte Huba nach, wie Salesforce den Tweet überhaupt wahrgenommen habe. Die Antwort: Salesforce sucht konstant mehrere Online-Diskussionsplattformen, darunter Twitter, nach Erwähnungen des Firmennamens ab. Die Firma kann damit nicht nur Diskussionen in Echtzeit verfolgen, sondern wenn nötig auch schnell darauf reagieren.
Twitter für immer?
Die aktuelle Begeisterung für Twitter kann aber nicht über die Probleme der jungen Firma hinwegtäuschen. Ganz abgesehen davon, dass nach wie vor völlig unklar ist, wie das Unternehmen jemals Geld verdienen will (der Service ist momentan kostenlos und werbefrei), macht Twitter der heftige Benutzer-Anstieg zu schaffen. Die regelmässigen Server-Ausfälle behindern die Twitter-Community in der Ausübung ihrer Lieblingsbeschäftigung – und einige ärgern sich so sehr darüber, dass sie dem Service den Rücken kehren. An möglichem Ersatz mangelt es nicht; im Moment sind FriendFeed und Plurk Favoriten für eine allfällige Twitter-Nachfolge. Gut möglich also, dass Twitter bald in die Bedeutungslosigkeit verschwindet oder ganz aufgeben muss. Die Art der kurzatmigen schnellen Online-Diskussion, die Twitter geprägt hat, dürfte uns aber erhalten bleiben.
Gastblogger Nico Luchsinger ist Journalist und Student; er lebt in Zürich. Er bloggt auf Hundertfünfzig Worte – und hat natürlich auch einen Twitter-Account.
Super Artikel von Nico hier! Sehr gut beschrieben inklusive der Risiken und der alternativen die zum Glück keine wirklichen Alternativen sind.
Seit gestern ist auch bekannt das Twitter neues Geld kriegt. Unter anderem von Amazon Gründer Jeff Bezzos. Damit können wir also wieder eine weile weitertwittern.
(und dies wäre jetzt ein wirklich gelungener Artikel für ein Schweizer Blogmagazin)
@leu: ihr seid alle so twitter-fans. ich bin glaub zu alt… vielleicht… dich leu habe ich übrigens als follower eingeladen auf twitter. tja, ich habe noch sooo wenige freunde. aber da kam gar keine reaktion von dir. also ich gebe mir mühe und bleibe dran…
Twitter ist schon eine tolle Sache; doch das im Artikel erwähnte Plurk.com gefällt mir fast noch besser! 🙂
Ich denke, für Unternehmen eignet sich Twitter besser, als Privatperson jedoch würde ich Plurk bevorzugen. Aber dies ist Geschmacksache.
@leu: Danke für das Lob! Geldsorgen hat Twitter im Moment wohl tatsächlich keine – dafür eine ganze Reihe anderer.
@marcel: Das wird schon noch, ich bin gespannt auf deinen Erfahrungsbericht aus dem Twitterversum.
@Andreas: Ich gestehe, dass ich Plurk nie genauer angeschaut habe; ich bin irgendwie schon zu fest auf Twitter festgefahren. Für Unternehmen ist schlussendlich entscheidend, wie viele und welche Leute sie über so ein Tool erreichen können. Da hat Twitter im Moment die Nase vorne, aber das kann sich ja bekanntlich schnell ändern.
Sehr gute Beschreibung zum Thema Twitter! Eine Anleitung für die ersten Schritte findet Ihr hier http://www.webtec-braun.com/ebook-erfolgreich-twittern.html
und unsere eigene checklist für business-twitter-einsteiger folgt garantiert bis ende september: einfach rechts oben im blog auf die voranmeldung klicken.