Eine der wichtigsten PR-Kompetenzen bleibt das Texten. Auch oder grade weil die Texte in Zeiten von Facebook, Twitter & Co. immer kürzer werden. Ein grosser amerikanischer Text-Guru nennt 5 Tipps fürs einfachere Schreiben.
Für die Amerikaner ist William Zinsser so etwas wie für uns Deutschsprachigen Wolf Schneider: Die Koriphäe der guten Schreibe. Sein Bestseller «On Writing Well» (Amazon) ist die amerikanische Texterbibel. Mit seinen 88 Jahren betreibt er auf wöchentlicher Basis einen Blog. Für das Poynter Institute fasste Zinsser «5 tips for becoming a better writer» zusammen – hier meine persönliche Adaption in Deutsch:
1. Nimm den Leser mit auf Deine Reise
Der Akt des Schreibens ist wie eine Entdeckungsreise. Zinsser: «Beim Schreiben sagen wir zum Leser: ‚Ich nehme dich mit auf eine Reise‘. Damit behalten wir den Hauptfokus: eine Geschichte zu erzählen.» Zu oft seien wir zu fest mit dem Druck «gut zu schreiben» beschäftigt – dass wir darob die Geschichte vernachlässigen. Der Text wird abstrakt. Unsere Entdeckungsreise braucht aber anschauliche Bilder.
2. Denk an den Prozess – vergiss das Produkt
Zinsser glaubt, dass wir uns zu stark darauf versteifen, wie der Text schlussendlich publiziert, verteilt und gelesen wird. Anstatt sich zu fragen: Was sind die Kernaussagen? Warum liegt mir das Thema am Herzen? Das Handwerk soll im Zentrum stehen; den Text strukturieren, einen guten Lead und aussagekräftige Titel texten und am Schluss nochmals überarbeiten. «Wenn wir das Texten als Prozess erleben, profitiert das Produkt.»
3. Schreib für Dich – nicht für andere
Schlussendlich muss das Geschriebene vor allem vor den eigenen Ansprüchen bestehen. Man lasse sich nicht zu fest von den Vorstellungen von Auftraggebern, Chefredaktoren, Verlegern leiten. Wir müssen zu unseren Texten stehen, sie selber erzählenswert finden und sie dann handwerklich geschickt umsetzen.
4. Glaube an Dich
Texten ist persönlich – wer schon Textkritik erhalten oder geübt hat, weiss das. Darum ist die Selbstreflexion, das Selbstbewusstsein wichtig. Wir schreiben erst gut im Wissen: Dieser Inhalt ist es wert, erzählt zu werden und ich kann das umsetzen. «Man lernt zu Schreiben, indem man an sich selber glaubt.»
5. Nimm Dich nicht zu ernst
«Nimm Deine Arbeit ernst – Dich selber aber nicht allzu sehr.» Selbst schwierigen, ernsten Themen können mit einer Prise Humor die Schwere genommen werden. Gerade im Corporate Publishing mag dies schwierig umzusetzen sein. Sicher ist: Der Einsatz von Ironie ist ein sehr schmaler Grat – bringt aber ein wenig Leichtigkeit in die Lektüre… und ins Schreiben.
Soweit Zinssers fünf Motivations-Anstösse für Texter. Wie lustvoll das Texten sein kann, haben wir grade letzte Woche im Workshop «Texten fürs Netz» (Infos unter bernet.ch/seminare) wieder erfahren. Im Rahmen von einem Halbtageskurs vermitteln wir die Grundlagen des Textens, der Bildschirmkommunikation und arbeiten an Textbeispielen aus dem Kundenumfeld.
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«Schreiben für Gestresste – damit Ihre Website gelesen wird»
Danke für den erstklassigen Hinweis und die saubere Aufbereitung, aber: Zinsser münzt seine Empfehlungen eindeutig auf das anspruchsvolle journalistische Schreiben (also auf Reportagen, Features usw.). Dementsprechend liegt sein Augenmerk auf der Kunst des Storytellings. Dem Verfasser von PR- und Kurztexten (etwa auf dem Web) nützen seine Tipps nur wenig – denn da ist nicht eben Storytelling, sondern die umgekehrte Pyramide gefragt. PS: Vergleichbare Hinweise, die diesmal auf Kurztexte der Marketingkommunikation zugeschnitten sind, finden sich auf: http://directpoint.post.ch/landing/?lid=43ac1e90d43840a661965bd34c1ce3fe
Sali Ivo. Danke für diesen Kommentar – er freut und interessiert mich sehr. Zumal ich beim Schreiben der Zusammenfassung sehr wohl das Spannungsfeld Journalismus VS. Corp.Publishing wahrgenommen habe. Darum hast Du Recht: Beim Schreiben von Communiqués rücken Storytelling und Anreiz in den Hintergrund. Und doch – seine Hinweise auf das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein von Schreiberlingen, ob journalistisch oder fürs Biz, finde ich motivierend.
Und die neue, dialogischere, transparentere, lebendigere Art der Unternehmenskommunikation, wird wohl auch die „journalistischen“ Fähigkeiten und Herangehensweise von uns PR-Fritzen wieder fordern/fördern.
PS: und ganz wichtig: hat mich gefreut, auf diesem Weg wieder mal von Dir zu „lesen“. : )
@Ivo
Ich finde diese Tipps sind auch für Blogger gut. Storytelling ist etwas, was viele professionellen Blogger nicht kennen. Sie sind ganz auf den die Keywords und den PR fixiert.
Wenn ich eine Geschichte erzähle, die mir Spass macht, profitiert auch mein Text davon. Der User spürt, ob Herzblut dabei ist, oder nur eine Bleiwüste produziert wurde.
Es ist doch was Schönes, wenn Leute aufeinander zugehen und sich Geschichten erzählen. Märchen, Fabeln und Parabeln sind aus gutem Grund ein Teil der etablierten Literatur.
Ich würde zumindest stark in Zweifel ziehen, dass diese fünf Tipps aus einem schlechten einen weniger schlechten Autor machen können. Insbesondere Regel 4 ist Selfhelp-Geschwurbel sondergleichen. „On Writing Well“ habe ich hingegen mit Freude gelesen, auch wenn ich „Deutsch für Profis“ von Altmeister Wolf Schneider um Längen besser finde. Aber wahrscheinlich liegt das daran, dass ich deutsch bin.