Was geschieht, wenn Medien ihre Inhalte nach dem Umsatz richten? USA Today scheint über einen PageView-Bonus nachzudenken. AOL setzt Klickpotenzial und Profit zuoberst auf interne Redaktions-Richtlinien.
Medien müssen rentieren – wie andere Unternehmen auch. Löhne, Produktion und Vertrieb müssen aus Einnahmen finanziert werden, die von den Lesern selbst oder von Werbetreibenden kommen. Anstelle dieser unternehmerischen Ausrichtung können Gebührengelder, Subventionen oder Mäzene treten; alles Faktoren, die auch in der Schweizer Medienlandschaft eine Rolle spielen. Im Online-Bereich zeigen zwei aktuelle Beispiele, wie weit die Rendite-Orientierung von Medien-Inhalten gehen kann.
USA Today diskutiert Klickbonus
An einem internen Konferenzgespräch vom 5. April soll USA Today einen Plan diskutiert haben, der Journalisten einen Bonus gibt für besonders stark gelesene Online-Beiträge (Big Lead). Ein Sprecher bestätigte entsprechende Diskussionen, entschieden sei noch nichts (Mashable).
AOL setzt Klicks und Rendite an erste Stelle
Der BusinessInsider veröffentlichte im Februar eine interne Präsentation von AOL mit detaillierten Zielen und Instruktionen zur Erarbeitung und Vermarktung von Inhalten. Mit dem Projekt «The AOL Way» will die US-amerikanische Online-Plattform mehr Leser erreichen, auch von ausserhalb. Die Zahl der monatlich produzierten Artikel soll von 33’000 auf 55’000 steigen, die Seitenansichten sollen sich knapp verfünffachen: von 1’500 auf 7’000 pro Artikel.
Das sind sehr ambitiöse Ziele, dafür werden die journalistischen Prioritäten neu gesetzt. Erstes Entscheidkriterium für neue Geschichten ist das Klickpotenzial, gefolgt vom Profitpotential durch Werbeschaltungen und Kostenüberlegungen. An der letzten Stelle steht die verlegerische Integrität, das Einpassen in eine Gesamtstrategie:
Ein weiteres Slide beschreibt sehr schön und pragmatisch, wie ein Online-Medienhaus den ganzen Produktionsprozess steuern will. Überhaupt lohnt es sich für Inhaltsproduzenten jeder Art, die ganze AOL-Präsentation anzuschauen.
Die grosse Austauschbarkeit der Online-Welt
Wie die Prioritäten gesetzt werden, wenn man möglichst viele Klicks will, zeigt USA Today: 27 Medienschaffende berichten über Unterhaltung, 5 über den Kongress, wie der kritische Gannett Blog berichtet. Die Politikjournalisten werden wohl grössere Mühe haben sich für einen Klickbonus zu qualifizieren, als die Beobachter von Lady Gaga.
Die erwähnten Punkte sind nichts Negatives – genau nach diesen Faktoren richtet sich Journalismus. Was bleibt, ist die Frage der Gewichtung: Wenn nur noch möglichst viel, möglichst schnell und möglichst sexy produziert wird – wo bleibt die verlegerische Alleinstellung, das Profil? Erwartet uns die grosse Austauschbarkeit aller Online-Medien? Vielleicht entspricht das dem neuen Typus des News-Surfers, der nicht mehr bei einem bestimmten Medium andockt, sondern über die Suchmaschine oder soziale Plattformen das konsumiert, was gerade an ihm vorbeirauscht.
Prioritäten müssen diskutiert und gesetzt werden. Wer nur nach dem Leser schielt, wird irgendwo in der Masse mitschwimmen. Und dabei nie ein Profil als Qualitätsmarke aufbauen.
Weiterführend:
MondayNote: Bob Woodward: How many Page Views?
Dieser Artikel erschien auch auf NZZ Online / Extrablog.