In drei Tagen hat ein virales Video als Teil einer Facebook-Kampagne über 70’000 Likes* erreicht. Trotzdem – oder vielleicht deswegen – hat die Soziale Plattform das Ganze gekappt. Schweiz Tourismus und deren Agenturen rätseln noch über die Hintergründe. Zum Glück habe ich ein paar Screenshots dieses sehr gut gemachten Videos gemacht.
*Stimmt nicht, wie Sebi unten kommentiert: Die eingeblendete Zahl bezog sich auf das Total aller existierenden MySwitzerland-Likes.
Willkommen zurück in der Zukunft: Es gibt wieder Longspots. Wo Werbefilme immer kürzer werden profitieren clevere Werber von der Neuheit sozialer Plattformen: Wer hier etwas wirklich Gutes umsetzt, der kann Menschen an die Monitore fesseln. Rund vier Minuten habe ich mir Zeit genommen, um die beiden Bergler Sebi und Paul während ihres Chats im Stadtcafé zu beschmunzeln. Dabei habe ich auch über mich selbst gelacht: Was Facebook alles weiss über mich… Doch der Reihe nach.
Facebook-Blockade: Gründe unklar
Auf chat.myswitzerland.com steht seit Dienstag ein «Es-tut-uns-leid»-Text. Gemäss persönlich.com vermuten die Agenturen smly und SFLB eine sehr hohe Anzahl von über den Wettbewerb generierten Mitteilungen, worauf Facebook Applikationen wegen Spam-Befürchtungen auch mal automatisch kappt.
Facebook sei nicht erreichbar, Schweiz Tourismus tappte gestern auf Anfrage ebenfalls noch im Dunkeln. Der Unterbruch generiert zwar im Moment mehr Aufmerksamkeit, aber eine zu lange Blockade schmälert natürlich die Wirkung.
Brillant inszenierter Sennen-Chat
Die Kampagne läuft unter dem Titel «Ferien ohne Internet», denn am Ende gibt es eine Woche in einer abgelegenen, garantiert anschlussfreien Berghütte zu gewinnen. Im Mittelpunkt steht ein brillant gemachtes Video, das alle Register des Storytelling mit neusten technischen Möglichkeiten verbindet.
Sebi und Paul kennt man aus diversen Spots, diesmal sind sie zu Besuch in der Stadt. Wenn sich die zwei Sennen im Café gegenübersitzen und ihre Laptops aus dem Rucksack ziehen, überlagern sich Bergwelt und Bürorealität. Der Zuschauer wird Zeuge eines wortlosen Dialogs, der zur Realsatire über Chat-Verhalten wird. Das eingeblendete Chatfenster liefert die Untertitel zur Filmgeschichte.
Bis sich die beiden schliesslich an mich wenden – und rechts die Einladung blinkt, mich doch über Facebook in diesen Chat einzuklinken. Nach dem obligaten «Ja» zur Freigabe aller meinen wohlgehüteten Facebook-Daten rechnet die Applikation rund 30 Sekunden. Was mir zuerst als zu lange erscheint, schon will ich aussteigen.
Aber das Warten hat sich gelohnt. Jetzt geht der Chat weiter und hoppla: mein Konterfei prangt plötzlich auf dem Bildschirm von Sebi. Die beiden unterhalten sich eine ganze Weile über mich – «Aha, der hat schtudiert.» «Ja, bestimmt muss er den ganzen Tag im Büro hocken.» «Im Schnitt ist Marcel 4.6 Stunden auf Facebook.» «Wieso lachst du?» «Guck mal seine Bilder.»
Einerseits staune ich darüber, was Facebook alles über mich weiss. Klar kannte ich meine Freigabe-Einstellungen – aber die Facts so präsentiert zu bekommen ist was anderes. Hat die Plattform deswegen die App gestoppt? Die 4.6 Stunden basieren gemäss Schweiz Tourismus übrigens auf einer Zufallsformel, diese Daten bekommt man nicht geliefert. Und gleichzeitig fühle ich mich sehr gut unterhalten. Die Dialoge sind witzig, das lange Zuschauen hat sich gelohnt.
Wie lange werden Stimm-Wettbewerbe noch akzeptiert?
Gar nicht meine Sache sind Wettbewerbe mit Geiselhaft: Wirkliche Gewinnchancen habe ich nämlich nur, wenn möglichst viele für mich stimmen. Dazu müsste ich viele einladen, quasi in Freundes-Wettbewerbs-Geiselhaft nehmen. Wo ich mich doch selbst aufrege über die zunehmenden «Stimm-für-mich»-Kidnappings auf Twitter, Facebook oder in Mails. Ich glaube, dass die Bereitschaft der Nutzer, sich hier zu beteiligen, abnehmen wird.
Aber anscheinend hat der virale Effekt brillant geklappt – über 70’000 Likes in drei Tagen sind viel. Die Kampagne wurde auch in vier Sprachen aufgesetzt. Ich wünsche Schweiz Tourismus und den involvierten kreativen Partnern, dass man sie bald wieder live sehen kann.
chat.myswitzerland.com
persönlich.com zur Kampagne mit interessantem Interview
Die 70’000 „likes“ beziehen sich auf die FB-Fanpage von MyS.com. Die hatten sie vorher schon. Der Grund für die Abschaltung waren Verstösse gegen die Geschäftsbedingungen von Facebook. Die privaten Daten kommen über Facebook Connect, und das ist immer so, Sie haben nämlich bei der Anmeldung zugestimmt.
Kann gut sein, dass Facebook im Kampagnen-Titel „Ferien ohne Facebook“ die Verletzung der Markenrechte (http://www.facebook.com/brandpermissions/index.php) sieht. Oder aber, die Einladungen welche man an Freunde gesendet hat, wurden von einigen Personen als „Spam“ deklariert. Es braucht nur wenige solcher Meldungen, so dass eine Facebook App sogleich gesperrt wird.
Hoi Sebi – mein Fehler mit den 70’000, korrigiere ich gleich. Das mit der Zustimmung wusste ich natürlich schon. Aber sag doch uns Unterländern: Was waren denn die Verstösse? Damit wir Züzis das nächstemal bessere Kampagnen machen können? Schöne Grüsse auf die Alp, Marcel.
Ahh, danke Renato für den Tipp. Wäre schön, wenn sich der Sebi ebenso persönlich outen würde wie Du…
Ich könnte mir vorstellen, dass die (zu) zahlreich abgefragten Berechtigungen für die FB-App „Holidays without Internet“ resp. Reklamationen/Meldungen durch User an Facebook auch zur Abschaltung beigetragen haben könnten.
Screenshot des Berechtigungsscreen (erstellt vor der Abschaltung):
http://twitpic.com/4ysidl
http://www.facebook.com/promotions_guidelines.php
3, 4 und 7. Vor allem 7. Du darfst die Marke Facebook nicht verwenden, wenn du nicht FB bist.
Und vermutlich sind einige Leute über Facebook Connect dann halt doch erschrocken und haben den „Spam melden“ geklickt.