Die Vernetzung der physischen Welt mit dem Internet ist das Internet der Dinge. Aber nicht nur das, Gesellschaft und Wirtschaft sind an diese Vernetzung geknüpft und wir erleben diese Veränderung mit. Eine Bestandsaufnahme und sechs Fragen zur Vernetzung.
Das Internet der Dinge ist kein neuer Begriff, auch hier war es bereits Thema. Doch was bedeutet es für unseren Alltag und welche Bereiche können zuerst von der Entwicklung profitieren?
Der intelligente Kühlschrank
Ein Alltagsgegenstand wird «smart» durch die Vernetzung mit dem Internet. Zum Beispiel der Kühlschrank. Er lagert Lebensmittel, die sonst verderben. Zu einem Teil des Internets der Dinge wird der Kühlschrank, wenn er nicht nur über diese bekannten, physischen Eigenschaften verfügt, sondern auch digitale Fähigkeiten hat. Das heisst, der Kühlschrank zeigt an, welche Lebensmittel fehlen, wann sie ablaufen und kann sie optional gleich nachbestellen.
Neues Nervensystem
Jedes Gerät bekommt ein eigenes Profil im Internet. Der Kühlschrank sammelt Informationen aus seinem eigenen System und dessen Benutzung und gibt sie an das Profil im Internet weiter. Edgar Fleisch, Professor für Informations- und Technologie-Management an der ETH Zürich und der Universität St. Gallen, beschrieb es diesen Monat in einem Artikel der NZZ: «Sie bilden so ein gigantisches Sensor-Netzwerk, ein neues Nervensystem der physischen Welt, das die physische Welt mit dem Internet verbindet. Die Verschmelzung von physischer und digitaler Welt hat begonnen.» Fleisch arbeitet seit zwölf Jahren an Infrastrukturen und Anwendungen des Internets der Dinge.
Wirtschaftliches Potenzial – gesellschaftliche Veränderung
Für die Wirtschaft birgt das Internet der Dinge enormes Potenzial, dies zeigt eine letzte Woche vorgestellte Studie von Cisco, die international rund 7’500 Entscheider befragte. «Das heutige Internet verbindet gerade einmal ein Prozent der Welt», wird Michael Ganser, der bei Cisco die mittel- und osteuropäischen Länder betreut, bei Computerworld zitiert. In den nächsten zehn Jahren sei es möglich, durch die weitere Vernetzung rund 14,4 Billionen USD zu erwirtschaften.
Sechs Fragen
Was bedeutet die weitere Vernetzung für Wirtschaft und Gesellschaft? Was ändert sich, wo ist Vorsicht geboten und wo sind Vorteile? Die folgenden sechs Fragen scheinen mir wichtig, um in der Entwicklung der Vernetzung offen, aber kritisch zu bleiben:
1. Sind meine Daten geschützt? Ich habe whatsapp genutzt im Wissen, dass es nicht so sicher ist, wie es sein sollte. Der Nutzen war höher als das Risiko, Daten zu verlieren. Das gilt auch für das Internet der Dinge – wie viele Daten werden preisgegeben und wie werden Standards entwickelt um diese zu sichern. Problematisch finde ich: Viele Daten werden «etwas» zugeordnet, einem Geräteprofil oder einer Chip-Nummer. So werden Rückschlüsse auf Gewohnheiten, Interessen und Standorte möglich. Ob heute bei Amazon oder morgen beim Kleiderkauf mit RFID-Chip. Ich will entscheiden können, wie viel ich preisgebe.
2. Was ist der Nutzen? Die Vernetzung birgt eine Vielfalt an Möglichkeiten: neue Dienstleistungen, Produkthistorien, Tipps, Sonderangebote und die Integration in soziale Netzwerke. Schon heute gibt es Produkte die diese Vernetzung umsetzen: Das Nike+ Fuelband ist verknüpft mit einer App und tauscht die Daten automatisch aus. Ein Zusatznutzen ist die Auswertung, die für den Nutzer sichtbar ist. Das Intelligene Zuhause oder die Steuerung von Geräten via App sind weitere Beispiele. Der Nutzen für die Wirtschaft ist wohl mit dem oben beschriebenen Potenzial gegeben. Für Unternehmen ist Lager- und Produktionssteuerung nur ein Anknüpfungspunkt. Durch die Vernetzung ergibt sich in vielen Bereichen neues Potenzial, neue Ideen werden realisierbar. Das Projekt artcopycode von Google gibt im Bereich Werbung einen Einblick.
3. Wie verändert sich das Verhalten? Die Geräte werden nicht lebendig, aber intelligent. Sie geben dadurch eine Rückmeldung auf unser Verhalten. Der Kühlschrank meldet, dass ich zuviel Milch einkaufe und diese verdirbt. Das passt «mein» Verhalten an, indem ich weniger einkaufe, ihn anders programmiere oder er die Bestellung automatisch anpasst. Das Ergebnis: Weniger Foodwaste. Feedback, auch wenn von Geräten verändert, unser Verhalten.
4. Gibt es Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt? Mit der Entwicklung des Internets der Dinge wird sich nicht nur der Markt, sondern auch der Arbeitsmarkt verändern. Berufe werden variieren oder neue Berufsbilder entstehen. Ein Drittel der Befragten der Cisco-Studie geben an, dass das Internet of Everything mehr Stellen schaffen werde. Betroffen ist bereits im laufenden Jahr der Bereich Logistik. Auch im Kundendienst werden neue Stellen entstehen.
5. Welcher Einfluss auf die Kosten gibt es? Eine technologische Entwicklung wird umso spannender, wenn Kosten eingespart werden können. Durch die Vernetzung entstehen neue Messwerte, die zur Optimierung von Prozessen angewendet werden können. Lagerbestände werden beispielsweise laufend aktualisiert und der Überblick ist in Echtzeit gegeben.
6. Gibt es einen Interessenkonflikt? Als Endkunde frage ich mich: Wem nützt die Vernetzung mehr, dem Anbieter oder mir? Neues kann für Gutes wie Schlechtes angewandt werden. Ich nehme die bereits starke Tätigkeit von Forschung und Wirtschaft als Absicherung für die zu einseitige Gewichtung von Interessen – und die gemeinsame Bewältigung von Hürden.
Bei allen Bedenken zu Datenschutz und der Vorsicht bei Interessen aus Wirtschaft und Forschung – das Internet der Dinge macht neugierig, begeistert und wird sich einfügen in den Alltag, weil es einen Mehrwert an Funktionalität bietet. «Cool» sein wie ein Samsung T9000 Four Door Refrigerator reicht mir nicht als Nutzen für mein Zuhause. Auf jeden Fall nicht in den nächsten paar Jahren.
Weiterführende Links
– bernetblog Beitrag «Was ist eigentlich…: Das Internet der Dinge?»
– alle Beiträge zu «Was ist eigentlich:…?» im bernetblog
– NZZ, 6. Juni 2013, Elgar Fleisch «Wie viel Schweiz steckt in Internet der Zukunft?»
– White Paper von Cisco «Internet of Everything (IoE) Value Index»
– Computerworld, 20. Juni 2013, Jens Stark «Internet der Dinge: Cisco sieht Riesenpotenzial»