Was ist eigentlich…: Social Sentiment Analysis?

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Das Mitmachweb generiert neue Tools – wie die Social Sentiment Analysis. Sie zeigt den Unternehmen, was ihre Kunden meinen und fühlen. Wie das geht, wer davon profitieren kann und wo es Stolpersteine gibt, zeigt dieser Blog. 

Die Interaktivität der sozialen Netzwerke verändern die öffentliche Kommunikation und generieren riesige Datenmengen. Diese Daten enthalten für die Unternehmen wertvolle Informationen. Denn Tweets, Facebook-Statusmeldungen, Chats & Co. geben Einblick in die Welt der Zielgruppe. Zudem beeinflussen sie die öffentliche Wahrnehmung von Produkten, Dienstleistungen und Personen. Ob Zugverspätungen, Wahlchancen oder Produktreklamationen – der Kunde spricht öffentlich darüber.

Zufrieden, Herr Kunde? 
Wie zufrieden er ist, lässt sich messen. Die Methode heisst Social Sentiment Analysis: Sie erfasst emotionale Stimmungen in sozialen Medien und analysiert diese. Während das automatisierte Monitoring zum Sammeln von Daten dient, kann nun die Social Sentiment Analysis auch mitlesen und interpretieren.

Komplexe Analyse
Mit Untersuchungen in definierten Zeitspannen oder in Echtzeit werden positive und negative Wortlaute unterschieden. Die Unterscheidung nimmt ein Algorithmus vor. Die Komplexität einer semantischen Analyse ist enorm, schon kleinste Satzeinschübe oder Ergänzungen können die Aussage des Satzes verändern. Zum Beispiel:
Das war so nicht interessant
Das war nicht so interessant

Wie es geht: Methoden
Stefan Stieglitz, Wirtschaftsinformatik-Professor an der Universität Münster leitet das Forschungsprojekt «Analyse von Diskursen in Social Media». Das Projekt verbindet die Kompetenzen der Wirtschaftsinformatik mit jenen der Computerlinguistik. Denn zuerst werden die grossen Datenmengen gesammelt und strukturiert. Danach werden die Stimmungen und Diskursqualitäten analysiert. Anhand einer Datenbank mit emotionalen Ausdrücken untersuchen Algorithmen Textpassagen, seien dies Tweets, Facebook-Statusmeldungen oder Kommentare in Foren.

Der IBM Social Sentiment Index ermöglicht es ebenfalls, basierend auf der Messung von Stimmungen, die Präferenzen der Verbraucher, Markttrends und Markenbekanntheit zu verstehen. Speziell: Die Software kann zwischen Sarkasmus und Ernsthaftigkeit unterscheiden. Mit einer Priorisierung der Kommentare nach Wichtigkeit können Meinungen von Beeinflussern vom Grundrauschen unterschieden werden. Durch die Sentiment-Analyse erstellt IBM sogenannte Real-Time-Snapshots der öffentlichen Meinung.

Die Social Sentiment Analysis basiert also auf dem Sammeln von Daten und der Analyse mit Algorithmen. Die Tools sind zudem lernfähig und erweitern mit jeder Analyse und ihr Wissen, damit sie Stimmungen bei Texten noch exakter herausfiltern können. Mit diesem Text Mining, dem Zurückgreifen auf Textarchive und deren Weiterentwicklung, passt sich das Tool auch auf gesellschaftliche Veränderungen an. Es lernt aus dem aktuellen Sprachgebrauch. Einen Einblick in die Funktionsweise gibt auch das Sentiment Analysis Model von Google.

Vielseitiger Gradmesser
Rating, Trends, Themenvorschau: Die Einsatzmöglichkeiten der Social Sentiment Analysis sind breit. Zu wissen, was die Zielgruppe meint und fühlt, ist nützlich und verlockend. Naheliegend ist es zum Beispiel in diesen Tätigkeitsfeldern:

  • In der Politik sind Wahlprognosen bekannt, bei den Präsidentschaftswahlen wurde ein Tool von SAP eingesetzt. Doch auch im kleineren Rahmen haben Politiker Einblick in die Wirkung ihrer Tätigkeiten, zum Beispiel nach einem öffentlichen Auftritt auf einem Podium. Die Zuhörer äussern sich auf den sozialen Kanälen und der Politiker weiss so, was über ihn gesagt wird. Sein Auftritt wird direkt ausgewertet.
  • Gerade die Echtzeitanalyse besitzt grosses Potenzial im öffentlichen Verkehr oder in der Flugbranche.
  • Mit der Auswertung von Markttrends und Bedürfnissen ergeben sich ganz neue Möglichkeiten in der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung.

Alle Unternehmen können durch die Social Sentiment Analysis nicht nur zuhören, sondern auch Auswerten.

Die Grenzen von Social Sentiment Analysis
Ironie ist schwer auszuwerten – der Kontext fehlt dazu. Nicht alle Tools sind schon dazu fähig. Offen ist auch die Auswertung der Interpunktion. Ein Komma kann einen Satz komplett ändern. Zum Beispiel hier:

Komm, wir essen, Opa.
Komm, wir essen Opa.

Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.
Der brave Mann denkt an sich, selbst zuletzt.

Verglichen mit einer Bevölkerungsumfrage ist die Social Sentiment Analysis enorm schnell. Aus meiner Sicht ungeklärt bleibt die Gewichtung und Priorisierung von Äusserungen. Denn sie geschehen auf den sozialen Medien freiwillig und dadurch zufällig. Das ist vergleichbar mit einem freiwilligen Feedbackformular – füllt man dieses nur aus, wenn es schlecht war? Oder nur um Lob zu platzieren? Oder halten sich beide Seiten die Waage? Eine repräsentative Stichprobe ist auf den sozialen Netzwerken nicht gegeben.

Bitte verwerten
Wissen, was seine Zielgruppe meint und fühlt – ein mächtiges Werkzeug für die Evaluation und Weiterentwicklung. Es hilft den Unternehmen, besser zuzuhören und das Gehörte einordnen und werten zu können. Aus Kundensicht ist es entscheidend, dass das Unternehmen die Erkenntnisse auch in die zukünftige Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen einfliessen lässt.

Weiterführende Links
– alle bernetblog-Artikel der Serie «Was ist eigentlich…:?»
– Bernetblog Beitrag «Social Media Monitoring: Aktive Zuhören statt belauschen» 
– Bernetblog Beitrag «Big Data: Vor lauter Sammeln das Fragen nicht vergessen»
– Artikel «Stimmungsanalyse im Netz: Wie Algorithmen unsere Emotionen auswerten» in der bz Basel
IBM Social Sentiment Index

 

 

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