Neulich habe ich mich mit Bruno Giussani über Blogger und Journalisten unterhalten. «Schweizer Journalisten sehen Blogger in zwei Kategorien: Entweder als Jugendliche im Pyjama, die für ihre Freunde schreiben. Oder als Menschen, die eigentlich lieber Journalisten wären.»
Ähnlich schwarz-weiss kann man aus meiner Sicht die Schweizer PR-Fachleute einteilen. Bös gesagt sind Blogger für viele entweder seltsame Schreiber die für seltsame Zielgruppen arbeiten – oder anonyme Nestbeschmutzer.
Ich sag ja jetzt auch gar nicht, wer recht hat. All die gegenwärtigen Einschätzungen zeigen, wie man versucht, ein Phänomen einzuschätzen, das sich entwickelt. Wo niemand so richtig weiss, wohin es jetzt geht. Tja, da lohnt sich wieder mal ein Blick in die USA. Ich sag ja auch nicht, dass alles von dort zu uns kommt. Aber dieser Artikel (Link funktioniert bis 19. September) zeigt sehr schön, wohin es gehen könnte.
Erstens: Blogger werden wie Journalisten behandelt. Erst seit diesem Jahr. Und nur, wenn sie keine eigenen Fotos auf der eigenen Seite haben, wie ein PR-Beauftragter meint, der Blogs scannt und entscheidet, welche zu den Medienkonferenzen eingeladen werden. Wir werden unsere Fotos demnächst abmontieren, denn schliesslich arbeiten wir im bernetblog auch daran, an die nächste Modeschau eingeladen zu werden.
Zweitens: PR-Abteilungen verfolgen Blogs im ganz normalen Medienmonitoring. Das Pressebüro für Jill Stuart hat einen Mitarbeitenden voll auf die Analyse von Blogs bezüglich Berichterstattung ausgerichtet. Denn das Lesen und dauernde Selektieren der wichtigsten, sprich gelesenen Weblogs ist aufwändig.
Die Leserzahlen in den USA sind natürlich astronomisch hoch, im Vergleich zum deutschsprachigen Europa. PerezHilton.com komme auf 40 Mio Besuche pro Monat – die Autorin ist auch absichtlich frech, das gibt Traffic. Gemäss WSJ hat sie ein Bild von Karl Lagerfeld mit der Legende «Unkle Karl and the case of the Male Menopause» versehen. Komisch – den Designer Menopause kenne ich gar nicht.
Drittens: Es etablieren sich Plattformen (oder sie versuchens zumindest) wie GlamCentral. Sie wollen ein Verzeichnis aller Blogs in einem bestimmten Bereich – hier Glamour, Celebrities, Fashion – sein. Mit weiterführenden Bewertungen als sie Technorati anbietet, zum Beispiel „meistgelesen“, „meistverlinkt“ und „meistkommentiert“. Wurde eben erst gestartet, für mich siehts aber gar nicht übersichtlich und instruktiv aus. Na ja, auf alle Fälle werden wir den bernetblog doch anmelden – Dominik meint unter „Beauty“, ich schlage «Shopping» vor. Swiss PR consulting with cheese und chocolate oder so.
Also – mal rüberblicken über den grossen Teich. Und dranbleiben an der Schweizer Binnenschiffahrt.
Blogger als Journis:
Ich habe dem Zurich Film Festival vorgeschlagen Blogger zu akkreditieren. Die fanden das ne tolle Idee… „aber eher für nächstes Jahr.“ Schade drum.
Thematische Verzeichnisse:
Ich würde sagen als PR Agentur müsstet ihr euch unter „Beauty Shopping“ eintragen 😉
Mir fällt zumindest auf, dass Presseabteilungen und auch PR-Agenturen immer „besser“ auf Blogger reagieren. Hiess es vor einem Jahr noch, dass ich mich, da nicht Journalist, nicht an die Pressestelle zu wenden hätte, sieht das heute schon ganz anders aus. Das ganze macht also Fortschritte, wenn auch eher langsame.
Was Daniels Bemerkung betreffend „nächstes Jahr“ betrifft: Das habe ich auch schon mehrfach gehört. Wenn ich dann aber nach einem Jahr wieder nachfrage, heisst es immer noch „nächstes Jahr“. Fragt sich nur, auf was denn genau gewartet wird…
@bloggingtom: aber wenn man bei dir nachliest, sieht man, dass du zumindest schon an interessante medien-anlässe eingeladen wirst. wie gehst du eigentlich vor, wenn du darüber schreibst? sagst du was vom anlass? (womit ich nicht sagen will, dass du das müsstest. denn viele printjournalisten tuns ja auch nicht.) waren printjournalisten an den anlässen dabei?
@Marcel: Ich denke es ist, speziell in Blogs, wichtig, offenzulegen, dass man zu einem Anlass eingeladen wurde, denn nur so kann man sich als Blogger die Glaubwürdigkeit erhalten. Gerade in Zeiten, wo Bloggern z.T. schon Käuflichkeit unterstellt wird, kann eine solche „Offenherzigkeit“ nur nützlich sein.
Bis heute ist es so, dass ich pro-aktiv auf die Firmen zugehen muss, um allenfalls eingeladen zu werden. Ich muss mich also aktiv bemühen, was die Sache manchmal etwas schwierig macht. Gerade dabei mache ich dann meist die verschiedensten Erfahrungen mit den Presseabteilungen oder PR-Agenturen. Immerhin stelle ich fest, dass das Wissen über Blogs im allgemeinen und offenbar auch über die Relevanz der einzelnen Blogs bei den Verantwortlichen ständig steigt.
Da ich ja ganz „normal“ zu „Presseevents“ eingeladen werde (oder mich eben aktiv darum bemühe), sind meist auch Printjournalisten dabei. Dabei kommt dann auch immer wieder zum Ausdruck, dass die meisten Journalisten Blogs bzw. Bloggern gar nicht unbedingt negativ gegenüberstehen, wie das in letzter Zeit öfters zu hören oder zu lesen war. Allerdings scheinen viele Presseleute Mühe damit zu haben, das Artikel in Blogs meist nicht ganz so neutral verfasst werden, wie diejenigen in den Printmedien. Wie neutral Artikel in Printmedien aber umgekehrt wirklich sind, wär dann eine ganz andere Frage 😉
Nachtrag: Gleich noch ein Beispiel eines Unternehmens, das nichts mit Blogs und dergleichen zu tun haben will, bzw. sich denen gegenüber nicht äussert:
Auf meine Nachfrage bei der Migros betreffend der Davidoff-Produktefälschungen, die der Konzern in seinen Regalen verkauft hat, äussert sich Monika Weibel, Mediensprecherin des Migros Genossenschafts-Bund wie folgt:
Es gibt also nach wie vor viel zu tun 😉
Im Kulturbereich ist man in der Schweiz offenbar schon weiter, als bei Unternehmen: Ob die weltgrösste Auktion von Chagall-Bildern in Bern, die einmalige Ausstellung der kostbaren Fabergé-Eier in Zürich oder jetzt gerade die Chagall-Ausstellung in Zürich – eine E-Mail und danach ein Anruf genügen nach meiner bisherigen Erfahrung. Die entsprechenden Pressestellen reagierten sehr freundlich bis zuvorkommend.
Dasselbe gilt für die (Politik-)Wissenschaft: Ich habe bis jetzt jedes Manuskript (teilweise auch vor der offiziellen Publikation) anstandslos erhalten und durfte daraus nach Belieben zitieren.
Jürg
Frage: Warum sucht der PR-Fachmann nur Blogger aus, die auf ihren Blogs keine eigenen Bilder haben? Ich hätte dann ohnehin keine Chance. Egal. Hätte mich nur interessiert.
In den USA werden – entsprechend bekannte – Blogger von PR-Seite längst entsprechend „mitgedacht“ bzw. eingebunden. Bei den Conventions der Parteien zum Beispiel. Grüße aus Österreich!
Ich denke, die Betonung liegt auf EIGENE Bilder. Die Medienstellen und PR-Agenturen sehen lieber ihre eigenen Bilder veröffentlicht, die von einem meist teuren und hoffentlich guten Fotografen oft lange im Voraus gemacht wurden, als das Foto eines Bloggers von einer Medienkonferenz.
Die Fotografen werden übrigens oft noch „schlimmer“ behandelt, als die Blogger. Kürzlich an einem Medienanlass gehört (Kein Witz, Ehrenwort!): „Junger Mann, könnten Sie nicht rumknipsen, wenn wir fertig sind?“ – – – Der „junge Mann“ und „Knipser“ war geschätzte 45 Jahre alt und ein Top-Profi von Keystone…
Ja das kenne ich. Da gehen die Wogen ganz schnell ganz hoch. Da geht es dann wirklich beinhart darum, wer hat das größte Teleobjeketiv…
Ich denke auch, dass es bei den Fotos um „selbstgeschossene“ Bilder geht. Allerdings muss ich hier anfügen, dass ich die „selbstgeschossenen“ durchaus gerne sehe, denn sie vermitteln eine gewisse Authenzität (Aha, der hatte das Ding selber in den Händen etc.). Aus PR-Sicht mag dies aber durchaus anders sein (nicht ganz optimale Fotografie, Winkel etc.).
ich verstehe. hab selber oft die pr-brille auf. andererseits: wenn ich blogger zu einem pressegespräch zu einer konferenz, etc. einlade (ich hab das im übrigen noch nie gemacht und ich denke keine andere österreichische pr-agentur), dann muss ich wissen, dass ich „den haufen“ im positiven sinn gesprochen, nicht annähernd so gut in den griff kriegen werde, wie sich das meine auftraggeber wünschen werden bzw. ich es zu können vorgebe. wenn ich mich mit bloggern einlasse, dann muss ich auch von vorne herein sagen, was die aus meinen botschaften machen, wie sie diese verstehen und verarbeiten, das weiß ich nicht. ich meine das gilt selbstverständlich auch für journalisten. bei bloggern ist die sache jedoch ungleich komplizierter