Synthetische Empathie: Verstehst du mich – oder tust du nur so?

«Ich verstehe Sie gut!» Der Satz kommt schnell und freundlich, von einer natürlich klingenden KI-Stimme. Doch was heisst hier verstehen? Was bedeutet es, wenn Maschinen ihr Mitgefühl ausdrücken, ohne es wirklich zu fühlen? Synthetische oder künstliche Empathie kann irritieren, faszinieren, Vertrauen schaffen oder zerstören. Wie sollen wir als Kommunikationsfachleute damit umgehen?
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Synthetische Empathie beschreibt die Fähigkeit von KI-Systemen, emotionale Zustände zu erkennen, darauf zu reagieren und Empathie zu simulieren. Basis dafür sind Algorithmen, die Tonfall, Mimik, Wortwahl oder Textinhalte analysieren und mit einem vordefinierten emotionalen Reaktionsmuster beantworten. KI erkennt Muster und reagiert auf den Kontext.

Empathie als Code – was bedeutet das?

Mit den Möglichkeiten der empathischen KI-Reaktionen eröffnet sich ein weiteres Feld, das die Diskussion rund um KI weiterführt. Denn mit künstlich erzeugter Empathie entsteht eine paradoxe Situation: Die Kommunikation wirkt zwar menschlich, sie ist aber technisch. Dies rüttelt am Verständnis menschlicher Kommunikation und führt zu ethischen und gesellschaftlichen Themen: Wie zeigen wir menschliche Nähe, Anteilnahme, wie fühlen wir mit? Wollen oder brauchen wir als Gesellschaft technische Reaktionen auf unsere Gefühle, oder in welchen Rahmen wollen wir das zulassen oder könnte es sogar sinnvoll sein? Einige Beispiele:

  • Pflege älterer Menschen: Sollen empathisch wirkende Pflegeassistenten eingesetzt werden, um Vereinsamung zu lindern – auch wenn sie echte Gefühle nur simulieren?
  • Kinderbetreuung: Was bedeutet es für die emotionale Entwicklung von Kindern, wenn Zuwendung durch KI «nachgeahmt» wird?
  • Psychische Gesundheit: Kann KI in Krisensituationen erste Hilfe leisten – oder wiegt die Illusion echter Anteilnahme schwerer als der Nutzen?
  • Gesundheitskommunikation: Sollte eine KI empathisch formulieren, wenn sie Diagnosen oder schlechte Nachrichten übermittelt?

Analyse und Anteilnahme – und das Dazwischen

Kommunikation zwischen Menschen ist mehr als der Inhalt, der vermittelt wird. Es ist das Wahrnehmen des Gegenübers mit den weit über das Wording hinausgehenden Aspekten der Kommunikation. Es ist auch Irritation, Nichtverstehen, Ambivalenz. KI analysiert nach einem vorgegebenen Muster und beantwortet nach diesem. Sie strebt nach Effizienz, Klarheit und Lösungen.

Menschliche Werte in synthetischen Kontexten bewahren

Klar ist: synthetische Empathie wird nicht verschwinden, sondern sich weiterentwickeln. Die Frage ist also nicht, ob wir mit KI kommunizieren, sondern wie bewusst wir es tun. Fachleute haben hier eine zentrale Rolle: Sie können menschliche Werte in technologische Kontexte tragen und dafür sorgen, dass der Begriff «Empathie» nicht zur blossen Funktion verkommt.

Zwischen Effizienz und Echtheit: Neue Rollen für Kommunikationsprofis

In der Kommunikation bringt das Thema synthetische Empathie neue Anforderungen mit sich:

  • Menschen müssen wissen, ob sie mit einer KI oder einem Menschen sprechen. In sensiblen Kontexten wie Gesundheitskommunikation, HR oder Krisensituationen ist diese Unterscheidung essenziell. Unklare Rollen können Vertrauen untergraben.
  • Wenn KI als empathischer Gesprächspartner eingesetzt wird, muss der Kommunikationsprozess bewusst gestaltet werden. Es braucht eine Balance aus Effizienz, Automatisierung und echtem menschlichem Kontakt dort, wo er unverzichtbar ist.
  • Kommunikator:innen sollten sich nicht darauf fokussieren, KI «menschlicher» zu machen. Sie sollen menschliche Kommunikation bewusster leben. Zuhören, Ambivalenz aushalten, Schweigen oder Unsicherheit zulassen – Fähigkeiten, die nicht automatisiert werden können. 
  • Synthetische Empathie kann keine Geschichte mitfühlen. Aber sie kann sie nacherzählen. Die Verbindung zu echten Erfahrungen, Emotionen und Brüchen im Lebenslauf bleibt Aufgabe von Menschen. Hier bietet Storytelling die Möglichkeit, emotionales Verstehen zu transportieren – jenseits automatisierter Skripte. 

Synthetische Empathie bewusst einsetzen und menschlich bleiben

Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit synthetischer Empathie ist also, wie wir damit umgehen (lernen). Für Kommunikationsprofis heisst das, sie bewusst einsetzen, wahrnehmen und entscheiden, was es im jeweiligen Fall wirklich gebraucht wird. Vielleicht liegt unsere neue kommunikative Verantwortung darin, Menschlichkeit nicht zu ersetzen, sondern bewusst zu bewahren.

PS: Ideenfindung mit Unterstützung eines KI-Sprachmodells.

Weiterführend:

Mit diesem Beitrag verabschiede ich mich von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser des bernetblogs. Ich bedanke ich mich für Ihr Interesse – und wer weiss, wo wir uns wieder begegnen. Weiterhin viel Spass beim Lesen und alles Gute!

Foto von The Cleveland Museum of Art auf Unsplash

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  • Für mich ist es wie Veganer Käse, es ist nicht Käse, es ist ein künstlich hergestelltes Produkt. Es mag geschmacklich ähnlich wirken, man kann es sich sogar einbilden, aber es ist definitiv kein Käse.

    • Ein interessanter Vergleich – danke dafür! Er wirft die zentrale Frage auf: was macht echte Empathie aus? Reicht die Wirkung auf den Empfänger, oder braucht es eine authentische menschliche Quelle? Genau darüber sollten wir weiter diskutieren!