Vor genau einem Jahr haben wir auf den Podcast von Arnold Schwarzenegger hingewiesen – in unserem Anstoss-Newsletter vom Juli 05 nachzulesen. Und letzte Woche habe ich mir Zeit genommen, den Video-Podcast von Angela Merkel näher anzuschauen. Dazu konnte ich mit Dr. Wolfgang Stock von der produzierenden Agentur RCC Public Affairs ein Interview führen.
Wichtigstes Fazit aus meiner Sicht: Der Weg direkt zu den Zielgruppen ist eröffnet. Und zwar vorbei an den etablierten Medien-Monopolen. Wenn Sie das notwendige Geld, die notwendige Popularität und den Content dafür haben, dann müssen Sie nicht mehr ZDF, ARD oder SF1 fragen, ob Sie eine Ansprache veröffentlichen dürfen. Sie tuns gleich selbst. Und erreichen damit rund 40’000 Downloads pro Woche mit einer leicht höheren Zahl von Kontakten, wenn die Filme rumgezeigt werden.
Das Geld: Die Bundesregierung gibt die externen Kosten für die ersten vier Podcasts mit insgesamt 26’000 Euro an. Es ist nicht klar, was alles in diesem Preis enthalten ist.
Die Popularität: Geld alleine machts nicht aus. Ebenso wichtig ist die Lust der Downloader am Klick. Hier hilft Popularität – die man eben immer noch am besten über die traditionellen Massenmedien erreicht. Angela Merkel steht hier in einer Pole Position, Arnold Schwarzenegger auch. Alinghi ebenso, die FIFA mit ihrer WM. Wenn Sie populär sind, dann evaluieren Sie Video-Podcasting. Der Trend hat eben erst begonnen.
Der Content: Entscheidend ist ein starkes redaktionelles Konzept. Angela Merkel will wöchentlich an die interessierten Direkt-Zielgruppen gelangen. Dem ersten Beitrag sieht man an, dass er gerade mal schnell auf den WM-Start fertig gestellt wurde. Ab Nummer zwei ists weniger langweilig. Wenn Ihr CEO beim Teamanlass kein Reisser ist, dann ist ers auch nicht auf Ihrem Video-Podcast. Angela Merkel nutzt die Chance, aktuelle Themen nochmals ungefiltert von ihrer Seite ans Publikum zu bringen. Das wirkt dann trotz Teleprompter-Einsatz, interessanten Hintergrund-Wechseln und eingeblendeten Grafiken immer noch wie eine Regierungsansprache. Die Länge der Beiträge ist optimal, die Dramaturgie angepasst. Ich glaube, dass Angela Merkel zu wenig Zusatznutzen für eine langfristige Abonnenten-Bindung bieten kann. Gerade bei jungen Zielgruppen, die zu den ersten gehören, die sich Videos auf Handys und iPods laden. Da haben zum Bespiel Alinghi, Nike, die FIFA interessanteren Inhalt. Hier der Link zur Fussball-Sektion von Nike, wo man unter JogaTV die clever gemachten Fussball-Videopodcasts von Nike findet. Ich habe sie mir aus iTunes abonniert.
Die Technik: Gemäss Wolfgang Stock kommen mehr Downloads direkt über die Website http://www.bundeskanzlerin.de/, obwohl der Podcast auch auf iTunes platziert ist und es dort in die Top-Downloads geschafft hat. Beim Download des mp4-Files versagt mein Safari-Browser, ebenso bei RealPlayer. Sehr gut funktionierts über Windows Media Player. Aufwändig ist das erste Einrichten und Austesten aller Formate und Files für alle Browser und Mediaplayer. Steht die Distribution erst mal, dann wirds einfach.
Das Echo: Der erste Beitrag hat über 200’000 Downloads gebracht, dann sackte die Zahl runter auf heute 30’000 bis 40’000 pro Woche. Rund 150 E-Mails gingen pro Tag ein als Reaktion auf die ersten zwei Video-Podcasts. Sie werden von einer spezialisierten Stelle im Bundeskanzleramt beantwortet.
Wolfgang Stock in einem medienhandbuch.de-Interview zum Thema: «Video-on-demand gehört die Zukunft, das ist für mich klar. Nach dem Video-iPod wird das Handy-TV den endgültigen Durchbruch bringen. In Asien haben wir schon durchschnittliche tägliche Nutzungszeiten von 40 Minuten.» Übrigens wird der Auftrag vom Bundeskanzleramt nach den ersten vier Ausgaben neu ausgeschrieben, RCC bewirbt sich natürlich auch.