Blogger im Profil: Jürg «Krusenstern» Vollmer

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jürg vollmer, porträt sw1.jpgEs gibt offenbar immer noch Leser, die einen Text über 1000 Worte lesen. Leser, die von der News-Trinität Irak – Amerika – Israel genug haben und glauben, dass die Zukunft von Europa in Russland liegt. Seit rund einem halben Jahr gibt es für sie ein Blog:«Krusenstern». Unser Interview mit dem Autor Jürg Vollmer.

Wieso bloggen Sie? «Eigentlich wollte ich für meinen Arbeitgeber die Möglichkeiten eines Corporate Blog testen und habe deswegen ein privates Blog als „Spielwiese“ eröffnet. Als Thema suchte ich mir die beiden grössten Länder Europas aus, die Russische Föderation und die Ukraine.»

Woher kommt Ihre Affinität zu Russland und der Ukraine?
«Ich arbeitete für ein Hilfswerk in der Ukraine, Stichwort Tschernobyl und seine Folgen. Um die schlimmen Bilder zu verarbeiten, reiste ich danach auf die Krim-Halbinsel am Schwarzen Meer. Es kam, wie es kommen musste: Ich habe mich in die Hafenstadt Sewastopol verliebt – und in eine charmante Kunsthistorikerin, mit der ich mittlerweile glücklich verheiratet bin.
Im Melting Pot der Krim-Halbinsel leben Russen, Ukrainer, Tataren – ja seit 200 Jahren auch ausgewanderte Krim-Deutsche und -Schweizer. Ich möchte die Kultur und die Sprache meiner Familie kennen und verstehen lernen. Deshalb lese ich wieder Dostojewskj, suche Zeitungsmeldungen aus der Russischen Föderation und der Ukraine, lese jedes neue Buch zum Thema und lerne natürlich Russisch.»

Und welche Rolle spielt dabei Ihr Weblog? «Beim Lesen und Reisen habe ich mein Notizbuch mit Wissenswertem gefüllt – bis ich entdeckte, dass das Weblog ein geniales „virtuelles Moleskine-Notizbuch“ ist: Zitate aus Büchern und Zeitungen, Notizen von meinen Reisen, Tipps für die länderübergreifende Bürokratie – es gibt nichts, was man mit einem Weblog nicht festhalten könnte.»

Wie sind Sie auf den Namen „Krusenstern“ gekommen? «Auch wenn mein Weblog nur Spass machen soll, kein Geld kostet und kein Geld einbringen muss, Inhalt und Auftritt müssen professionell sein. Bei der Namensgebung habe ich darauf geachtet, dass der Name in Deutsch und Russisch gleich ausgesprochen wird und einfach zu schreiben ist. Er signalisiert, dass ich mit dem Blog neue Orte erforschen möchte, neue Menschen kennen lernen und neue Ideen finden. So habe ich Admiral Krusenstern entdeckt, der die erste russische Weltumseglung durchführte. Nach ihm ist ein stolzes Viermast-Segelschiff benannt, das heute mit 250 Kadetten an Bord als Ausbildungsschiff unter russischer Flagge segelt. Krusenstern * Крузенштерн ist prägnant, unverwechselbar und hat eine positive Ausstrahlung.»

Ihre wichtigste Erfahrung? «Dass sich im Dialog die russischen und ukrainischen Auswanderer in der Schweiz zurückhalten, ist erklärbar. Sich öffentlich zu exponieren, gehört nicht gerade zu den herausragenden russischen Eigenschaften. Herausragende Köpfe wurden (und werden teilweise heute noch) oft um denselben verkürzt – oder nach Sibirien geschickt. Privat bekomme ich aber spannende Rückmeldungen.»

Ihr grösster Wunsch? «’Die Brüder Karamasow‘ von Dostojewski im Original lesen und verstehen. Fragt mich in fünf Jahren wieder!»

Soweit das Interview. Mein erster persönlicher Eindruck: Gut gemacht, Jürg! Ungewöhnlich lange Texte, die aber ihre Leser zu finden scheinen. Schön gestalteter Blog mit leicht nostalgischem Touch, guten journalistischen Texten und einem «special interest»-Ansatz. Ich werde «Krusenstern» im Auge behalten!

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