In den USA vermarkten die Fernsehstationen ihre Inhalte sehr aggressiv auf dem Web – vorwiegend auf eigenen Web-Portalen. Jetzt überrascht CBS die Konkurrenz mit der neu lancierten Zusammenarbeit mit möglichst vielen Fremdportalen im Videobereich, wie das Wall Street Journal berichtet. Wo bleibt iTunes?
Gestern hat Sophie gerade noch über das Schweizer Fernsehen im Web berichtet, heute morgen lese ich im Wall Street Journal einen interessanten Artikel (Link dürfte bis 20. Mai funktionieren) über die vergleichbare Szene in den USA. Hier schockt CBS die TV-Konkurrenz mit einem Alleingang: Ab jetzt will die grosse TV-Station ihre Inhalte über eine ganze Reihe von Partnerportalen vertreiben.
Quincy Smith, der Leiter von CBS Interactive bringt aus meiner Sicht das Killerzitat für die ganze Problematik Medieninhalte auf dem Web: «Wir können nicht voraussetzen, dass die Konsumenten zu uns kommen – das ist arrogant für ein Medienunternehmen.»
Auch CBS war eine Weile arrogant – aber das eigene Web-Portal mit der Bezeichnung «Innertube» lief nie richtig. Das könne damit zusammenhängen, dass CBS ein eher älteres Zuschauersegment anziehe, das weniger Web-orientiert sei. Und es fällt CBS ein wenig leichter, nicht mehr arrogant zu sein, als den Konkurrenz-Stationen – die sind nämlich stärker mit Kabelbetreibern verkabelt, das heisst an solchen beteiligt. Und auch die sehen es gar nicht gern, wenn man Inhalte an ihnen vorbei verteilt.
Was die US-Branche erstaunt: CBS verzichtet auf die eigene Plattform und arbeitet mit zehn verschiedenen Web-Portalen zusammen. Darunter viele kleinere Startups wie Joost oder Veoh Networks – aber auch Grössen wie AOL. ABC setzt weiterhin auf die eigene Video-Tankstelle abc.com (direkt aufs Video-Portal verlinkt). NBC und Fox spannen zusammen, um YouTube zu konkurrieren; das gemeinsam vorbereitete Portal wird aber die Inhalte weitergeben an AOL, MSN, TV.com, MySpace und Yahoo.
Ach ja – und die Inhalte sind natürlich alle gratis. Ich habe mal kurz bei CBS reingeschaut und eine CSI-Episode auf dem alten Innertube-Portal angeklickt (hier oben rechts auf «Video» klicken, gut versteckt). Die fünf vorgelagerten Werbespots durfte ich anschauen, einer kam gar zweimal (ärgerlich) – und dann wurde der Bildschirm schwarz.
Gemäss Wall Street Journal gehen 90 Prozent dieser Werbe-Einnahmen an CBS, 10 Prozent an die Partner-Portale. Die Werbung verkauft CBS, Agenturen können ein ganzes Paket kaufen und dann je nach Partner-Portal Inserate-Varianten schalten.
Ja, und an der Werbefront entscheidet sich dann natürlich auch der Ausgang dieser Schlacht: Bisher hätten die Media-Agenturen ganz positiv reagiert. Der Kampf um Inhalte ist schlussendlich ganz einfach der Kampf um die Anzahl Leser und verkaufte Werbung. Hier spielen TV-Stationen mit und gegen Web-Portale, von der Suchmaschine über News bis zur Video-Austausch-Plattform.
Gefragt habe ich mich, wo iTunes bleibt in diesen Strategie-Schlachten. Im Juni 2006 wurde angekündigt, das CSI-Episoden für USD 1.99 zum Download angeboten werden. Wo sie dann auf der Festplatte bleiben und gekauft sind, im Gegensatz zu den einmal einsehbaren Online-Portalen. Ob man deshalb für den Content dort weiter bezahlt? Als outside-of-the-United-States kann ich auch bei iTunes nicht checken, ob man für 1.99 eine werbefreie Sendung bekommt.
Wenn es um den Vertrieb von TV-Serien und Kinofilmen im Internet geht, ist das „globale Dorf“ offenbar ein Fremdwort. Wer nicht aus den USA kommt, darf die neuen Episoden nicht sehen. Kein Wunder weichen immer noch genug Leute auf illegale Downloads aus, aber das ist ja ein Thema für sich.
stimmt – dieses abschotten von inhalten ist ein übler teil des ganzen web – von copyright- bis zensur-absichten. übrigens wirklich witzig, dass ich die werbespots gucken durfte (-:
Die 5 Werbespots sieht man normal nicht. Am Anfang kommt dass die Sendung von einer Firma präsentiert wird, danach beginnt die Sendung. Man kann sie sich so oft wie man will anschauen.
Einziges, aber klar vernachlässigbares Manko: Das Video ist nicht ein Stream, sondern in 5 Parts aufgeteilt, (je ca 11-15 minuten), 2-3 der Parts sind jeweils 30 Sek. Werbung. Ich schaue mir grade Jericho an, mir gefällt die Sendung total 😉
@fabian: siehst du das von europa aus? (jericho?) und so wie ich auch den artikel verstanden habe: am anfang wird immer ein werbespot gezeigt (oder vielleicht wurde – auf der noch alten cbs-eigenen plattform)
Ja, von Deutschland aus. Am Anfang wird nicht ein „Spot“ gezeigt, sondern einfach nur eine kurze Einblendung mit der Info dass der folgende Film von z.B. „Advil“ (Schmerztabletten) präsentiert wird.
@fabian:
wie kannst du videos von der cbs-plattform aus deutschland gucken? gibt es ein tool dafür oder einen trick?
ich würde so gerne die daytime dramas von cbs sehen…
Ich trage einfach in die Einstellungen von meinem Browser eine Proxy-IP ein, von einem Server der in den USA steht. Dann denkt der CBS-Server ich komme aus den USA und kann mir ohne Probleme alles anschauen.
Proxies gibts genug im WWW, einfach mal bei Google nach „United States Proxy“ suchen, oder ähnliches.
Hoffe geholfen zu haben!
P.S.: Kann sein dass Du mehrere Proxies ausprobieren musst. Aber irgendeiner funktioniert immer 😉
Sehr interessant, wie sich der TV-Sektor entwickelt. Ich meine, es ist ja eine bewiesene Tatsache, dass die Jugendlichen bereits heute mehr Zeit im Internet verbringen als vor dem Fernseher und trotzdem kenne ich kein professionelles Web-tv-Anbieter. Ich meine, dass ist doch die Chance der New Comer oder nicht? Anstatt sehr viel Geld für die Aufnahme in den Kabelnetz, oder dem Erwerb der Satelittenfrequenzen zu bezahlen, kann man doch sich kostengünstiger ein Webstream aufbauen und mit Sendungen angepasst an seine Zielgruppe jede Menge Zuschauer anziehen. Gerade, weil man ja der erste Sender im Internet ist und deswegen eh schon eine höhere Beachtung erhält. Gibt es TV-Sender die ausschließlich im Internet senden?
@julia: http://ehrensenf.de/ war einer der first-mover in diesem segment. mit viel mut. dann fällt mir noch der elektrische reporter ein : kein eigener kanal aber ein spezielles format, das nur über web verbreitet wird, http://www.elektrischer-reporter.de/. sehr gut gemacht. in diese richtung wirds gehen, dorthin laufen auch alle printverlage mit onlineportalen. und die tv- und radiostationen haben zumindest in der schweiz schnell entdeckt, dass sie ihren content fürs web adaptieren und dort zur verfügung stellen in archiven und podcast-abos.