Online-Leser wollen Zugang, Aktualität – und erst dann Qualität

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mckinsey.pngDas meint auf alle Fälle eine McKinsey-Studie. Heisst das nun definitiv, das Qualität im Journalismus nicht gefragt ist? In diesem Beitrag die Grafik aus der Studie, eine Analyse von Qualitätsjournalist Constantin Seibt im Tages Anzeiger und mein persönliches Orakel.

Die steigende Zahl von Gratiszeitungen in der Schweiz und die Zunahme der Online-Quellen führt immer wieder zur Diskussion: Ist Qualität noch tragbar, noch gefragt? Heute bringt der TA-Cartoonist die aktuelle Anforderung an Journalisten spitz auf den Punkt:

copyright felix schaad tages anzeigerIm (leider nur über den e-Tages-Anzeiger abrufbaren), spannenden Artikel dazu beschreibt Constantin Seibt die aktuelle Befindlichkeit seiner Berufsgattung. Verleger wollen «Das Gleiche billiger, aber besser». Für Recherchen hat niemand mehr Zeit, gefragt sind Blätter mit schnellen Nachrichten, ohne Kommentar. Stimmt dieses Bild der Nachfrage-Seite?

Bei Andreas Göldi habe ich eine McKinsey-Studie über das Medienverhalten der amerikanischen Online-Leser gefunden. Den Volltext gibts gratis gegen eine einfache Registration. Die Befragung erfolgte online, geantwortet haben 2100 Konsumenten und durchgeführt wurde das Ganze im Herbst 2006. Die Auswertung wird erst jetzt veröffentlicht. Die Autoren sind natürlich trotzdem überzeugt, dass die Erkenntnisse aktuell sind.

Wenn man jetzt eben nur die Onliner betrachtet, dann steht Qualität am Schluss – wie diese Grafik zeigt. Ich habe das Original übersetzt, für die englische Beschriftung der Balken einfach registrieren oder bei Andreas Göldi nachschauen.

onlne news praeferenzGrosse Themenauswahl (oder «It covers the most topics») ist für mich eigentlich auch Qualität, auch die Aktualität. Gut, die vier Kriterien Genauigkeit, Analyse, Journalist («I can get a particular reporter whom I like») und Exklusivität sind am stärksten qualitätsbezogen.

Die Onliner sind einfach am kritischsten, was Geschwindigkeit und Zugang anbelangt. Weil sie diesbezüglich auch am meisten verwöhnt sind. Meine These: Mit der zunehmenden Konkurrenzierung von Inhalten wird das schnelle Auffinden und Selektionieren immer wichtiger. Nur so kann ich mein Medien-Zeitbudget optimal einsetzen. Und trotzdem – je grösser die Flut, desto spezifischer werde ich mir Dinge auslesen, die eben doch mit Qualität zu tun haben. Gleichzeitig verändert sich die Wahrnehmung von Qualität immer schneller, sie wird immer subjektiver getroffen, von einem immer heterogeneren, verstreuten Publikum. Qualität kann für mich heissen: Ich lese

1. genau das, was ich will (meine Leibblatt, mein Lieblingsblog, meinen Kolumnisten),
2. genau dann, wann ich will
3. genau wie ich will.

Und in diesen drei Kategorien hat es immer noch Platz für die herkömmliche Definition von Qualitätsjournalismus. Denn vielleicht sind gut recherchierte Hintergrundartikel genau das, was ich unter Punkt 1 auslese. Und vielleicht bin ich genau dann in einer interessanten Zielgruppe.

Die Menge der Inhalte wird weiter zunehmen. Und damit auch der Anteil an billig produziertem Schnellfutter. Aber es gibt weiterhin interessante Nischen, nur wechseln die dauernd ihren Standort. Das macht den Job für Medienanbieter auf allen Kanälen so anspruchsvoll.

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  • Bei mir spielt Qualität schon noch eine Rolle. Jedoch habe ich nicht (mehr) die Zeit, mich eingehend mit jedem Thema bis ins kleinste Detail zu beschäftigen. Sprich: Ich informiere mich über Gratiszeitungen, Internet, TV über das Tagesgeschehen nach dem Motto „kurz & kompakt“ und für jene Themen, welche mich besonders interessieren, schaue ich mir dann noch die Hintergrundinfos an.

    Eine Tageszeitung wie die NZZ oder den Tagesanzeiger kaufe ich jedoch nicht, da die darin enthaltenen Informationen für mich zu 90% irrelevant sind. Die restlichen 10% finde ich auch bei günstigeren Quellen.