Bei mir zu Hause liegt ein kleines blaues Büchlein herum – mit 100 kurzen Geschichten von Wilhelm Schmid. Und dieser Beitrag passt zum ganzen Thema: Wieviel kommunizieren wir eigentlich? Wer sich gerade Zeit nehmen will: Hier mein Beitrag zur Ablenkung.
Das Buch heisst «Die Fülle des Lebens. 100 Fragmente des Glücks» (Amazon-Link). Der Autor und Freie Philosoph Wilhelm Schmid hat unter lebenskunstphilosophie.de eine eigene Website.
«Sie kennen diese Situation: Kaum sprechen Sie zwei, drei Minuten mit jemandem, klingelt (oder wie man das nennen soll) dessen Handy. Oder Ihr eigenes. Gesprächspause. Wo waren wir noch stehen geblieben? Dann sitzen Sie wieder am Schreibtisch, sie vertiefen sich in eine schwierige Frage. Nicht lange, dann reisst das Telefon Sie aus der Konzentration, eine dringende Angelegenheit, jedenfalls für den Anrufenden. Sie checken währenddessen die eingegangenen SMS-Kurzbotschaften und überlegen sich, wann Sie den nächsten break machen, um die zwischenzeitlich aufgelaufenen E-Mails abzuarbeiten, bevor die gewöhnliche Post ansteht. Ein ganz normaler Arbeitstag.
Um gut informiert zu sein, lesen Sie wenigstens eine Tageszeitung, eine Wochenzeitung, ein Fachblatt, ein paar Informationsdienste; Sie schauen auch die Nachrichten im Fernsehen. Trotzdem leben Sie mit dem schlechten Gefühl, dass Sie für jede Information, die sie aufnehmen, hundert andere verpassen. Denn der Tag hat noch immer nur 24 Stunden, ein paar Stunden Schaf sind unentbehrlich, auch ein paar Stunden für sich selbst, die Familie, die Freunde…
Wir gehen unter in den Fluten der Information und Kommunikation, lassen unsererseits auch andere untergehen und rauben uns wechselseitig wertvolle Lebenszeit.
«Kommunikatives Handeln», das war eine gute Idee. Aber jetzt heisst es nur noch, mittels Kommunikation das lästige Handeln dem jeweils Anderen aufzubürden. Ein Grundsatz stösst damit an seine Grenzen, der uns Jahrzehnte lang geleitet hat: Je mehr Kommunikation, desto besser. Alle glaubten daran, privat wie beruflich. Endlose Anstrengungen, menschliche wie technische, richteten sich darauf. Jetzt aber ist die Kommunikation sinnlos geworden, im vollen Sinne des Wortes: Ständig schneidet sie die Zusammenhänge ab, einen Gesprächsfaden, eine Konzentration, all das, wozu wir gerade eben erst ansetzten.
Wagen wir es, den Grundsatz etwas abzuändern: Je massvoller die Kommunikation, desto besser. Mass heisst: Begrenzung. Daran führt kein Weg vorbei, wenn wir wenigstens gelegentlich noch zur Besinnung kommen wollen. Nicht eine neue Kommunikationsarmut ist erstrebenswert, aber dasjenige Mass, das lebbar ist. Schmerzliche Abstriche werden zu machen sein. Hoffentlich fangen Sie nicht schon beim nächsten Text damit an!»