Communication Summit: Verleger fordern Qualität im Journalismus

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martin_kall.jpgSchizophrenie der Schweizer Verleger-Elite am Communication-Summit 08 im vollbesetzten Auditorium Maximum der ETH Zürich: Nach einer einleitenden Hymne auf das 20minütige Pendlerblatt (Martin Kall, TA-Media) und dessen wirtschaftliche Potenz, beschwören die Podiumsmitglieder einhellig die Qualität im Journalismus.

Der Keynote-Speech von Martin Kall zeigte klar: Bei Strategie-Entscheiden gehen betriebswirtschaftliche Ziele und Rahmenbedingungen immer vor. Viel war von Innovation und Investition die Rede, nie aber von journalistischer Ethik und wenig von der daraus entstehenden Qualität.Diese wurde dafür auf dem Podium gefordert: Springer-Chef (Handelszeitung, Bilanz, Beobachter) Ralph Büchi beklagte die mangelnde Qualität von Nachwuchs-Journalist/innen und wie schwer es sei, gute Leute zu finden. Grund dafür seien u.a. die exorbitant hohen Löhne in der Wirtschaft, namentlich bei den Banken. Die Kommunikationsberaterin Karin Müller regte mit ihrem Hinweis auf den Copy/Paste-Journalismus («Die Inhalte aller Gratisblätter kommen von der gleichen News-Agentur») den Gedanken an, wo denn die gesuchte Qualität Platz fände. Erfrischend auf dem Podium wirkte der Ringier Geschäftsleiter Daniel Pillard, der sich mit welschem Charme auch für Selbstkritik nicht zu schade war und an die Kraft der «guten Geschichte» erinnerte.

Mein Lichtblick auf dem Podium: der Wissenschaftler Martin Eppler (Uni Lugano, bereits in diesem Blogbeitrag erwähnt) sieht die Journalisten auch als Spielball der Verlagsmanager. Dort wo in «Herrenkriegen» (K. Müller) Konkurrenzprodukte (4 Pendlermagazine!) um das Überleben kämpfen, werden ganze Redaktionen «an die Wand gefahren». Journalisten, die mit viel Herzblut ihrem Beruf nachgehen. Eppler erinnert dabei auch an einen Journalismus als (kulturellen) «Wert», als kritische und investigative Denkhaltung, die es für die nächsten Generationen zu pflegen und konservieren gilt. Er sieht hier den News-Junkie, der kritiklos und kontextfrei News-Fragmente konsumiert und da den bewussten medienkompetenten Konsumenten, der sich der Kräfte der Informations-Ökonomie bewusst ist. Und wünscht sich, dass diese Werte und Kompetenzen auch kommenden Generationen weitergereicht werden.

Abschliessend kamen dann erstaunlich wenige und handzahme Fragen und Anregungen aus dem Fachpublikum (Communication Summit wurde zum 7. Mal vom Zürcher Presseverein und der Zürcher PR Gesellschaft ausgetragen) die den teilweise markigen Sprüchen vom Podium wenig entgegen zu halten hatten. So zum Beispiel der Bemerkung von Karin Müller, dass es doch «nur ein verschwindend kleiner Anteil der Medienschaffenden ist, der sich für Gesamtarbeitsverträge einsetze und das seien wohl nicht diejenigen für die guten Journalisten-Jobs.» Aufwachen, Zürcher Presseverein, was meint ihr dazu?Dann gabs Apéro. Ein kurzweiliger und inspirativer Abend (hier der Bericht auf der ZPV-Website und Bilder hier beim ZPRG).

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  • Das übliche Gerede von „Qualitätsjournalismus“. Die „Kraft der guten Geschichte“ (Daniel PiIllard von Ringier). Klingt alles super. Die Realität ist aber eine völlig andere, wie Konsumenten wie Macher wissen. Nur die Verleger offensichtlich nicht.

    Qualität kostet zunächst einmal Geld. Sie kann sogar zu Einnahmenminderungen führen (Inseratenentzug). Es braucht vor allem aber Leute, die Qualität nicht nur umsetzen wollen, sondern auch können. „Gute Geschichten“, wachsen nicht auf Bäumen, geschätzter Daniel Pillard. Es ist ein langer, zäher, teurer und oft lästiger Prozess, jenes Umfeld zu schaffen, wo solche Journalisten gedeiehn, die die geforderten – und gerade in der verfilzten Schweiz notwendigen – Geschichten kontinuierlich liefern können. Dieses Umfeld sehe ich in keinem Schweizer Verlag – nicht einmal mehr bei der NZZ.

    Beispiel: Gestern bestätigte die NZZ, dass sie einen kritischen Kommentar ihres Autors Beat Brenner über die UBS aus Archiven und Datenbanken tilgen liess. Der Kommentar ist keineswegs ehrenrührig, sondern weist sachlich auf Misstände bei der UBS hin, wenn auch ohne die bei diesen Themen NZZ-üblchen Weichspüler-Floskeln.

    Abgesehen davon, dasses absurd ist, im Zeitalter von Internet solche Kommentare ungeschehen machen zu wollen (ist die UBS wirklich so naiv?), wie will denn die NZZ noch ernst genommen werden, wenn sie schon beim geringsten Gegenwind aus obersten Banketagen derart blamabel einknickt?

    Wenn eine Schweizer Zeitung Mumm hätte, würde sie diesen Kommentar von Brenner nachdrucken, mit Quellenhinweis und der Geschichte drum rum. Die leser wären dankbar für diesen Blick hinter die Filzkulisse.

    Dass so etwas nicht geschieht, ist ein Spiegelbild über den Zustand des Schweizer Journalismus. Seine Unabhängigkeit hat er völlig eingebüsst – zu einem erheblichen Teil selbstverschuldet.

    Da wirken Podiumsdiskussionen über die „Qualität im Schweizer Journalismus“ wie lauwarmes Gefasel.

    Bedrückend ist, dass in der anschliessenden Diskussion „nur erstaunlich wenige und handzahme Fragen“ kamen. Da sassen offensichtlich zahlreiche Journalisten und Verlagsleute im Publikum. Auch viele Studenten. Was sind denn das für höseligtöselige Flaschen, wenn sie nicht einmal eine solche Gelegenheit wahrnehmen, um eine ordentliche Diskussion in eigener Sache zu führen!

    Das soll die Zukunft des „Schweizer Qualitätsjournalismus“ sein?