«Corporate Identity» steht seit 1991 in unserer Agenturbibliothek. Gestern abend war der Autor in Zürich zu erleben. Ein inspirierender Vortrag eines erfahrenen Profis, hier seine fünf Thesen zur Zukunft der Markenführung.
Mit dem Anlass verbunden war die Möglichkeit einer Google-Büro-Besichtigung. Mehr darüber in einem späteren Beitrag. MScom Managing Director Nina Volles und ihr Team haben mit dem HarbourClub einen super Anlass auf die Beine gestellt, Gratulation.
Wally Olins ärgert sich – nur kurz
Der Referent entpuppt sich als perfekter Geschichtenerzähler mit einer klaren Meinung und einem grossen Erfahrungsschatz. Olins ist heute Vorsitzender der Saffron Brand Consultants in London und Dozent an verschiedenen Universitäten. Seine Referenzenliste ist beeindruckend. Als Buchautor überzeugt er durch viele Beispiele und starke Bilder, dafür sind die Inhalte etwas weniger stark strukturiert als in anderen Fachpublika- tionen. Sein neues «Brand Handbook» habe ich erst durchstöbert, es kommt aber ähnlich daher wie sein Standardwerk «Corporate Identity».Auch der Vortrag war erstklassig bebildert und mit wirklich interessanten Geschichten illustriert. Sehr gefreut habe ich mich darüber, dass die Folien bereits als Handouts auf den Stühlen lagen, vorbildlich. Es wurde auch fleissig mitgeschrieben, denn es gab ja praktisch nur Bilder zu sehen. Irgendwann im völlig freien Redefluss hörte man ihn dann leicht verärgert einschieben: «Was – Sie haben ja alle die Folien schon erhalten. Da müsste ich mein Zeugs hier gar nicht mehr erzählen. Das habe ich nicht gewusst.» Also wäre er auch einer dieser geheimnisvollen Referenten, die immer alles bis zum Schluss behalten wollen. [Den Link zum Webcast oder Doku baue ich hier ein, sobald bei MScom online.]
Die Zukunft von Marken
Wohin entwickeln sich Markenführung und Corporate Identity in den nächsten zwanzig Jahren? Die Grundlage bleibt für den Markenguru die selbe: «Marken entsprechen seit ihrer Erfindung dem grundlegenden menschlichen Bedürfnis nach Zugehörigkeit.» Die Rolle von Marken für Untenehmen und Produkte wird sich nach Olins in fünf Dimensionen verändern:
1. Multipolarität – neue Produkte aus Asien, Indien, Russland
Es kommt nicht mehr alles entweder aus den USA oder aus Europa. Asiatische Produkte und Markenbilder beeinflussen immer stärker die europäische, amerikanische oder weltweite Kultur. Pokemon oder Yoga haben in keiner Weise etwas zu tun mit westlichen Kulturideen. Olins definiert fünf Zentren dieser Multipolarität: USA, Europa, China, Indien, Russland.
2. Neuer Zeitgeist – Geben ist das neue Kaufen
«Man spricht beim Essen nicht mehr über das neu gekaufte Ferienhaus – sondern über sein nachhaltiges, ökologisches, bewusstes Verhalten.» Ethisches Investieren, bewusstes Verhalten wird zum neuen Statussymbol, für Olins führt der Weg vom «gezeigten Konsum zu gezeigten Mitgefühl». Er glaubt, dass die Finanzkrise diese Entwicklung nicht aufhält, höchstens für kurze Zeit ein wenig verdrängt.
3. Neue Rolle für Unternehmen: Wofür stehen wir?
Nachhaltige Unternehmensausrichtung wird immer wichtiger. Dahinter steht für Olins die zentrale Frage: «Wozu sind wir überhaupt da?» Und zwar über Produkte und Dienstleistungen, Quartalsabschlüsse und Dividenden hinaus. Corporate Social Responsability sei kein Zusatz mehr, sondern werde zur vitalen Kernidee jedes Unternehmens. Die Herausforderung liege darin, das wirklich effizient und nachhaltig zu tun. Den Weg dorthin sieht Olins erstens in einer stärkeren Betonung der Unternehmens-Dachmarke gegenüber allen Produktemarken. Und zweitens in der Zusammenarbeit mit Wohltätigkeits-Organisationen, die bereits eine starke Marke und eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen.
4. Digitaler Raum: Alle Macht den Konsumenten
Das Web verbindet und ermächtigt die Abnehmer von Marken. Ihnen steht viel mehr Information zur Verfügung und sie können in einen direkten Dialog mit den Absendern treten. Olins Fazit: Mit stärkeren Unternehmensmarken müsse man auf diese Entwicklung reagieren. Na ja. Aus meiner Sicht ist hier die Analyse offensichtlich und der Schluss daraus greift zu kurz. Ich denke, dass der Dialog sehr stark auch auf Produkte-Ebene geführt werden muss. Aus unternehmerischer Gesamtsicht muss die Koordination und Ausrichtung aller online-Aktivitäten erfolgen.
5. Ein Gefühl für den Ort: Gib mir eine Heimat
Womit wir beim Anfang der Markengeschichte wären: Zugehörigkeit hat mit Plätzen zu tun. Je stärker wir globalisieren, desto grösser wird das Bedürfnis nach einer lokalen, persönlich erfahrenen Zugehörigkeit. Was ist meine persönliche Marke? Was ist meine Stadt, meine Region, mein Land? Das passte dann für mich auch sehr gut zur eben erfahrenen Google-Bürolandschaft: Hier wird ein Platz kreiert, zu dem man gehört.Das schöne am Vortrag: Wally Olins ist ein Profi, ein sehr guter Verkäufer und ein Brite. Das heisst: Er nimmt sich nicht nur ernst – seine letzte Folie zeigt ihn mit Notizbuch im Liegesessel und der Schlagzeile: «Just a few thoughts, that’s all.»