Unlängst näherte ich mich dem Unterschied (Link) zwischen «Journalisten-Blogger oder Blogger-Journalist» und stolperte dabei über ein gelungenes Beispiel. SF-Nahost- Korrespondent André Marty pflegt mit Hingabe sein Blog über Alltägliches und Hintergründiges aus Israel und Palästina.
André beantwortete mir unsere drei Standard-Fragen der bernetblog-Serie «Blogger im Profil»:
Warum bloggst Du?
Journi, lüpf den Hintern: Die klassischen Medien haben sich zum grossen Teil von der kontinuierlichen, Hintergründe und Alltag anbietenden Berichterstattung über und aus dem nahen Osten verabschiedet; middle east does not sell any longer! Also gilt es, die Interessierten anderweitig zu erreichen. Nötigenfalls mit einem privaten, unabhängig von meinem Arbeitgeber gestalteten Blog. Zudem macht es einen Heidenspass, Unspektakuläres in Worte zu fassen, ohne ständig die kurzen 1Minuten30Sekunden eines „Tagesschau“-Beitrages im Hinterkopf haben zu müssen.
Was ist Deine wichtigste Blogerfahrung?
Dass wir Journalisten noch Einiges zu lernen haben und mit Kritik nicht wirklich umgehen können; meist anonym gehaltene, verletztende bis hasserfüllte Kommentare gilt es ebenso zu akzeptieren wie das Schweigen (hoffentlich) vieler stummer Blog-Leser. Den Crossmedia-Gedanken nicht bloss Verlagsmanagern und deren Taschenrechnern zu überlassen, sondern proaktiv mit Inhalten zu überzeugen – das gilt es zügig zu lernen, wollen wir uns nicht von den Auflagenbolzern überrollen lassen.
Was ist Dein grösster Blogwunsch?
Wünsche? Keine. Ich gehe dagegen von einer schleichenden Niveau-Anpassung resp. Gewöhnung der Crossmedia-Nutzer aus, was mich nicht wirklich beruhigt. Insofern wäre zu hoffen, dass die Qualitätsblogger – und davon gibt es erfreulich viele, auch in der Schweiz – einen möglichst langen Atem haben; länger als die Herren Blog-Manager an den potenten Verlagshaus-Adressen. Und wer weiss: Vielleicht gelingt ja irgendwann einmal ein wirklicher Blogger-Zusammenschluss.
Mein Fazit:
Andrés Blog macht deutlich, dass in der Blogosphäre – abseits der Berichterstattung in «kommerziellen» Programmen – die Nische liegt für die etwas anderen Stories. Allerdings mit der grossen Gefahr, dass diese Art von Journalismus in die«privaten» Blogs der Journis abwandert. Letztere werden dafür (noch) nicht bezahlt. Die vielen zuweilen sehr emotionalen oder «politischen» Kommentare in Andrés Blog sind ein eindrückliches Zeichen für das grosse Interesse am Blick hinter die Kulissen – auf die unverstellten Schauplätze des Alltags.