Mediennutzung im Umbruch – von Spielern und Senioren

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Daniel Süss am HarbourClub Symposium vom 18.11.2008, Foto Dieter SeegerDaniel Süss ist Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, mit Forschungs- schwerpunkt Medienalltag von Kindern und Jugendlichen. «Mediennutzung im Umbruch» war der Arbeitstitel seines Beitrags zum HarcourClub Symposium vom 18. November. Wieso werden Medien genutzt? Wie werden Spiele die Medienlandschaft beeinflussen? Was heisst das für die Kommunikationsbranche?

Prof. Dr. Daniel Süss zeigt sich davon überzeugt, dass Video- und Computerspiele zum zentralen Medium der Zukunft werden. In zwanzig Jahren würde man nicht mehr nach dem Lieblingsfilm fragen, sondern sich über das Lieblings-Spiel unterhalten. Auch wenn dies heute erst bei Kindern und Jugendlichen im Vordergrund stehe, Spiele würden zu  bestimmenden Faktoren für die Mediennutzung der nächsten zwei Generationen.

Gamer sind schnell, sprunghaft, teamorientiert
Aus einer Befragung von 2500 erwachsenen US-Amerikanern gehe hervor, dass das Spielverhalten auch das Verhalten in der Arbeits- und Konsumwelt verändert. Zur Gamer-Generation gehören nach diesen Studien Menschen, die in den achtziger Jahren geboren wurden. Wobei immer mehr auch Erwachsene und Senioren spielen. Die sogenannten Greygamer heben das Durchschnittsalter der erfassten USA-Spieler auf 30 Jahre.

Gamer zeichnen sich in diesen Untersuchungen aus durch hohe Risikobereitschaft, Versuch-und-Irrtum-Strategien, starke soziale Orientierung. Sie sind global ausgerichtet, sehr flexibel, haben einen starken Teamgeist bei niedriger Akzeptanz von Hierarchien. Aber natürlich bringt das virtuelle Spielen auch Eigenheiten mit sich wie hohe Lenkung durch emotionale Signale, schnelles Multitasking ohne vertiefte Analyse, Informiertheits- und Wissensillusionen, grosses Beziehungsnetz bei tiefer Verbindlichkeit, Ungeduld und permanentes Online-Sein als Sucht- und Stressfaktor.

Die Zukunft: Mobiltelefon vor Fernsehen und Internet
Ganz spannend ist der Vergleich der emotionalen Medienbindung in unterschiedlichen Altersgruppen. Auf die Frage, welches Medium unverzichtbar sei, entstehen ganz unterschiedliche Ranglisten. Bei den 15-24jährigen steht das Mobiltelefon an erster Stelle, gefolgt von Fernsehen und Internet. Und bei den 55-64jährigen steht der Fernseher zuoberst, gefolgt von Radio und Zeitungen. Diese Reihenfolge bezieht sich nicht einfach auf die Häufigkeit der Nutzung – sondern auf die Frage der Unverzichtbarkeit. Auch Jugendliche lesen Zeitungen, aber mit einer viel geringeren emotionalen Bindung. Ferien zum Beispiel sind dann im Eimer, wenn die Eltern die Nutzung des Mobiltelefons verbieten. Auf die Zeitung kann man gerne verzichten.

Ich bin, was ich lese
Interessant war für mich wieder mal zu hören, wieso wir eigentlich Medien nutzen. Wir suchen Orientierung und damit eine bessere (scheinbare) Kontrolle der Umwelt, wir wollen animiert, unterhalten werden, strukturieren über die Mediennutzung unseren Alltag und wollen uns über die Medien austauschen – indem wir Personen virtuell begegnen oder über Leserbriefe und Blogkommentare. Medien sind Mittel zur Definition der eigenen Identität. Ein aufschlussreicher Ansatz für meine eigene Mediennutzung – aber auch für die Ausrichtung von Medienprojekten. Wer bin ich? Was will meine Zielgruppe sein?  Tagi- oder ein NZZ-Leser/in? Zu wem gehöre ich? Zu den Surfern oder den Papiertigern? Sieht man mich auf der Leserbrief-Seite oder in der Facts 2.0-Community?

Fazit: Mehr Online, mehr Spiele, Senioren und Papier nicht vergessen
Der Medienforscher hat aus seinen anregenden Ausführungen verschiedene Folgerungen für die Unternehmenskommunikation abgeleitet. Sehr relevant sind aus meiner Sicht:

  • Das Internet gewinnt an Bedeutung, da es als Medium die sozialen Bindungsbedürfnisse am besten beantworten kann. Die Online-Präsenz von Unternehmen wird in Zukunft noch wichtiger.
  • Männliche Jugendliche und zunehmend Erwachsene lassen sich über Spiele viel emotionaler ansprechen. Spielangebote sind in verschiedenen Kontexten, zum Beispiel auch auf Webseiten, zu fördern.
  • Communities sind unverbindlich, sie werden immer zahlreicher. Deshalb tun Organisationen gut daran, verbindliche Beziehungsangebote zu pflegen und zu schaffen.
  • Die Flut an Online-Informationen via Webseiten und E-Mail führt dazu, dass Printprodukte im passenden Rahmen eine sehr positive Beziehungsbotschaft aussenden. Print nicht vernachlässigen, gezielt einsetzen.
  • Die Zukunft gehört aus demografischen Gründen den Senioren. Sie und ihre Medien sind in den Kommunikationsplänen mit hoher Priorität zu berücksichtigen.
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Beiträge

  • Natürlich wird auch das irgendwann kommen, im Grunde ist es jetzt schon da. Auf vielen Webseiten und Foren die allgemein gehalten sind geht die Tendenz bereits in diese Richtung.

    Die Frage ist nur ob es nicht schon lange Mainstream ist? Als ich vor Jahren (in den 90ern) noch zur Uni ging war eines der ersten Kontaktthemen ob man denn auch spielt und was – man denke an den Adventure Virus der in diesen Jahren umging.

    Wo zu Schulzeiten Spieler noch eher ein Nischendasein pflegten und das Spielen, egal ob am PC oder an der Konsole eher ein Nischendasein pflegte war dies bereits Jahre später völlig anders.

    An Beispielen wie GTA IV sieht man auch immer mehr, dass das Thema Spiel schon lange in den Massenmedien angekommen ist, auch bei seriöseren Sendern, die sich sonst nicht diesem Thema widmen und dass sogar in den Nachrichten und nicht nur als Problemfall in Spätsendungen.