Morgen Dienstag wird er sein Amt antreten, seit Tagen ist er auf allen Kanälen präsent. Barack Obama setzt die integrierte Kommunikationsarbeit fort. Inszenierung gehört zur Führung. Mal mehr, mal weniger.
Überrascht hat mich letzten Donnerstag die NY Times. Sie lädt mich über mein Mail-Newsabo dazu ein, die ganze Inauguration live zu erleben, meine Bilder hochzuladen, Kommentare einzugeben, Videos zu sehen. «Wieso der Geschichte zusehen, wenn Sie daran teilnehmen können?» Web 2.0 machts möglich, von Facebook bis Blog. Na ja, mir geht das ein wenig zu weit. Als Kommunikationsprofi schaue ich mir gerne an, wie das abläuft. Aber vielleicht haben wir in zehn Jahren auch in der Schweiz Bundesratswahlen, die mit einer Medienpartnerschaft auf allen Kanälen ausgewertet werden? Hoch genug sind die Einschaltquoten ja schon jetzt.
Es wird gefilmt, geflickert, getweeted
Über den Anlass morgen (oder besser: die Serie von Anlässen bis morgen) wird heftigst publiziert. Die NY Times hat in diesem Blogbeitrag zusammengestellt, was alles läuft: Bei ihr selbst läuft einer der vielen Live-Videostreams, auch Hulu und Joost sind dabei. Current TV beginnt ab 11.30 Lokalzeit mit Live-Twittern, wofür Twitter gleich die Übertragungskapazität ihrer Server verdoppelt hat. Wer weiss, was «Flickeristas» sind? Wohl die, die Photos raufbeamen oder runterladen – sie können sich in einer Washingtoner Bar treffen und sich via Spezial-Flickr und persönlich austauschen. Microsoft baut mit CNN ein dreidimensionales Panorama des Anlasses auf. Dazu kombiniert die Software Photosynth Bilder von Newsagenturen, Medien und Benutzern in ein 3D-Bild. Wer nicht eingeladen ist, kauft sich schöne Kleider für seinen Avatar und besucht einen der Bälle auf Second Life und Wee World. Ja, und es gibt ein Presidential Inaugural Committee’s Web Tool, wo der kommente Präsident Spenden entgegennimmt und zu einer Party im Freundeskreis aufruft. Ach ja, dann wäre da noch die 2009 Presidential Inauguration Guide iPhone Applikation. Mit Tipps und Tricks für alle Anreisenden.
Wer sich einsetzt, setzt sich aus
Schon 1928 schrieb Edward Bernays in seinem Standardwerk «Propaganda»: «Durch Propaganda werde die Rolle des Präsidenten… überhöht und seine Person heroisiert…, ist eine häufig zu hörende Kritik… Aber wie soll man einen Effekt verhindern, der sich offensichtlich mit einer Sehnsucht weiter Bevölkerungsteile deckt?» Hier geht es um die Sehnsucht aller, die aufblicken zu einem Vorbild. Die Inszenierung gehört zur Führung. Erfolg hat sie dann, wenn sie bis hinein zum Kern stimmt. Wenn sie auf Worte auch Taten folgen lässt. Und wenn sie langfristig einer klaren – und aus meiner Sicht eher zurückhaltenden Linie folgt.
Ob Barack Obama der Mann ist, der die Herausforderungen des Moments erfüllt? Ich wünsche es ihm – zum Abschluss noch der Link zu einem interessanten Video der NY Times. Es blickt auf die Inaugurations-Rede, sagt dass es sich dabei als Spezialfall nicht mehr um eine Kampagnen-Rede und noch nicht um eine Regierungsrede handelt. Und die Redenschreiber von J. F. Kennedy und Bill Clinton geben Empfehlungen ab. Die Video-Plattform der Times ist wirklich stark gemacht.
Sogar der Lunch zum Amtsantritt wird online lückenlos dokumentiert, inklusive Rezepte zum Nachkochen:
http://www.latabledhote.ch/2009/01/mittagessen-mit-barack-obama.html