Der Jahresbericht des «Project for Excellence in Journalism» zeichnet ein düsteres Bild für etablierte Zeitungsverlage. Die aus dem reichen Datenmaterial abgeleiteten Thesen öffnen ganz kleine Türchen.
Im letzten Beitrag haben wir die wichtigsten Zahlen zusammengefasst, Profis empfiehlt sich das Eintauchen in die ausgebaute Website mit allen Resultaten. Im Abschnitt «Major Trends» wagen die Autoren Aussagen zu möglichen Entwicklungen, neuen Geschäftsoptionen, sich abzeichnenden Änderungen. Interessant ist die Grundhaltung, die dahinter steht: Sie sehen als Herausforderung für den US-Journalismus kein Auflagen- oder Glaubwürdigkeitsproblem. Die Auflagen bleiben auf Sinkflug, auch die Glaubwürdigkeit nimmt über die Jahre ab (Grafiken im Bericht). Sie liegt US-typisch für TV-News höher als Print – und deutlich über Online-Quellen (anklicken für Vergrösserung):
Des Pudels Kern liegt in der Rentabilitätsfalle. Entstanden durch das Auseinanderdriften von Werbung und News. Eine Auswahl der Folgerungen aus dem Bericht:
1. Neue Finanzierungsmodelle
Die öffentliche Diskussion sei auch in den USA zu stark auf mögliche neue Geldbeschaffungsmodelle beim Nutzer ausgerichtet. Oder dass Stiftungen journalistische Aufgaben finanzieren. Gegen die erste Idee richtet sich die ganze Realität des Web. Und Stiftungen können nur in Nischenbereichen, für Spezialpublikationen wirksame Partner sein. Die Autoren empfehlen den Verlegern das Ausprobieren ganz alternativer Modelle:
a) Kabel-Finanzierungsmodell mit einer Abogebühr, die abgezweigt wird von den monatlichen Surfabos, welche Nutzer sowieso bezahlen. Spannend – da wären wir bei einer Internet-Billag.
b) Aufbau von regionalen Shopping-Sites als Teil der lokalen News-Sites, zusammen mit Detailhändlern aus der Region. Der Schritt von den verlorenen Lokalanzeigen zur Online-Shopping-Plattform mit Zeitungslink – funktioniert vielleicht in den USA mit den riesigen Einzugsgebieten.
c) Abo-finanzierte Nischenangebote für gutsituierte Lesergruppen. Damit sind eigentlich Fachpublikationen gemeint, die weit über News-Elemente hinausgehen, auch Dienstleistungen anbieten. Aufwändig zu bauen und wohl die Richtung, in welche das FAZfinance.net geht, siehe diesen Beitrag.
d) Zusammenarbeit unter Verlegern und Agenturen, um Google als News-Aggregator anzugreifen. Mutig. Wieso tun das die Verleger nicht schon lange? Klar, weil sie immer noch in erster Linie Konkurrenten sind, bis zur Übernahme.
2. Inhalt raustragen statt Leser reinholen
2008 stand für viele Verleger im Zeichen einer verstärkten Anpassung an die (sozialen) Realitäten des Web: Was mit RSS-Abos, vereinzelten Podcasts oder einem E-Mail-Newsletter begann, breitet sich aus in stark verteilte und weiter verteilbare Inhalte. Die eigenen Plattformen werden geöffnet und zusätzlich angeboten auf Facebook oder Twitter. Benutzer sollen sie einfach lesen aber auch weiter verteilen. Zusätzlichen Ertrag bringen diese zusätzlichen Aufwendungen keinen. Die Autoren sehen dahinter eine zunehmende Akzeptanz der Verleger für die unwiderruflichen Realitäten des Webs.
3. Partnerschaft ist angesagt
Wo früher erst Verzweiflung zur Zusammenarbeit führte, weisen heute Kooperationen die besten Zukunftsperspektiven auf. Ehemalige Zeitungsrivalen in Südflorida und Texas teilen heute Teile ihrer Inhalte, Lokalredaktionen von NBC und Fox tauschen Videonews aus, CBS poolt alle Radiostationen auf Yahoo und AOL.
Soweit die aus meiner Sicht für unsere Märkte interessantesten Konklusionen. Ob Partnerschaften oder Übernahmen dazu führen: «Der Wert einer Newsorganisation wird in der Zukunft nicht nur vom Inhalt sondern stärker davon abhängen, wie sie ein aus verschiedenen Informationsquellen ein reichhaltigeres Paket schnürt.»
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