Blogwerk, Post, Stadtwanderer: Erfahrungsberichte

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fliegerWelche Learnings präsentieren zwei Dienstleister und der zweitgrösste Arbeitgeber der Schweiz? Hier ein Querschnitt aus ihren Beiträgen am gestrigen Corporate Blogging Seminar.

Es war ein dichter und sehr produktiver Tag am MAZ, mit interessanten Beiträgen auch aus der Teilnehmerrunde. Von den drei Gastrednern nehme ich folgendes mit:

Peter Hogenkamp: Totgesagte leben länger
Der Gründer und Mitbesitzer von Blogwerk, Blog-Dienstleister und Betreiber von Themenblogs, glaubt an die Zukunft von Blogs. Zwar werden die nicht mehr so heissen oder als Blogs angepriesen. Aber aktuelle, persönlich gefärbte Inhalte mit Dialogfunktion bleiben relevant. In Facebook und Twitter sieht er die im Moment interessanteste Weiterentwicklung der ursprünglichen Blogidee.

Das präsentierte Bye-Bye-Billag-Beispiel zeigte auf, wie Facebook sehr effizient für die schnelle Verbreitung einer Kampagne aufgesetzt wurde. Und zwar von ehrenamtlich tätigen Initianten, die Unterschriften für eine Initiative sammeln gegen diesen Eintreiber von Radio- und Fernsehgebühren. Die Entwicklung der Fan-Zahlen entwickelt sich sehr stark in Zusammenhang mit der Berichterstattung in den klassischen Medien. Heute steht die Hauptgruppe bei 41000 Fans.

Was ich gelernt habe: Domains / Namen für Gruppen und Personen sind auf Facebook nicht eindeutig reservierbar. So kann man also auch weitere Bye-Bye-Billag-Gruppen eröffnen – seltsamerweise gibt es denn auch eine zweite mit knapp 20’000 Fans und etwas anderen Administrator-Namen. Und noch ein paar dazu. Und Facebook lässt Gruppen-Mailversände an maximal 5000 Empfänger zu. Aus beiden Gründen unterhalten die Initianten auch eine eigene Internet-Website auf byebyebillag.ch und sammeln dort fleissig E-Mail-Adressen. Gemäss Peter sind sie dort aber erst bei rund 8’000 Einträgen.

Christian Schenkel, Pascal Lorenzini: Interner Guerilla-Dialog
Christian (mit eigenem Dialogblog) ist verantwortlich für die interne Online-Kommunikation, Pascal für die ganze interne Kommunikation bei der Post. Sie richten sich dreisprachig an 50’000 Mitarbeitende aus 119 Nationen, von denen nur rund die Hälfte mit dem PC arbeitet. Deshalb bleibt Print wichtig. Mit verschiedenen Beispielen zeigten sie auf, wie sich Print und Online kombinieren lassen und wie sie ihr Anliegen eines verstärkten Dialogs Schritt für Schritt umsetzen konnten.

So stellt die monatliche Mitarbeiterzeitung eine «Frage des Monats» – angekündigt auch über die Intranet-News. Antworten werden auf dem Postweg und übers Intranet gesammelt. Dazu kommt ein einfacher Magazin-Blog, wo die Inhalte angerissen sind und natürlich auch die Frage zur Kommentar-Diskussion offen steht. Interessant ist die Grundhaltung von Christian und Pascal: Sie mischen sich nicht in den Dialog ein – Korrekturen sollen durch Gegenmeinungen direkt aus den betroffenen Linien oder von Mitarbeitenden entstehen. Wichtig ist, dass für diesen Dialog von Beginn weg Richtlinien kommuniziert wurden – damit in Extremfällen auf der entsprechenden Basis auch mal ein Kommentar gelöscht werden kann.

Intern durchgekommen sind die beiden mit dem schrittweisen Einbau von Dialogmöglichkeiten und mittlerweile 13 internen Blogs und 12 internen Wikis, weil sie unter anderem nie von Blogs gesprochen haben. Das führe immer zu einer Abwehrhaltung. Wenn sie dagegen «dialogische Online-Kommunikation» vorschlagen, dann fragt das Gegenüber mit grosser Offenheit: Was ist damit gemeint? Ebenso wichtig für ihren Erfolg war ein schrittweises Vorgehen, Austesten verbunden mit einer leisen Guerilla-Taktik. Worauf dann die Resultate das Vorgehen bestätigt haben.

Claude Longchamp: Als Stadtwanderer ins Fernsehen?
Claude habe ich nach einer langen Online-Bekanntschaft zum erstenmal persönlich getroffen, wohl typisch für das Zeitalter der Social Media (-: Er hat in einem kurzen Abriss aufgezeigt, dass der Stadtwanderer-Blog mehr zufällig, aus persönlicher Neugier und Mitteilungslust entstanden ist. Und aus diesem Spieltrieb ist Schritt für Schritt etwas gewachsen, was sehr weite Kreise zieht und heute eingebettet ist in die Gesamtinteressen und Aktivitäten des Meinungsforschers, Dozenten und Historikers.

Zu seinem Blog-Wirkungskreis zählen auch noch zoonpoliticon (Politikwissenschaften) und der kommunikationsblog (gfs Institut). Beide stehen in ihrer Leserschaft weit hinter dem Stadtwanderer, werden aber auf 2010 mit einem Redesign weitergeführt. Den Erfolg des Stadtwanderers führt er auf die kontinuierlich hohe Frequenz von Beiträgen und die breit interessierende Thematik zurück. Beides hat denn auch dazu geführt, dass schon früh in klassischen Medien über ihn berichtet wurde, was den Leserkreis Schritt für Schritt ausgeweitet hat. Bis hin zu einem Fernseh-Interview über die geschichtliche Entwicklung der Schweiz. Welches übrigens heute noch von Schulen bestellt werde und aufgrund des hohen Interesses vielleicht sogar zu einer TV-Sendung führen könnte.

Viele Besucher landen auf dem Stadtwanderer, weil sie bei Google ein Bild suchen. Und dann bleiben sie bei ihm. Obwohl Claude seine Fotos als gar nicht so spektakulär einstuft. Aber er hat gute Ideen, fügt sie laufend ein und versieht sie immer mit einer Bildlegende – die Suchmaschine greift auf den bildnahen Text zurück, um ihre Resultate anzuzeigen.

Claude ist für mich das blendende Beispiel eines motivierten Publizisten. Hinter seinem Erfolg steht viel Fleiss: 21 Minuten wollte er täglich ins Bloggen investieren, heute liegt er bei 61 Minuten. Und weil er so schnell ist, hat er auch gleich heute über seinen maz-Auftritt gebloggt. Danke für die Blumen, Claude.

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Beiträge

  • ciao marcel! nur eine kleine präzisierung zu deinem wunderbaren round-up des gestrigen nachmittags: bei der post teasern wir die inhalte der personalzeitung im intranet an. im zeitungsblog hingegen diskutieren wir ausschliesslich in den beiden kategorien „frage des monats“ und „editorial“. in der zweiten wünschte ich mir massiv mehr dialog. der hat bisher leider auf sich warten lassen, trotz einer unmissverständlichen aufforderung in unserer 1.0-mässigen zeitung 😉

    danke, dass ich dabei sein konnte. war echt interessant. keep going!

  • schöne Idee, „Dialogische Online Kommunikation“. erklärendes Verkaufsargument, dass Vorurteile abbaut, bzw. umgeht. Kompliment an die internen Kommunikatoren von der Post.ch

  • @pascal: so hatte ich es verstanden, war aber wohl zu wenig präzis im schildern. und kann gut verstehen, dass über das editorial nicht viel kommentiert wird – ausser ihr seid dort sehr bissig. editos nehmen ja oft einfach ein wenig bezug auf den inhalt des hefts. dass ihr es anreisst: unbedingt. aber wenn ihr dialog möchtet, müsste man vielleicht einen anderen inhalt online stellen? mit der frage des monats habt ihr auf alle fälle das geeignetste rausgepickt.

  • @marcel: recht hast du. ich benutze das editorial als den ort im blatt, wo ich meine ungeschminkte meinung herausposaunen kann. aber das sehen nicht alle so. wir haben selbst teamintern immer wieder diskussionen darüber… kernfrage ist und bleibt, ob sich jemand einem offenen dialog stellen will oder nicht.

  • @pascal: und wie bei eurem referat rauskam – die soziale kontrolle bei internen blogs ist riesig. man kennt sich. und wir schweizer haben in der regel nicht gerade lust aufs sich-exponieren. ist übrigens die kommentierlaune in der romandie oder im tessin höher?

  • @christian ich würde sagen: in den blogs sind die diven, in den forum die praktiker. oder anders – in foren ist man mehr unter sich, privater; in blogs sucht man ein wenig mehr den auftritt, das licht der vielen, eher anonymen mitleser.

  • ich könnte nicht unterschreiben, dass z.b. die welschen aktiver sind. generell sind sie wohl schon etwas technikaffiner, das hatte ja bereits das alte französische minitel bewiesen. das konnte sich im deutschsprachigen raum nie durchsetzen. aber ich denke, dass in unserem unternehmen schon mehr deutsch dialogisieren (@christian: was für ein wort!) – ganz einfach weil unsere primäre „konzernsprache“ deutsch ist – und es wohl auch bleiben wird.