Medienethik: Der Schweizer Presserat sieht schwarz

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zeitungsleserDie Berichterstattung über den Mord an der 16-jährigen Lucie hat den Schweizer Presserat veranlasst, eine Stellungnahme über die ethische Verantwortung der Medien zu verfassen. Um diese wichtige und hochaktuelle Diskussion auch öffentlich zu lancieren. Gestern Mittag gabs dazu ein spannendes «Tagesgespräch» auf DRS1.

Die Aufgabe des Schweizer Presserates lautet gemäss Art.1 seines Geschäftsreglementes:
«… steht dem Publikum und den Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen zur Verfügung. Mit seiner Tätigkeit soll er zur Reflexion über grundsätzliche medienethische Probleme beitragen, und damit medienethische Diskussionen in den Redaktionen anregen.»

Diese Diskussion ist so aktuell wie nie zuvor. Der wirtschaftliche Druck auf die Titel ist enorm und lässt immer öfter die Ansprüche an Qualität und Ethik wie Dominosteine purzeln. Beispielsweise bei der Berichterstattung über Mord und Totschlag – seit jeher ein wichtiger und «populärer» Teil der Newspresse.

Verantwortung als Kernkompetenz
Darf oder muss aber die Identität eines Täters unbedingt mit Bild und Namen publik werden? Ja – meinen die allermeisten Schweizer Medien (ausser LaLiberté, LeTemps, Der Bund und SR DRS). Weil die Infos schliesslich von den Behörden anlässlich einer Live-übertragenen Medienkonferenz freigegeben wurden. Nein – meint der Schweizer Presserat. Die Medien hätten durchaus noch immer die Hoheit über Ihre Entscheidungen für oder gegen eine Veröffentlichung. Sie stehen nie unter einem Publikationszwang seitens der Behörden – ob eine Erscheinung nun gewünscht oder lediglich in Kauf genommen wird. Im Gegenteil: Just diese Entscheidung, die Auslese, die ethischen Berufskodizes (Links dazu) und ihre Anwendung und schlussendlich die saubere Recherche seien Existenz-Grundlagen für die «klassischen» Medien.

Ethik als Opfer des wirtschaftlichen und strukturellen Drucks
Gerade im angesprochenen Fall gab es keinen Grund zur Preisgabe der Identität: Der Täter war in Haft, stellte darum keine Bedrohung mehr dar und war geständig. Die klare Begründung für eine Zurückhaltung liegt im Recht des Täters – und sei sein Vergehen noch so verabscheuenswürdig – und seiner Angehörigen auf Privatsphäre. Die Stellungnahme betont dann schliesslich: «Auch wirtschaftlich schwierige Zeiten, strukturelle Veränderungen in der Medienlandschaft und der im Online-Zeitalter noch grösser gewordene zeitliche Druck dürfen nicht dazu führen, dass berufsethische Überlegungen hintanstehen.»

Im gestrigen Tagesgespräch auf Schweizer Radio DRS1 (Link Website / Podcast-Download 10,5 MB) sprach der Presseratspräsident Dominique von Burg klug und unaufgeregt zum Thema. Von Burg selber selber ist nicht etwa Ethiker, sondern Medienschaffender durch und durch – heute Redaktor bei der «Tribune de Genève». Und auch im Presserat selber sind neben den Publikumsvertreter auch Medienschaffende zahlreich vertreten (Übersicht Zusammensetzung). Jetzt müssen sie nur noch ihre Kolleg/innen in der (Chef-) Redaktionen und die Verleger – und schlussendlich auch uns Medienkonsumenten mit dem Ethikvirus infiszieren. Von Burg leistete im Radio seinen Beitrag.

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Beiträge

  • ==> „Darf oder muss aber die Identität eines Täters unbedingt mit Bild und Namen publik werden? Ja“

    Ganz klar ja! Wer ein Verbrechen begeht, der muss mit allen Konsequenzen rechnen!