Gestern abend haben sich Medien- und PR-Profis über die Zukunft des Reisejournalismus ausgetauscht. Hier meine persönliche Kurzfassung des sehr gut besuchten STW-Podiums, samt Videoausschnitt.
Bin ich wirklich hochkarätig? Wie fühlt sich das an? Nun, die Rekordbeteiligung mit rund 70 Teilnehmenden aus der Medien-, Kommunikations- und Reisebranche spricht dafür, dass die Ankündigung eines «hochkarätigen Podiums» beim Publikum angekommen ist. Ich durfte den lebendigen Austausch mitgestalten. Eingeladen hat der Swiss Travel Writers & Tourism Journalists Club – oder einfacher STW.
Der Reisebund bleibt in der SonntagsZeitung
Christoph Ammann, langjähriger Leiter der Reiseredaktion der SoZ und sehr erfahrener Reisejournalist, ist erleichtert: Letzte Woche hat er von der Verlagsleitung die Mitteilung erhalten, dass der Reisebund erhalten bleibt, trotz Bundreduktion von neun auf acht. Als Leiter des Zeitschriftenbereichs bei Ringier sieht auch Urs Heller eine weiterhin bestehende Nachfrage nach Reise-Seiten: «Journalistische Produkte haben dort Erfolg, wo sie ein Lesebedürfnis und gleichzeitig ein Werbebedürfnis treffen. Wer nur auf eine der beiden Seiten setzt, muss floppen.»
Weniger Inserate, mehr Publireportagen
Hochkarätig wird man, so fiel mir ein, wohl erst durchs Alter. Und weil wir fünf so erfahrene Profis sind, schwelgte das Podium kurz in der Erinnerung an tolle Zeiten. Als sich die grossen Reiseanbieter um die Inserate rissen, die Budgets gross waren und noch kein Geld ins Web floss. Heute werden Reise-Seiten immer rarer, die Honorare für freie Autoren immer tiefer.
Um doch noch Werbe-Etats anzuziehen, setzen Verlage verstärkt auf Publireportagen. Und um ihre Zielgruppen in der Flut von Inhalten und Inseraten doch noch zu erreichen, schalten Auftraggeber lieber Publireportagen als Inserate. Diesen Sonntag erscheint in der SonntagsZeitung eine Reise-Beilage mit lauter gekauften Beiträgen. Christoph Ammann sollte dazu ein Editorial schreiben, man hat dann aber darauf verzichtet – er sieht diese Beilage als klar abgegrenztes, kommerzielles Projekt. Und weiss nicht einmal, welche Artikel dort erscheinen werden. Dazu dieses Video:
Publireportagen müssen journalistisch sein
Urs Heller bringt im obigen Video-Ausschnitt seine Sicht der Publireportagen auf den Punkt: Sie müssen spannend sein. Und gut geschrieben, von Journalistinnen oder Journalisten. Gemacht werden sie, weil sie Geld bringen.
Ich persönlich lese bezahlte Artikel immer mit einer gewissen Zurückhaltung. Unseren Kunden empfehlen wir sie selten. Interessant finden wir gerade im Reisebereich die Möglichkeit der Publireportagen auf Online-Plattformen. Wo auch immer: Diese Zwitterform von Werbung und Journalismus muss klar gekennzeichnet sein. Damit weiss ich beim Lesen: Dieser Artikel ist nicht so unabhängig, wie es bei einem redaktionellen Beitrag zumindest möglich ist.
Fazit: Wenn Publireportagen, dann mit sehr guten Aufhängern, nie werberisch und bitteschön sogar mit kritischen Fragen. Und natürlich mit perfekter Service-Box, gerade für den Reisebereich ist das entscheidend, samt allen Online-Links.
Die Zukunft: Qualität ist auch eine Frage des Konzepts
Gibt es in zehn Jahren noch reine Reise-Journalist/innen? Ich glaube nein. Ein guter Reisejournalist ist wohl schon heute auch ein wenig ein Foodjournalist, ein Kulturjournalist, eine Lifestyle-Kennerin. Und weil die Printseiten in den nächsten zehn Jahren weiter schwinden, schwindet auch der Platz für die Spezialisierung auf Reisethemen.
Schade, dass der Reiseteil in vielen Zeitungen und erst recht in den Online-Medienauftritten oft konzeptlos daher kommt. Mal gibt es eine Seite, mal keine. Mal ist sie irgendwo hinten versteckt, mal ganz woanders. In den Online-Auftritten schlummert Reisen unter Lifestyle, Magazin oder anderen nicht transparenten Kapitel-Stichworten.
Als Reisender, Leser, PR-Berater wünsche ich mir Reise-Seiten mit Konzept und Kontinuität. Damit ich mich darauf verlassen kann. Angepasst auf die Budgetmöglichkeiten und Zielsetzungen eines Mediums. Aber die Beliebigkeit, mit der hier und dort ein wenig gespart wird, schadet auch den Verlagen selbst.
Reisen bleibt ein Megathema, eine Wachstumsbranche. Mit guten Konzepten sind Leser und auch Werbetreibende zu gewinnen.