Können PR-Abteilungen zum Schreiben verpflichten? Die NZZ lässt sich auch für LeWeb nicht anbinden. Zwang bringt nichts, es geht um die gegenseitige Abstimmung von Interessen.
Ich bin grundsätzlich gegen bindende Schreibverpflichtungen. Obwohl ich die Veranstalter der Pariser Internet-Konferenz LeWeb09 verstehe. Sie verpflichten die Offiziellen Blogger zu einer Anzahl von Publikationen. Auch der bernetblog gehört zu denen, die für einen Gratis-Eintritt Verpflichtungen eingehen. Wie hier beschrieben nehme ich mir trotzdem die Freiheit aus, nur dann zu schreiben, wenn es mich und mein Publikum interessiert. Ein etabliertes Medium wie die NZZ wird ohne Publikations-Verpflichtung gratis teilnehmen. In diesem Falle ist das Interesse der Veranstalter an einer Teilnahme eben grösser als bei den unzähligen Bloggern. Ich habe Nico Luchsinger befragt, der für die NZZ Online auch dieses Jahr live aus Paris berichten wird.
Wieso gehst du an die LeWeb?
«Weil es die grösste und aus meiner Sicht wichtigste Konferenz zu Web 2.0- und Internet-Themen in Europa ist. Es ist für mich als Journalist, der sich mit diesen Themen beschäftigt, ein guter Ort, um neue Geschichten aufzuspüren, Trends zu entdecken und Kontakte zu knüpfen.»
Bist du eingeladen und sind mit dieser Einladung Verpflichtungen verbunden?
«Ich habe mich in Absprache mit der Redaktion von NZZ Online zu einer Teilnahme entschlossen. Ich bin akkreditiert und bezahle keinen Eintritt. Gegenüber der Konferenz besteht natürlich keine Verpflichtung zur Berichterstattung.»
Warst du als Journalist in anderem Zusammenhang je zum Schreiben verpflichtet?
«Nein, explizit noch nie. Vielleicht gibt es so etwas wie eine implizite Verpflichtung, wenn man zum Beispiel als Reisejournalist drei Tage nach Istanbul in ein Hotel eingeladen wird. Da verstehe ich die Erwartung des Veranstalters, dass die Teilnehmenden etwas schreiben. Wichtig ist, dass man die gegenseitigen Erwartungen vorher deklariert.»
Fazit: Interessen offen darlegen
Das Vorgehen von LeWeb finde ich clever. Trotzdem sind für mich die Verpflichtungen zu eng und zu zwingend formuliert. Wer klassische Journalisten oder neuzeitliche Blogger einlädt, der soll die damit verbundenen Interessen offen legen: Das wünschen wir uns. Als Gast kann ich mir vor Antritt der Reise, Annahme des Geschenks oder Besuch des Anlasses überlegen: Gehe ich diese Verpflichtung ein? Ist sie mir zu eng? Riskiere ich bei Nicht-Einhalten einen Ausschluss beim nächsten Anlass?
Wichtig ist die Offenlegung auch von Seiten der Schreibenden: War man eingeladen, hat das Testgerät geschenkt bekommen? Das wird auch im klassischen Printjournalismus noch viel zu selten deklariert. Die Federal Trade Commission in den USA hat Anfang Oktober neue Richtilinien für Erwähnungen publiziert. Dort wird auch explizit festgehalten, dass Blogger ihre Verbindung zu beschriebenen Produkten oder Unternehmen angeben müssen, falls sie Bargeld oder «vergleichbare» Zuwendungen erhalten haben.
Es war einmal…
…in Hamburg, Ende der 80er Jahre. Da gab es im Frühjahr die größte Kongressmesse Deutschlands, namens ONLINE.
1994 hatte der Veranstalter die zündende Idee, alle Medienvertreter schriftlich dazu zu verpflichten, wörtlich „einen großen Bericht“ zu schreiben, da sien sonst die Kongressgebühren in vierstelliger Höhe nachentrichten müssten.
Das war den meisten Journalisten natürlich eine große Geschichte wert, über diese Vertragsbedingungen zu schreiben.
Wenig später war die ONLINE bereits selbst Geschichte.
@wolf – und solche Geschichten gibts auch immer wieder im ganz altmodischen Printbereich. Wo zum Beispiel Fluggesellschaften sagen: Ticket ja, aber dann muss das und das und das im Artikel stehen. Müsste eigentlich auch veröffentlicht werden, anstatt nur mündlich an Veranstaltungen kolportiert zu werden.