Wie verhält man sich, wenn die Facebook-Pinnwand zugemüllt wird? Sieben Dialogwünsche zeigen die Sicht der Facebook-Nutzer und die Anforderungen an Social Media Redaktionen. Denn WikiLeaks dominiert nicht nur Titelseiten, TV und Twitter – sondern auch die Facebook-Auftritte von zum Beispiel PayPal Deutschland und PostFinance.
Am 6. Dezember hat die PostFinance mitgeteilt, dass sie das für Julian Asange geführte WikiLeaks-Konto aufhebt – wegen falscher Angaben und sittlicher Bedenken. Am Tag darauf war die PostFinance-Website zeitweise nicht erreichbar, Wikileaks-Anhänger hatten zu einer Überflutung mit Anfragen aufgerufen (NZZ). Die digitale Entrüstung entlädt sich dort, wo zum Dialog aufgerufen wird: Auf Facebook. Mich interessiert die Frage, wie solche Situationen im Zeitalter der beschleunigten Dialoge zu handhaben sind. (Offenlegung: Bernet PR betreut Projekte für die Post, ohne Involvierung in den aktuellen Fall.)
Am digitalen Pranger
Am Montag, dem Tag der Ankündigung sind auf der Facebook-Pinnwand rund 25 Kommentare zu lesen. Nur einer davon ist positiv, nur eine Antwort der PostFinance ist eingefügt. Am Dienstag erreicht das Echo den vorläufig höchsten Pegelstand mit rund 100 Dialog-Einträgen, darunter nur zwei positive und zwei Rückmeldungen von PostFinance. Gestern Mittwoch waren es dann gerade noch 16, davon 2 positive Nutzer-Echos. Ist der Sturm nun vorüber? Diese PDF-Bildschirmaufnahme (PDF gelöscht aufgrund Anfrage eines Kommentatoren im Facebook-Thread im Mai 2014 – er wollte seine FB Kommentare via Google nicht mehr indexiert haben) zeigt die Geschichte des PostFinance-Auftritts vom ruhigen, eher Marketing-getriebenen Start bis in die Krise. In einem grösseren Facebook-Meinungsorkan steht PayPal Deutschland, ebenfalls nach einer Wikileaks-Kontoaufhebung.
Sieben Dialog-Einstellungen aus Nutzersicht
Im April habe ich den Kampf zwischen Greenpeace und Nestlé analysiert – mit drei Learnings aus dem digitalen Schlagabtausch rund um KitKat und Palmöl:
1. Der Angegriffene hat nie recht
2. Taten sind wichtiger als Worte
3. Worte brauchen eine Stimme.
Diese Grundsätze sind auch im aktuellen Fall anwendbar; sie lassen sich für die Stimme und den Dialog auf Facebook vertiefen. Aus der Sicht der Nutzer könnte das so klingen:
1. Facebook ist meine Party
Dieses Soziale Netzwerk ist der Partyraum im Web. Hier treffe ich meine Freunde, hier will ich cool sein, mich zeigen, ein bisschen mitreden. Hast Du eine coole Marke, ein interessantes Anliegen, einen witzigen Aufhänger? Dann kann ich mich mit Dir befreunden, auch wenn du eine Firma, eine Marke, ein Verein bist. Aber sei bloss nicht zu aufdringlich. Ja klar, am Rande der Party gibts auch Fachdiskussionen – aber die Massen sitzen dort, wo die Post abgeht.
2. Smalltalk ist emotional
Alle Firmen-CEOs, Kommunikations- und PR-Leiter mal herhören: Hier bestimmen wir, wie und über was geredet wird. Ihr kriegt eine Stimme, wir haben Millionen. Hier hinterlassen wir keine tiefgründigen Analysen, sondern reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Einfach mal drauflos, am liebsten mit Begeisterung, Humor, Entrüstung.
3. Wut macht Spass
Aha, da läuft grad was, wo alle dagegen sind und die Meinungen gemacht? Wo man sich richtig ärgern kann – und alle können mitlesen? Das macht Spass, gibt Wirbel. Hier kann ich mich zeigen, Zustimmung ist mir sicher.
4. Lauf nicht weg, wenn ich Dich anschreie
Wieso geben die Betreuer einer Seite plötzlich keine Antwort mehr, wenn wir uns alle beschweren? Wenn ich was kaufen will: Super. Wenn ich motze: Stillschweigen. Wie ernst nimmst Du mich – oder besser: uns alle? Hast Du, lieber Social Media Redaktor, liebe Redaktorin, überhaupt genug Zeit für Deine Aufgabe erhalten? Bekommst Du Verstärkung, wenn der Orkan losgeht? Darfst Du sofort antworten oder musst Du immer zuerst eine Bewilligungsschlaufe über zehn Stufen einlegen?
5. Wenn Du Regeln setzst, mach sie offen
Ich will nicht, dass Du meine Einträge löschst. Wenn Du das tust, dann nur nach klaren und nicht zu engen Regeln. Schreib Sie auf Deine Info-Seite und viel wichtiger: Wenn du eingreifst, dann erkläre die Gründe wiederholt auf der Pinnwand. Manchmal ärgere ich mich selbst über die total fäkalen Sprayereien, die Du an der Pinnwand stehen lässt. Als Admin kannst Du sie ja sofort löschen und notorisch bösartige Teilnehmer sperren.
6. Steh zu Deiner Haltung
Wenn du bestimmte Sachen tust, dann steh dazu. Auch wenn wir alle ganz anderer Meinung sind. Lass den Social Media Redaktor nicht alleine, lieber CEO, komm auch Du mal auf den Pinnwand-Dialog. Und halte es aus, dass Du niedergeschrien wirst. Das gehört zur Party. Die ist eben nicht nur für Promo-Anlässe geöffnet, sie findet auch in Krisen statt.
7. Wo ist die nächste Party?
Ach ja, wir ziehen dann mal weiter, wenn sich der Sturm gelegt hat. Doch nimm das nicht auf die lockere Art: Das Geschrei wird abebben. Je nachdem, wie du mitgeredet hast und wie Du nach der Auseinandersetzung mit uns handelst, werden wir mehr oder weniger von Dir kaufen. Oder besser oder schlechter von Dir reden. Ich glaube, Ihr nennt das „Reputation“.
Partygänger und Social Media Redaktoren: Einverstanden mit diesen sieben Grundideen? Ergänzungen?
Weiterführend: Nestlé, Greenpeace und Facebook – lernen aus der Krise (April 2010)
Sehr interessanter Beitrag, hab von dieser Aktion überhaupt nichts mitbekommen. Zur Aktion selber: schön das man auch im Internet protestieren kann und viel kleine Aktionen schon etwas bewegen können. Auch wenn ich nicht glaube das die Aktion bei PostFinance oder PayPal viel bewirkt hat ist es ein klarer Warnschuss an die Unternehmen.