Die Zukunft des Journalismus zwischen Schwarz und Grau

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«Wie bissig ist er noch, der Wachhund der Demokratie?» Mit diesem Titel war ein Streitgespräch versprochen über die Unabhängigkeit der Medien, die Rolle der PR-Agenturen, den Umgang mit den Mächtigen in Wirtschaft und Politik.

Heraus kam ein Schlagabtausch mit ungleichen Waffen, ermüdenden Wiederholungen und einigen Anregungen. Die dritte Veranstaltung der Podiumsreihe «Wer hat das Sagen?» fand am 10. Februar wiederum auf der Bühne des Schauspielhauses Zürich statt. Unter der Moderation von Lukas Bärfuss trafen sich Roger Köppel, seit 2006 Herausgeber und Chefredaktor der Weltwoche, und Giovanni di Lorenzo, seit 2004 Chefredakteur der Zeit.

Unternehmer arbeiten härter
Die Positionen waren schnell bezogen – und sie veränderten sich im Verlauf des Abends um keinen Zentimeter. Roger Köppel verharrte bissig, renitent und dünnhäutig in der Ecke des einzigen Journalisten, der immer wieder angreift, der abseits stehe von Mainstream und Konformismus. Ebenso einzigartig sei seine Position als einziger Chefredaktor, der sein Blatt auch besitzt und deshalb unter existenziellem Druck steht. «Das führt dazu, dass ich im Gegensatz zu anderen Chefredaktoren gezwungen bin, jede Woche hart zu arbeiten.» meint er auf die Frage des Moderators, wieso er sich selbst in jeder Ausgabe zum Beginn so viel Platz widmet. Mit einem leichten Lächeln, das vom gut besetzten Schauspielhaus gerne aufgenommen wird:

Wieso nur den Staat hinterfragen?
Köppels Einzigartigkeit wird im Verlaufe des Abends zur Selbstbehauptung. Kann jemand Nonkonformität beanspruchen, der inhaltlich der Linie der stärksten politischen Partei folgt? Di Lorenzo entlarvt Köppels Position mit Lob und Kritik: «Roger Köppel hat eine publizistische Marktlücke entdeckt und er füllt sie mit genialem Marketing aus – zum Glück für die Zeit, die zahlreiche ehemalige Weltwoche-Leser gewinnen durfte.»

Di Lorenzo stört vor allem, dass Köppel seine journalistische Kritik nur auf den Staat richtet und die Wirtschaft programmatisch davon ausklammert. Unbequeme Medien hätten sowohl Staat als auch Wirtschaft zu hinterfragen. Dass die Wirtschaft sich gegen diese Kritik stelle, illustriert er am Beispiel eines deutschen Unternehmers, der sich durch einfache Anfragen bedrängt fühlte und den Journalisten anklagte. Das Beispiel dürfe keine Schule machen:

Die Farbtöne liegen zu weit auseinander
Köppel bleibt im Schwarz/Weiss, wiederholt die immer gleichen Positionen, di Lorenzo versucht sachlich zu differenzieren, skizziert Grautöne. Am stärksten werden seine Argumente, wenn er am Beispiel Italiens schildert, wohin Medien und Gesellschaft sich entwickeln können, wenn Medienbesitzer nur noch einseitige Positionen vertreten. Trotzdem kommt kein echter Austausch zustande, zu weit auseinander liegen die Pole.

Mehr Lesernähe, mehr Wutblätter
Einen leisen Akkord des versprochenen Themas bringt die Schlussfrage des Moderators: Wo liegt die Zukunft des Journalismus? Roger Köppel beruft sich auf Traditionen: Relevante Themen anpacken, mit der Fähigkeit zur Recherche und dem intellektuellen Rüstzeug um interessante Diskussionen auszulösen, als «unbequeme Stimme der Vernunft». Natürlich ergänzt durch seine Positionierungsbehauptung «neben dem Mainstream».

Di Lorenzo präsentiert Zwischentöne in drei Portionen: Erstens soll Journalismus unterschiedliche Meinungen zu einem Thema präsentieren, auch wenn das die Leser herausfordert. Zweitens müssen Zeitungen näher zu ihren Lesern, medieninterne Diskussionen erfolgen noch zu oft in einem geschlossenen Raum. Und drittens befürchtet er, dass «Zeitungen, die den Wut-Bürger bedienen, eine ziemlich sichere Zukunft haben».

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