Was ist Macht? Wer und was bestimmt über Sein oder Nichtsein, Gewinn oder Verlust, Top oder Flop? Bei diesen Fragen sind Ressourcen- und Warenströme zentral. Technologie und ein verändertes Verständnis von Vernetzung beeinflussen aber das Machtgefüge.
Das Gottlieb Duttweiler Institut GDI hält jährlich die European Consumer Trend Conference ab, eine internationale Tagung mit einem ebensolchigem Publikum und hochkarätigem Programm. Dessen Vielfalt drückte dieses Jahr auch die Mehrschichtigkeit des Themas «Macht» aus. Es geht um Grenzen, Besitz, Kommunikation, Transparenz, Kraft und oft um eine Kombination vieler dieser Aspekte.
Macht braucht Grenzen – auch in Zukunft
Unsere virtuelle Kommunikation und Vernetzung gaukelt eine Auflösung der Grenzen vor. Doch werden wir immer wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt – die Abhängigkeit von Menschen, Organisationen, Anbietern, Ressourcen begrenzt unsere Freiheit. Macht braucht diese Grenzen, braucht eine Ordnung, ein System. Trotz jedem Wunsch und Verlangen nach Transparenz, Offenheit und Austausch ist es heute darum absolut wieder im Zeitgeist, neue Grenzen zu schaffen, Mauern zu errichten. David Bosshart in seinem Referat: «Die Macht schafft sich heute wieder Inseln, wir suchen wieder Mauern. Und es ist wohl ein Learning der letzten Jahre: Wenn wir glauben, die Welt sei grenzenlos, machen wir auch grenzenlose Fehler. Macht ist immer an Grenzen gebunden.» Letztlich, so Bosshart, kann die völlige Offenheit von Systemen auch ins Chaos führen.
Von den Supermächten zu «Super Powered Individuals»
Wir merken trotzdem; es hat sich etwas verändert. Politische und wirtschaftliche Ereignisse verlaufen – nicht nur, aber auch – mit neuen Kommunikations-Technologien anders. Der «Tower of Power» besteht heute aus neuen Elementen:
- Macht der Konsumenten: «Märkte sind Gespräche» (Cluetrain-Autor Doc Searls war auch an der Konferenz – mehr dazu ein andermal) – und mit dem Social Web hat sich neben der Macht des freien Marktes, der Marken, der Hersteller und Vertriebe und der Institutionen jene der Konsumenten etabliert.
- Virtuelle Mächte: Nicht greifbar – aber omnipräsent: Facebook (Beziehungen), Google (Algorithmen), Wikipedia (freiwilliges Engagement) und Wikileaks (Transparenz, Aufdeckung, Auflehnung) schaffen neue Formen von Abhängigkeit.
- Macht des Einzelnen: In der Informations- und Wissensgesellschaft kocht er hoch, der «War Of Talents». Die Migrationsströme und eine in einigen Regionen der Welt erstarkte Position der Frauen in der Arbeitswelt beeinflussen hier das Geschehen.
- Politische Macht: …entwickelt sich von einer unilateralen (einseitig, sprich durch eine Supermacht geführten) oder bipolaren zu einer multipolaren (viele Akteure) oder gar non-polaren Weltpolitik. Diese kommt gerade im Nordafrika-Konflikt zum Ausdruck, wo sich grosse Akteure vor der Verantwortung verwahren.
Wie wir individuell mit Macht umgehen, wie wir Systeme erkennen, kritisieren, unterlaufen oder aufbauen, ist eine Frage von urpersönlichen Entscheidungen und Möglichkeiten. Dies machten die spannenden Referate von Parag Khanna (Geopolitiker, Berater), Matthias Schranner (Verhandlungsprofi) oder Peter Sunde (Hacker, Unternehmer, Gründer PirateBay) deutlich.
Wo liegt in Euren Augen die Macht? Und – wer wird künftig gewinnen und wer verlieren?
Weiterführende Links:
Twitterwall zur Tagung via #ectc7
Referenten-Übersicht der #ectc7
Interview David Bosshart «Die harten Machtfragen kehren zurück»
Gerade mit Blick auf Social Media können wir von einer „kommunikativen Macht“ sprechen, wenn sich Bürger, Konsumenten, Mitarbeitende usw. digital vernetzen, Informationen austauschen und sich gegenseitig motivieren bzw. mobilisieren (mehr zu „communication power“ auf: http://www.edemokratie.ch/schweizer-regierungsreform-netzwerkgesellschaft/)