Seit Web 2.0 gehören Online-Kommentare zu Online-Medien und Unternehmen wie die Leserbriefe zu den Zeitungen. Das Spektrum der Kommentare ist breit. Es geht von positiv über konstruktiv kritisch bis zu agressiv und sogar persönlich.
Was macht man mit Online-Kommentaren, wenn sie nicht den gängigen Gepflogenheiten angepasst sind und zu einem Fluch werden? Dafür gibt es grundsätzlich nur eine Lösung – ignorieren und nicht darauf eingehen! Dies ist aber einfacher gesagt als getan.
Der altbewährte Leserbrief
Klassische Papier-Leserbriefe werden von den Redaktionen eingesehen und auf deren Qualität geprüft. Hat der Leserbrief einen gewissen Standard, wird er gedruckt. Dabei entstehen teilweise interessante und lebhafte Diskussionen und Debatten. Verfasser von Beiträgen, die regelmässig publiziert werden, dürfen sich geehrt fühlen. In der Web 2.0-Zeit hat sich dies gewaltig geändert. Jeder Leser kann seinen persönlichen Kommentar zu einem Artikel, Beitrag oder Blog abgeben – und davon gibt es im schnelllebigen Online-Zeitalter viele. Doch nicht in jedem Fall gelingt es dem Schreiber, eine gepflegte und gesittete Ausdrucksweise und Diskussion zu gestalten.
Keine Lust auf Angriff
Der Verfasser kann Debatten teilweise selber steuern, indem er den Artikel so schreibt, dass er nicht zu viel Angriffsfläche bietet. Dies wiederum entspricht aber nicht dem heutigen Journalismus, der Klarheit und Direktheit proklamiert. Grundsätzlich wollen die Online-Medien und Unternehmen, dass sich die Leser äussern und Kritik anbringen, denn damit erhöht sich der Traffic auf ihrer Seite und generiert Interesse und Leser-bindung. Was aber, wenn die Kommentare überhand nehmen? Fast alle Online-Medien haben damit zu kämpfen, dass bei Kommentarbeiträgen die Anstands- und Benimmregeln vergessen werden. Der Sketch «Talkback-Nerds» von Giaccobo/Müller veranschaulicht dies auf amüsante Art.
Was tun mit haltlosen Kommentaren?
Für die Online-Medien und Unternehmen ist es nicht ganz einfach zu entscheiden, wie sie mit haltlosen Kommentaren und deren Dynamik umgehen wollen. Einerseits ist es eine Frage des Ziels und andererseits eine der Ressourcen. Folgende Möglichkeiten zeigen auf, wie mit den Dynamiken in den Kommentarkolonnen umgegangen werden kann:
- Diskussionen laufenlassen
Ist das Ziel, Aufmerksamkeit zu generieren, soll den Kommentaren freien Lauf gewährt werden. Dies hat aber die negative Auswirkung auf das Niveau der Beiträge und zwangsläufig auch auf die Leserschaft. - Qualitätskontrolle und Freischaltung
Inhalte werden vor der Freischaltung durchgesehen und allenfalls angepasst oder gar nicht freigeschaltet. Dies bedingt genügend Ressourcen und kann von den Kommentatoren als Einschränkung empfunden werden – denn es herrscht ja die allgemeine Meinungsfreiheit. - Richtlinien publizieren
Um einen gesitteten Umgang bei den Kommentaren halten zu können, muss das Medium/Unternehmen klare Richtlinen vorgeben. Bei Nichteinhalten wird der fehlbare Kommentar «kommentarlos» entfernt. - Offenlegung von Name und/oder Adresse
Aus der Anonymität heraus lässt es sich viel frecher, persönlicher und aggressiver kommentieren. Die Aufhebung der Anonymität dämmt dies zwangsläufig ein – auch wenn Name/Adresse nicht publiziert werden müssen. - Diskussionen gezielt steuern
Kommentare können mit konkreten Fragen, die den Artikel betreffen, gezielt gesteuert werden wie zum Beispiel: „Welche konkreten Massnahmen zum Thema XY würde Sie vorschlagen?“
Fazit
Weder die Online-Medien noch die Unternehmen kommen darum herum, sich mit unangenehmen Kommentaren auseinanderzusetzen. Ungemütliche Kommentatoren tauchen immer wieder auf, getrieben von einer persönlichen Mission, ihre Ideen und Argumente kundzutun. Manchmal braucht es einfach etwas Mut, mal einen unangenehmen Kommentar stehen zu lassen. Das Publikum vergisst schnell, denn eine Kommentarrunde jagt die andere.
Mehr zum Thema Online-Kommentare:
bernetblog: Facts 2.0 – Mitmach Learnings von einem Pionier
Kann sich durchaus zur Plage entwickeln, wie auch die Serie der Medienwoche beschreibt: http://medienwoche.ch/2011/06/28/noch-fehlen-klare-strategien/. Wer hat zum Beispiel noch den Überblick, wenn ein Artikel wie derjenige im Tagi gestern über die Streichung von IV-Geldern für behinderte Kinder (http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/IV-streicht-SpitexPflege-behinderter-Kinder/story/11966985) 362 Kommentare auslöst? Der Tagi macht es teilweise sehr gut, finde ich, wenn er die Kommentare wieder in einem Online-Beitrag aufbereitet, wie z. B. hier: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Welcher-Volkswille-gilt-denn-nun/story/15296111.
ich würde die Frage mal andersrum stellen 🙂 ?
wozu in aller welt muss die redaktion sich den durch diese quälen?
wir haben doch freie meinungsäusserung..
also müssen kommentare auch nicht geprüft werden.
weil mehr als meinungen werden ja hier ohnehin nicht kund getan.
wozu also überprüfen?
überprüft ein wirt in einer kneipe denn erst die kommentare seiner gäste bevor diese abgegeben werden dürfen?
lassen sie einfach alle stehen und lesen sie nur was sie wollen..
bzw machen sie eine bewertungs funktion hin.
dann erledigen die demokratie und die user das für sie.
dann sind die guten kommentare oben und sie können sich ganz gemütlich den 10,20,30 besten widmen..
ganz einfach.. und alle sind zufrieden.
sollte jedenfalls
Das ist tatsächlich Fluch und Segen des Internets zugleich. Ich hab mir deshalb vorgenommen, mehr zu kommentieren, wenn ich Artikel gut und interessant finde, sowie kostenlose gute Fotos zu bewerten. Man gewöhnt sich zu schnell dran, das Internet einfach zu benutzen und gute Inhalte selbstverständlich zu nehmen, die Folge ist, dass mehr solche Leute kommentieren, die irgendein privates Problem haben und so ihren Frust loswerden. Kritik wird immer noch leichter geäußert als Lob. Grüße aus Germany, J.Pompe