Erfahrung als Bremse: Warum uns Querdenken weiter bringt

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Sind Sie stolz auf Ihren Erfahrungsschatz? Im Beruf, Hobby oder einfach im Leben? Zu Recht! Vorwärts kommen hat aber auch mit neuen Ideen, Sichtweisen, Experimenten zu tun. Konkrete Tipps für alle Routiniers, Führungsleute und Festgefahrene.

Angeregt zu diesem Beitrag hat mich der Vortrag von Wissenschaftler und Management-Berater Hans A. Wüthrich*. Er weiss: «Zu oft bestimmen nicht unsere Sinne – die Augen oder die Ohren – unsere Wahrnehmung, sondern die Erfahrung.» Sprich: Wir sehen, was wir sehen wollen, was unsere Erfahrung für richtig hält. Erfahrungen helfen uns Alltag, Beruf und viele Lebensaufgaben zu bewältigen. Ohne Zweifel: Das Ewiggleiche bringt Ruhe, Sicherheit, Vertrauen. Erfahrung drängt uns aber auch auf ausgetretene Wege und in immer gleiche Rollen. Aufbrechen, Ausbrechen und Querdenken hingegen führen zu neuen Lösungen – und damit im besten Fall zu besseren Resultaten.

Neues wagen

Wüthrich beweist in seinem Referat die Kraft des «Musterbrechens» mit Innovationen im Sport: Etwa die V-förmige Stellung der Skis beim Skisprung. Anfangs verpönt und von den Stilrichtern bestraft – heute nicht mehr wegzudenken. Oder der Schlittschuhschritt beim Langlauf. In den frühen 70ern feierte der Finne Pauli Siitonen dank seiner schrägen Idee Erfolge – und begründete eine ganz neue Technik mit eigenen Wettkämpfen und extra Skimaterial. Oder Hochspringer Dick Fosbury – sehr eindrücklich sein erster Sprung an den Olympischen Spielen Mexico 1968. Nur eine komplett neue Technik ermöglichte ihm, um Zentimeter höher zu springen:

Das sportliche Beispiel macht klar: Muster zu prüfen, zu überdenken und gegebenenfalls auch zu brechen ist gewinnbringend und wird damit zu den Management- und Führungsaufgaben.

Drei Übungsfelder zum Quer- und Umdenken

Gemäss Musterbrecher Wüthrich geht es nicht darum, sich von den eigenen Erfahrungen zu befreien. Vielmehr bestehende Erfahrungswelten auszudehnen, indem wir unseren Blick schärfen, Neues sehen und zulassen. Dabei beschreibt er drei Übungsfelder:

  1. Erfahrungen als Fantasiekiller ernst nehmen
    … und mit offenen Fragen eigene Sicht- und Herangehensweisen, Eindrücke und Erfahrungen auf die Probe stellen. Prüfen Sie doch beispielsweise ihre jährlichen Events mit Kunden oder mit dem Team auf Zweckmässigkeit und Beliebtheit. Fragen Sie Ihre Stakeholders offen nach ihren Bedürfnissen.
  2. Vielfalt kultivieren
    … im (Projekt-) Team verschiedenen Fähigkeiten, Ansichten und Ausrichtungen ihren Platz geben. Nehmen Sie Leute mit in Teams, die neue Farben, Meinungen, Fähigkeiten und Qualitäten bringen. Auch wenn das kurzfristig sogar mit Mehraufwand verbunden ist.
  3. Experimente wagen
    … und sich auch einmal aus der gewohnten und dominanten Projektlogik herauswagen. Erfahrungen diesbezüglich wurden – auch in grossen Unternehmen schon gemacht mit:
    Labor-Abteilungen: einmal bewusst eine Abteilung oder Projektgruppe ganz ohne feste Ziele, Budgets oder Beurteilungen arbeiten lassen.
    ROWE oder «Results Only Work Environment» (Wikipedia): Weg von Stunden- und Präsenz-Vorgaben. Hin zu Ziel- oder Output-definierter Beurteilung.
    Kreativ-Zeiten: Ein fixierter Anteil der Arbeitszeit für Kreativprojekte und Business-Fremdes zulassen. Man kennt das von Grosskonzernen wie Google – jeder Mitarbeitende erhält einen Teil seiner Arbeitszeit für Projekte jenseits seiner Kernaufgaben.

Nur schon die Wahrnehmung, dass eine frische Sicht über die Routine siegen kann, scheint mir wertvoll. Oder wie der irische Schriftsteller George Bernard Shaw sagte: «Manche halten das für Erfahrung, was sie zwanzig Jahre lang falsch gemacht haben.»

*Hans A. Wüthrich hielt sein Referat «Vorsicht Erfahrung: Gefangen im Gewohnten» am inspirierenden Neujahrsapéro 2013 unseres Mandanten Electrolux unter dem Dachthema «Umdenken, Querdenken, Vordenken».  

Weiterführend: 
Wüthrich, Osmetz, Kaduk: «Musterbrecher. Führung neu leben» (Amazon)
Website Hans A. Wüthrich www.musterbrecher.de
Anstoss-Newsletter: «Schluss mit Trott: 5 Übungen für den Sprung über den eigenen Schatten»

 

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