Die Redaktionen werden durchrationalisiert und ausgedünnt. Unternehmen und Organisationen bauen ihre PR-Stellen aus. Sind Sesselwechsel zwischen beiden Ständen brisant? Am Zürcher Gipfeltreffen beider Berufsgruppen wurde gestern Abend hierzu debattiert.
Die Veränderungen der letzten zehn Jahre waren tiefgreifend: Medienkonvergenz, Kostendruck, Abonnentenschwund – wo früher gut ausgestattete Redaktionen aufwändigen Journalismus betrieben, wird heute entlassen und gespart. Auf der anderen Seite rüsten grosse (und auch kleinere) Unternehmen auf. In den Corporate Communication Teams sitzen nicht selten ehemalige Medienschaffende. Ist das verwerflich? «Verrat am Beruf» gar, wie das Podiumsteilnehmer und Sonntag-Politreporter Christof Moser in das Auditorium Maximum der ETH stellte?
Texten, Reden, Botschaften mit Qualität übermitteln
Die Eröffnungsrede hielt ein geübter Sesseltänzer. Peter Hartmeier war in verschiedensten Rollen Journalist: als Chefredaktor beim Tagi oder den Luzerner Neuesten Nachrichten, Gründer der Zeitschrift Politik & Wirtschaft oder Verleger der Thurgauer Zeitung. Und dazwischen Geschäftsführer des Verbandes der Schweizer Presse, PR-Chef der Tamedia und schliesslich Kommunikationsleiter Schweiz der UBS. Auf welcher «Seite» steht Hartmeier? Wer sind seine Berufskollegen? «Berufskollegen sind jene, die Qualitätsstandards setzen und auf hohem Niveau Texte schreiben, Fragen stellen und kritisch beobachten», sagte Hartmeier sinngemäss. Und weiter: «Erfolgreiche Kommunikatoren – auf beiden Seiten – mögen die Auseinandersetzung: mit einem Thema und mit ihren Auftraggebern und Teamkollegen».
Dreistigkeit nimmt zu – auf beiden Seiten
Wo aber liegt der wesentliche Unterschied? «Es geht um eine Grundhaltung,» sagte Christof Moser, «Journalisten liefern Hintergründe und Analysen und stehen im Dienste der Öffentlichkeit.» Das widerspricht der Haltung von Peter Hartmeier nicht, der sich aber auf Unternehmensseite stets in der Rolle des Anwalts sah. Dies bestätigen Susanne Mühlemann, Leiterin der Medienstelle der Swiss, und die Kommunikationsberaterin Elisabeth Meyerhans. Aber wie weit finden diese Anwälte auch Gehör? Sehen sich die Manager überhaupt im Spiegel, den ihnen die «Corporate Hofnarren» vorhalten? Der Journalist vermutet gar, dass der unverständliche Managertalk seine Quelle in den PR-Abteilungen findet. Und generell, dass diese die Kommunikation lieber verhindern als fördern. «Gut möglich, dass die Dreistigkeit im Umgang mit den Medien zunimmt», entgegnet PR-Expertin Meyerhans, «sie spielt aber auf beiden Seiten. Die Dreistigkeit von Medien gegenüber Unternehmen hat in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen!»
PR ist nicht gleich Medienarbeit
Ein zentrales Votum ging im lebendigen Streitgespräch rund um Medienethik, Ideologie, Geld und Macht fast etwas verloren: Dass die (pro-)aktive Medienarbeit nur eine einzige PR-Disziplin unter vielen ist. Die transparente und gute Kommunikation mit zahlreichen internen und externen Zielgruppen, die Gestaltung von Botschaften via Print, Online oder Begegnungen ist vielfältig und herausfordernd. Genau wie qualitativ hochstehender Journalismus im Spannungsfeld zwischen Online, Print, Film und Ton. Und so bleibt die Grundfrage beim Entscheid zwischen den beiden Sesseln: Was interessiert mich? Wo will ich hin? Kann ich mich die verbleibenden Jahrzehnte meines Berufslebens erfüllt weiter entwickeln? Dabei mögen monetäre Perspektiven mitspielen, der Hauptgrund dürfte es kaum sein. Oder wie Elisabeth Meyerhans sagt: «Geld ist bei einem Sechselwechsel ein Hygienefaktor, ein Treiber ist es wohl nicht.»
Der Communication Summit ist eine Ko-Produktion des Zürcher Pressevereins ZPV und der Zürcher PR Gesellschaft ZPRG (und der Autor im OK des Anlasses). Moderiert wurde der Abend witzig gekonnt von SRF Eco-Redaktor und Moderator Reto Lipp – selber übrigens vor Jahren ein Sesseltänzer mit Ausflug zur UBS.
Weiterführend:
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