In unserer Serie «Twitter im Profil» stellen wir den Kriegsreporter Kurt Pelda vor. Er berichtete in den letzten Monaten als freier Journalist aus Libyen und Syrien. Seit mehr als 20 Jahren ist er in Krisengebieten unterwegs. Die Arbeit hat ihn «weniger idealistisch» gemacht, doch sein Ziel ist es, mit seiner Arbeit vor Ort die Berichterstattung über die Konflikte zu ermöglichen. Wir haben ihn gefragt, welche Rolle Twitter dabei spielt.
Kurt Pelda schreibt und filmt als freier Journalist für SRF, ARD, Spiegel, Weltwoche und Economist. Er ist alleine unterwegs, aus Kosten- und Mobilitätsgründen und weil «ein Ausländer weniger auffällt als zwei». Twitter gegenüber war er zuerst skeptisch. Heute ist der Dienst neben den lokalen Bezugspersonen sein wichtigstes Informationswerkzeug. Dass Informationen abgewägt und verifiziert werden, versteht er als Basis seines Handwerks. Propaganda und Bildmontagen sind zu filtern, doch oft kommen Hinweise zu «köchelnden Geschichten» via Twitter. Denn im Krieg nutzen beide Seiten Twitter und gewähren Zugang zu Informationen, die sich sonst nirgends finden. Zum Beispiel aktuelles Kartenmaterial zum Frontverlauf. Für die Verbreitung seiner eigenen Artikel und Ansichten nutzt Kurt Pelda Twitter ebenfalls, jedoch mit einer klaren Vorgabe an sich selbst: «In der Regel twittere ich nur, wenn ich etwas zu sagen habe.»
Wieso sind Sie auf Twitter vertreten?
Twitter bietet mir die Möglichkeit, mich mit wenigen Worten bei Medienhäusern, Journalistenkollegen, aber auch anderen Interessierten, Freunden und Familienangehörigen bemerkbar zu machen. Obwohl ich am Anfang skeptisch war, hat sich Twitter für mich zu so zu einer Art zusätzlichem Vertriebskanal entwickelt. Ich bin freier Journalist und auf Aufträge angewiesen. Zu einem längeren Interview durch die BBC kam ich zum Beispiel nur dank meiner Tweets.
Welches inhaltliche Konzept besteht für den Auftritt?
Eigentlich bin ich ein ziemlich konzeptloser Mensch. Vieles mache ich einfach mal, probiere aus, und warte dann ab, was passiert. So ist es auch mit Twitter. Dabei gibt es eine einzige Regel: Ich schreibe nichts, was ich für belanglos halte. In der Regel twittere ich also nur, wenn ich auf Reisen, zum Beispiel in Syrien, etwas zu sagen habe. Oder wenn ich meine Followers auf Filme oder Artikel von mir verweisen möchte. Oder wenn ich etwas Aussergewöhnliches gelesen habe, das ich meinen Followern nicht vorenthalten möchte.
Wie gross ist der Zeitaufwand und twittern Sie immer selbst?
Am meisten Zeit verbringe ich auf Twitter als Leser. Ich finde es eines der besten Medien, um an Berichte und Videos aus Syrien heranzukommen, und zwar von beiden Kriegsparteien. Für eigene Tweets wende ich viel weniger Zeit auf. Der Zeitaufwand dafür liegt nahe bei Null. Und ich schreibe immer selber, ich bin ja eine Ein-Mann-Firma.
Lohnt es sich?
Ja, es lohnt sich eindeutig. Über Twitter erreiche ich meistens jene Leute, die für mich interessant sind, also vor allem Kollegen und Kolleginnen aus der Journalistenszene, aber zum Beispiel auch lokale Informanten und Beobachter in Syrien.
Wichtigste Erfahrung mit der Twitter-Präsenz?
Ich habe einmal mehr gelernt, dass in der Kürze die Würze liegen kann. Negativ ist mir aufgefallen, dass ich durch meine Tweets in den Propagandakrieg zwischen dem syrischen Regime und den Rebellen geraten kann. Beschimpfungen etc. hat es da auch schon gegeben, nichts Tragisches, aber gewöhnungsbedürftig.
Warum folgt man einem Kriegsreporter auf Twitter? Es ist für mich die Ergänzung der breiten medialen Berichterstattung. Ich bin mir bewusst einen subjektiven, jedoch journalistisch geprägten Ausschnitt der Situation dort zu sehen und ordne sie entsprechend ein in mein Gesamtbild. Ein Tweet mit der Erwähnung von @KurtPelda weckte mein Interesse. Ich folgte ihm. Las mit, wie sich die Lage in Aleppo aus seiner Sicht veränderte. Nutzte Twitter und seine Berichterstattung als Newsquelle für #Syrien und #Aleppo, ergänzend zu den Tagesmedien. Die Interview-Anfrage für den Blogbeitrag erfolgte auch gleich via Twitter – und erhielt noch am gleichen Tag Antwort und Kontaktangaben. Eine Information, die ich im Impressum von Medien und mittels Suche vergebens gesucht hatte. Nicht nur als Quelle, sondern auch als Netzwerk erschloss mir Twitter die Möglichkeit für die (öffentliche) Kontaktaufnahme. Für mich ein anschauliches Beispiel für die Funktionalität von Twitter.
Weiterführende Links
– Artikel in der Rubrik «Twitter im Profil»
– Kurt Pelda auf Twitter @KurtPelda
– Berichterstattung zu «Waffen für Syrien» in der Rundschau, 17. April 2013
– Kurt Pelda im Interview mit Kurt Aeschbacher in «Aeschbacher», 11. April 2013
– Reportage von Kurt Pelda und Birgit Virnich bei WDR, 29. April 2013, «Vergiesst keine Tränen mehr – wie Anwar in Syrien radikal wurde»
– Artikel im bernetblog zu «Medienarbeit auf Twitter: Wie (mit) Medien zwitschern»