Mediensterben: Vom Qualitätsjournalismus ins Corporate Publishing?

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Kommunikations-Profis wissen: Guter Inhalt gewinnt. Ressourcen gehen darum weg von klassischen Werbekanälen, hin zur multimedial aufbereiteten Geschichte. Diese Werbe-Einnahmen fehlen den Medien – und dort vor allem den Redaktionen. Wer sorgt künftig noch für Unabhängigkeit?

Seinen Beitrag «Gute Aussichten» (The European, 31.5.13) schliesst Sebastian Callies mit dem Ausblick: «Die beruflichen Aussichten für Journalisten sind also gut. Sie müssen nur die Seiten wechseln.» Deutsche Printerzeugnisse haben es schwer. So baut auch «Der Spiegel», eines der grössten Magazine Europas, jetzt erstmals in der Printredaktion deutlich Stellen ab (Hamburger Abendblatt, 6.5.13). Auch in der Schweiz werden Redaktionen verkleinert, zusammen gelegt und Inhalt wird eingekauft oder zweitverwertet. Web und damit Medienkonvergenz sind wichtige Treiber dieser Entwicklung. Die rasante Zunahme des mobilen Newskonsum wird noch mehr Ressourcen in die Online-Redaktionen verlagern. Das erfordert jedoch zuerst mehr Tempo und erst dann die Tiefe und Reflexion des Qualitätsjournalismus.

Warum uns PR-Schaffenden das noch leid tun wird

Wir haben für die PR gelernt: Relevanz schlägt Penetranz. Webbasiert können wir, theoretisch, unsere Inhalte selektiver konsumieren und auf den werberischen Beifang verzichten. Sobald die Unternehmensinfos mit Sorgfalt, Gehalt und Anreiz gestaltet sind, werde ich sie mir direkt abonnieren – via RSS, Twitter und andere Social Media Kanäle. Das Unternehmen als Absender kann sich aber noch so um Authentizität, Ehrlichkeit und Relevanz bemühen, werden seine Botschaften nicht von unabhängigen und glaubwürdigen Dritten bestätigt oder verifiziert, verlieren sie an Ausstrahlung. Natürlich lesen wir gerne das gut gestaltete Brand Magazin, sehen Filme bei Vimeo oder YouTube und auch die gedruckte Broschüre hat noch ihren Platz. Diese Säge stumpft aber ab. Der Moment kommt, wo nur noch eine unabhängige und gut informierte Drittmeinung diesen Botschaften wieder Schärfe gibt. Journalismus ordnet, kritisiert, fragt, kehrt um, beleuchtet und bestätigt.

Und jetzt?

Was passiert also mit der Unternehmens-Kommunikation, wenn niemand mehr ganz genau hinschaut? Und zwar nicht nur aus Neugier, sondern mit professionellem Auftrag, Ausbildung, Infrastruktur und Zeit. Noch ist es nicht soweit. Es wird neue Konzepte der Finanzierung geben. Und es wird immer wieder auch Medienschaffende geben, die den Seitenwechsel von der Redaktion in die PR machen – aber eben auch umgekehrt. Wir PR-Schaffenden können uns aber einen starken, unabhängigen und kritischen Journalismus nur wünschen und mit einem professionellen Verständnis von Medienarbeit dazu beitragen.

Weiterführende Links: 

Communication Summit: Der Sesseltanz zwischen Journalismus und PR
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  • Wohin die Entwicklung tatsächlich geht, zeigt diese Übersicht aus den USA: Für 300’000 USD kann man sich 12 Publireportagen im Techie-Magazin Gawker kaufen, bei Forbes kostet der Zugang zu freiem Publishing 50’000 USD für drei Monate. Plus das Schreiben von Stories, falls die Kunden das nicht selbst machen. Ich finde das bedenklich für die Medien und kann Kunden wie SAP, UPS oder Dell verstehen: So erhalten sie bessere Reichweiten.

  • Tatsächlich bedenklich. Und nicht nur das: Ich glaube, dass diese Magazine mit solchen Angeboten ihr eigenes Todesurteil schreiben. Publireportagen sind nicht grad förderlich für die Glaubwürdigkeit.